Schmalspur- und Museumsbahn-Nachrichten
V. Sächsisches Schmalspurbahn-Festival 2006 entlang der ehemaligen WCd-Linie
Das fünfte und letzte sächsische Schmalspurbahn-Festival fand vom 20. bis zum 22. Oktober 2006 entlang der ehemaligen Strecke Wilkau-Haßlau – Carlsfeld (WCd-Linie) statt. Am Freitag, dem 20. Oktober, gab es in Kirchberg, bei der Museumsbahn Schönheide sowie in der Stadthalle Wilkau-Haßlau eine Auftaktveranstaltung im begrenzten Kreis. Nach Kirchberg hatte 13 Uhr der Verein zur Förderung Sächsischer Schmalspurbahnen e. V. (VSSB), der Initiator und Koordinator aller fünf sächsischen Schmalspurbahn-Festivals, eingeladen. Nach feierlichen Ansprachen wurde an der Straßenseite des ehemaligen Empfangsgebäudes eine Gedenktafel enthüllt, die auf die Bedeutung des einstigen Bahnhofs als ersten sächsischen Schmalspur-Endbahnhof hinweist. Diese Gedenktafel wurde den anwesenden Gästen als Grundstein einer geplanten „Tourismusroute Sächsische Schmalspurbahnen“ präsentiert. Alsdann begaben sich die geladenen Gäste zur Museumsbahn Schönheide, wo IV K 132 alias 99 539 der Traditionsbahn Radebeul e. V. mit zwei Reisezugwagen des „Saxonia Limited“ (mit K.Sächs.Sts.E.B.-Lackierung) sowie zwei Wagen der Museumsbahn in Schönheide Mitte zur Abfahrt nach Stützengrün bereit stand. Hier wurde ebenfalls eine Gedenktafel enthüllt, die einerseits auf das 125. Jubiläum der ersten Teilstrecke der WCd-Linie und andererseits auf das 15jährige Bestehen der Museumsbahn Schönheide e. V. hinweist.
Am Freitagabend trafen sich die Festgäste in der „Muldentalhalle“ in Wilkau-Haßlau. Die dortige Veranstaltung stellte einerseits die Auftaktveranstaltung für das V. Festival und andererseits auch die offizielle Abschlußveranstaltung des Festjahres dar. Der Schirmherr des Jubiläumsjahres, Ministerpräsident Prof. Georg Milbradt, betonte dabei abermals sein großes Interesse an der sächsischen Eisenbahnszene, welche er nicht ausschließlich auf den Schmalspurbereich beschränkte. Gleichfalls fielen Lobesworte für das umfangreiche ehrenamtliche Engagement der vielen Vereine und Interessengruppen. In einer beeindruckenden Bildpräsentation ließ Helge Scholz den Streckenverlauf der WCd-Linie Revue passieren, ebenso gab es eine „Zeitreise“ durch die Eröffnungsjahre aller sächsischen Schmalspurbahnen. Ein emotional besonders ergreifender Höhepunkt war eine musikalisch eingerahmte Bilderschau mit Impressionen des Festjahres. Während der eine oder andere sich im Alltag fast schon „daran gewöhnt“ haben mag, daß es in Sachsen auch im 21. Jahrhundert sehr umfangreiche Schmalspurbahnaktivitäten gibt, ging diese Präsentation wirklich „unter die Haut“, wodurch eindrucksvoll gezeigt wurde, welche Einmaligkeit das umfangreiche Schmalspurbahnengagement in Sachsen anno 2006 eigentlich darstellt. Die beiden Vorsitzenden des VSSB, Dr. Andreas Winkler und Bodo Finger, sowie Ingo Neidhardt würdigten in weiteren Ansprachen die großen Erfolge, zu denen die Veranstaltungen im Jubiläumsjahr wurden. Interessante Worte zur betriebswirtschaftlichen Zukunft der sächsischen Schmalspurbahnen kamen vom Landrat des Landkreises Löbau-Zittau, Günter Vallentin. Er zeigte Ansatzpunkte und Wege auf, wie die Wirtschaftlichkeit der Schmalspurstrecken weiter verbessert werden kann, ohne den historischen Wert dieser Zeitzeugnisse negativ zu beeinflussen.
Am Samstag und Sonntag hieß es dann „Dampf pur“! Insgesamt sechs Maschinen der sächsischen Gattung IV K hatten sich entlang der WCd-Linie „versammelt“ – vier bei der Museumsbahn Schönheide sowie zwei in Schönheide Süd und Carlsfeld. So viele IV K hatte es bei keinem der vorigen vier Festivals auf einer Schmalspurstrecke gegeben. Beim I. sowie beim II. Festival in Mügeln bzw. Radebeul waren jeweils drei IV K unterwegs, beim III. Festival in Zittau eine. Beim IV. Festival im mittleren Erzgebirge waren insgesamt drei IV K zugegen. Letztmalig konnten sechs IV K-Maschinen in der Festwoche „Steinbach 2000“ im Preßnitztal erlebt werden – also vor mehr als sechs Jahren! Beim V. Festival standen zwischen Schönheide Mitte und Stützengrün-Neulehn neben 99 516 der Museumsbahn auch 99 539 der Traditionsbahn Radebeul e. V. sowie 99 561 des Fördervereins „Wilder Robert“ e. V. im Einsatz. Optisch aufgefrischt war die seit 1992 der Museumsbahn Schönheide gehörende 99 585 vor dem Lokschuppen in Schönheide Mitte ausgestellt. In Schönheide Süd gab es die nicht betriebsfähige 99 606 des VSSB zu bewundern, währenddessen auf dem Bahnhof Carlsfeld die für einige Tage von der Museumsbahn zum FHWE verliehene 99 582 unter Dampf stand. Das V. Festival begann – wie die vier anderen Schmalspurbahn-Festivals 2006 – am Samstagfrüh zunächst mit einem wolkenverhangenen Himmel und mit einigen Regenschauern. Im Verlaufe des Tages verbesserte sich das Wetter aber zusehends, wenn auch noch kein Sonnenschein den Himmel aufhellte. Der Stimmung und den Besucherzahlen tat dies jedoch keinen Abbruch. Die im Halbstundentakt auf der Museumsbahn Schönheide verkehrenden Züge waren von Anfang an sehr gut besetzt, schnell aber auch völlig überfüllt. Am Bahnhof Schönheide Süd „platze“ der Parkplatz auf der Ladestraße fast „aus allen Nähten“. Zahlreiche Interessierte begutachteten hier das noch in Sanierung befindliche Empfangsgebäude, in welchem neben der Imbißvorsorgung auch Informationsstände des FHWE, der IG Weißeritztalbahn e. V. sowie von anderen regionalen Vereinen und Institutionen aufgebaut waren. Ebenso starken Zuspruch fand die hier auf dem bereits 1992 wieder aufgebauten Schmalspurgleisstück ausgestellte 99 606 des VSSB. Bedingt durch die Baurichtung der Übergaberampe in Carlsfeld stand die Lok in Richtung Wilkau-Haßlau auf dem Gleis. Die Kinder vergnügten sich am Spielmobil „Ferdi“ der Stadt Zwickau. Im Güterschuppen bestaunten die Besucher den in Gartenbahnspurweite IIm nachgebauten Bahnhof Schönheide West. In Carlsfeld hatte 99 582 bei Führerstandsmitfahrten voll zu tun. Besetzt war diese IV K am Samstag mit Lokpersonal aus Radebeul und Zittau. Unsicher waren die Organisatoren des V. Festivals aufgrund fehlender Erfahrungen im Vorfeld bei der Planung des Buspendels Schönheide Mitte – Schönheide Süd – Carlsfeld gewesen: Würde eine solche Verbindung von den Besuchern angenommen werden? Sie wurde – der Bus war fast immer hoffnungslos überfüllt. Allerdings konnte für den Pendelverkehr nicht wie geplant der historische Fleischer-Bus des Unternehmens Meichsner (Baujahr 1967) zum Einsatz kommen, da dieser aufgrund eines Defekts kurzfristig nicht zur Verfügung stand. Deshalb mußte ein neuzeitlicher Bus einspringen. Die Filmvorführungen von Karl Wolf im Güterschuppen Schönheide Süd waren am Samstagabend ebenfalls überfüllt. Der Eisenbahnfotograf und Filmsammler führte seinen Gäste den 16-mm-Farbfilm „Im Fahrplan gestrichen“ des längst verstorbenen Kirchberger Heimatfilmers und -fotografen Georg Erzgräber vor. Die ältesten Farbaufnahmen dieses einmaligen Filmes stammen aus den vierziger Jahren.
Am Sonntag klarte der Himmel auf, und die zu Hunderten in und um Schönheide sowie Carlsfeld anwesenden Fotografen kamen zu ihren Sonnenaufnahmen. In den Zügen sowie auf den Straßen zwischen Stützengrün und Schönheide herrschte indes noch größeres Gedränge als am Vortag. Obwohl 99 516, 99 539 und 99 561 mit ihren Zügen (bis auf die in der Gemeinde Schönheide obligatorische Mittagsruhe) den ganzen Tag über einen Halbstundentakt absolvierten, waren sämtliche Züge völlig überfüllt. Ebenso gestaltete sich die Situation auf den Straßen: An mehreren Stellen bildeten sich zeitweise Staus. Selbst auf freier Strecke hielten sich entlang der Museumsbahn unzählige Menschen auf, so daß es keinen Flecken gab, auf dem man keine Menschen traf. Fotos ohne Passanten waren so fast unmöglich. Zum Fotografieren lud der Sonntag aber regelrecht ein: In den buntesten Farben zeigte sich die herbstliche Landschaft bei häufigem Sonnenschein. Während der Mittagspause faszinierte die Lokparade vor dem Schönheider Heizhaus mit den vier hier vorhandenen IV K-Maschinen. Beeindruckend waren auch die Menschenmassen, die sich sonntags an der großen Fotokurve vor dem Bahnhof Schönheide Mitte versammelten, jeweils kurz bevor ein Zug den hiesigen Bahnhof erreichte. Hier kam es „Massenaufläufen“, die die Museumsbahn bisher noch nicht erlebt hat. In Schönheide Süd zeigte sich am Sonntag das Bahnhofsgelände am Nachmittag zeitweise gleichsam stark gefüllt. In Carlsfeld stand 99 582 im absoluten Dauereinsatz bei den Führerstandsmitfahrten. Sowohl die Eintrittskarten für das Bahnhofsgelände als auch die Fahrkarten für die Führerstandsmitfahrten wurden im Verlauf des Sonntags in Carlsfeld ausverkauft, nachdem dies mit den Rostbratwürsten bereits am Samstag passiert war. Deshalb produzierte der Carlsfelder Fleischer am Sonntagfrüh noch mehrere hundert frische Bratwürste!
Fazit: Mit einem derartigen Erfolg des V. Festivals hatte niemand gerechnet. Sowohl für das speziell eisenbahnorientierte Publikum als auch für die allgemeine Öffentlichkeit wurde ein umfangreiches und stets abwechslungsreiches Programm geboten. Der Einsatz zweier Gastloks in Schönheide sowie der Einsatz der Schönheider 99 582 in Carlsfeld stellten besondere Höhepunkte dar. Insbesondere letzterer Fakt verdient besondere Beachtung. Es gilt zu bedenken, daß der FHWE 1999 nur aufgrund von unüberwindbaren Spannungen zwischen früheren Mitgliedern innerhalb der damaligen Museumsbahn Schönheide/Carlsfeld e. V. gegründet wurde. Sicherlich sind mit dem V. Festival nicht alle Unstimmigkeiten zwischen FHWE und Museumsbahn „wie weggeblasen“, jedoch darf die Zusammenarbeit beider Vereine im Rahmen des V. Festivals sehr wohl als Überwindung ehemals existierender Mauern und damit als wegweisend angesehen werden. Eines steht fest: In einem so großen Rahmen und mit einem solchen Erfolg hätte weder die Museumsbahn allein noch der FHWE allein das V. Sächsische Schmalspurbahn-Festival 2006 auf die Beine stellen und durchführen können. Vielmehr wurde dies ausschließlich durch die Zusammenarbeit beider Vereine und die vermittelnde Tätigkeit des VSSB möglich. Es bleibt zu hoffen, daß es auch in Zukunft gemeinsame Veranstaltungen von Museumsbahn Schönheide und FHWE geben wird.
30.11.2006