Schmalspurbahn-Geschichte
100. Jubiläen von Schmalspurstrecken in Sachsen: Die meterspurige Güterbahn Deuben
Mit viel Engagement wurde in Sachsen im Jubeljahr 2006 die Eröffnung der ersten sächsischen Schmalspurstrecke vor 125 Jahren gedacht. Zahlreiche Artikel, ja ganze Publikationen widmen sich verdientermaßen diesem Thema. Daß vor 100 Jahren, am 1. Mai 1906, der Abschnitt Geyer – Thum in Betrieb ging (+ 8,53 km), dafür aber der Streckenteil Oberherold – Ehrenfriederdorf (- 2,61 km) aufgelassen wurde, kann man dort bei tiefgründigerem Studium entnehmen.
Gelangt man allerdings zu Abschnitten, in denen die noch vorhandenen sächsischen Schmalspurlokomotiven aufgelistet werden, fällt den wenigsten auf, daß hier meist zwei ganz und gar vergessen werden! Zwei Maschinen, die ebenfalls vor genau 100 Jahren ihren Dienst aufnahmen: die Loks 1 und 2 der meterspurigen Güterbahn in Deuben (später Freital-Deuben). Natürlich: Das war doch eine Straßenbahn! Als solche konzessioniert, aber als Staatsbahn von den K.Sächs.Sts.E.B. erbaut und nur an die Städtische Straßenbahn Dresden verpachtet! Bereits 1902 war ebenfalls von der Staatsbahn die Straßenbahn Löbtau – Deuben errichtet und an die Deutsche Straßenbahn-Gesellschaft in Dresden verpachtet worden (diese stellte auch die Fahrzeuge; die Stadt Dresden kauft 1905 die Gesellschaft, Pachtverträge laufen weiter). Genannte Linie wurde in Stadtspur (1450 mm!), zwischen Potschappel und Deuben jedoch dreischienig mit eingelassener Meterspur für Güterverkehr – der hier nie zustande kam – angelegt.
Am 18. Januar 1906 schließlich wurde die – gern fälschlich – als Rollbockbahn bezeichnete Güterstraßenbahn vom Betriebshof Deuben (mit Anschluß zu den K.Sächs.Sts.E.B.) ins Poisental eröffnet. Es gab zwei Anschließer: die Lederfabrik Sohre AG und die Egermühle (= Endpunkt), die Streckenlänge betrug 0,95 km. Zum Einsatz kamen Rollwagen, wovon noch einer (Nr. 3507, ex 14) als Denkmal in Radebeul Ost (Eigentum VMD) erhalten geblieben ist. Ebenfalls museal vorhanden sind die beiden Lokomotiven, erbaut 1905 bei Henschel (Fabriknummern 7443 und 7444): Lok 1 befindet sich in der Sammlung des Straßenbahnmuseum Dresden e. V. in Trachenberge und kann dort an einigen wenigen Öffnungstagen im Jahr besichtigt werden. Im Zustand der sechziger Jahre ist sie als 3091 bezeichnet.
Lok 2 steht heute im Lichthof des Landesmuseums Kassel, nachdem sie zunächst 1979 an Thyssen-Henschel in Kassel verkauft wurde und dort als Nr. 1 (!) aufgearbeitet wurde. Sie präsentiert sich nun in der Lackierung der Anfangsjahre. Beide Lokomotiven und auch die Rollwagen waren von den K.Sächs.Sts. E.B. beschafft und in deren Nummernplan eingereiht worden. Unklar ist, wie es passieren konnte, daß 1917 die Elloks der Klingenthaler meterspurigen Staatseisenbahnstrecke ebenfalls mit 1 und 2 bezeichnet wurden, währenddessen man die beiden 1916 beschafften Rollwagen (371 + 372) für die Deubener Bahn akribisch in den Nummernpark einflocht.
Die Reichsbahn übernahm die Staatsstraßenbahnen 1920 nicht, sie blieben Eigentum des Freistaates Sachsen, erst 1926 gelangten die Deubener Bahnen mitsamt ihren Fahrzeugen zur neu gegründeten Dresdner Überland-Verkehrsgesellschaft mbH, 1941 dann zur Dresdner Straßenbahn AG. Ab November 1967 wurde die Egermühle nicht mehr bedient und am 19. November 1972 fand schließlich die letzte Bedienung zur Lederfabrik statt. Freuen wir uns, daß damals weitsichtige Kräfte beide (ehemaligen Staatsbahn-)Lokomotiven und den Rollwagen für die Nachwelt erhalten haben. Mit diesem Beitrag soll an diese kleine, aber außergewöhnliche Bahn nahe der sächsischen Landeshauptstadt erinnert werden.
30.11.2006