Schmalspurbahn-Geschichte
Rückblick: Sonderfahrten mit 99 586 in Wilischthal vor 15 Jahren (1991)
Genau eineinhalb Jahrzehnte ist es im Dezember 2006 mit Erscheinen der vorliegenden Ausgabe 93 des Preß’-Kurier her, daß die damals noch junge IG Preßnitztalbahn e. V. am 14. Dezember 1991 den berühmten „Plandampf in Wilischthal“ mit der zu diesem Zeitpunkt in Oberwiesenthal beheimateten IV K 99 1586-9 durchführte. Kurioserweise hätte die Veranstaltung allein schon unter dem Jubiläumsaspekt für Aufsehen sorgen können, denn am darauf folgenden Sonntag, dem 15. Dezember, jährte sich die Eröffnung der Strecke Wilischthal – Thum damals zum 105. Mal – doch dieser Jahrestag spielte keine entscheidende Rolle, zumindest ist dies heute, 15 Jahre später, so zu konstatieren. Die Veranstaltung begründete jedenfalls den Ruf der IG Preßnitztalbahn e. V., professionell derartige Events planen und organisieren zu können. Doch der Reihe nach:
Warum Wilischthal?
Die aktiven Mitglieder der IG Preßnitztalbahn e. V. befanden sich im Sommer kreuz und quer im Lande auf der Suche nach Material für die im Aufbau befindliche eigene Museumsbahn. Schienen, Weichen, Wagen, Loks – überall wurde Ausschau gehalten, jede ehemalige Schmalspurstrecke, jeder Bahnhof und viele Gebirgsdörfer wurden „abgeklappert“ auf der Suche nach verwertbaren Dingen. Mit dem im Bahnhof Wilischthal wohnenden Fahrdienstleiter Dietmar Reichel bestand schnell enger Kontakt, bildete doch der Anschlußbetrieb zur Papierfabrik den letzten Rest Schmalspuratmosphäre auf dem ehemaligen Thumer Netz. Mangels eigener Strecke mußte man, sollte den zahlreichen Vereinsmitgliedern doch auch einmal Fahrbetrieb geboten werden, auf eine andere Strecke ausweichen. Da aber die DR auf allen anderen Schmalspurstrecken zu dieser Zeit noch richtig enge Betriebsprogramme abspulte, die einer „choreografierten Fotoveranstaltung“ entgegenstanden, fiel die Wahl auf Wilischthal.
Die Vorgeschichte
Eine im Sommer 1991 kurzfristig organisierte Aktion, die von einem Raw-Aufenthalt zurückkehrende 99 1586-9 über Wilischthal „umzuleiten“ und hier mit Dampf die Anschlußbedienung durchzuführen, schlug wegen der nicht nutzbaren Überladerampe leider fehl. Da die Lok aber schon auf dem Transportwagen angeheizt war, mußte sie dann noch mit Restwärme im Kessel leicht dampfend wieder nach Cranzahl gefahren werden, was dazu führte, daß sich einige der Beteiligten mit dienstlichen Äußerungen bei ihrem Arbeitgeber rechtfertigen mußten, weil es vorgebliche „Eisenbahnfreunde“ gegeben hatte, die dieses „Vergehen“ bei der Rbd Dresden angezeigt hatten.
Der zweite Versuch wurde offiziell angeschoben. Mit Antrag vom 10. September 1991 wurde bei der Rbd Dresden, Abteilung Tm für den 14. Dezember 1991 der Leistungsumfang
- fünf Stunden Einsatz von 99 1606-5 auf der schmalspurigen Anschlußbahn Wilischthal
- Überführung der Lok auf Transportwagen beantragt. Die Versorgung der Lok mit Betriebsstoffen, das Ab- und Beladen der Lok, das Stellen von DR-geprüftem Personal sowie des Lotsen im Bahnhof Wilischthal wollten die Besteller, die Vorstandsmitglieder der IGP, Kay Kreisel, Steffen Buhler und Sven Oettel, selber übernehmen. Per 24. Oktober 1991 lag ein Angebot vor, jedoch mit dem Einsatz von 99 1586-9 anstelle von 99 1606-5, da die Transportkosten im Sinne des Bestellers bei dieser Lok von Cranzahl aus geringer seien. 3.324,07 DM wollte die DR von den Veranstaltern für diese Leistungen haben, ein für die damaligen Verhältnisse des Vereins enorm hoher Preis.
Die Vorbereitung
Dank der Unterstützung durch Dietmar Reichel, der auch die Absprache mit der Papierfabrik vornahm, war die Vorbereitung in Wilischthal eher ein Kinderspiel. Die Überladerampe mußte ausgebessert, die Überladeschienen sollten erneuert sowie die Gleisanlagen im Bahnhofsgelände soweit erforderlich und möglich freigelegt werden. Die Werbung für die Veranstaltung wurde Mitte Oktober 1991 begonnen, für die Ausgabe 2 des „Preß´-Kuriers“ leider zu spät. Also wurden über die Kanäle des VSE und an die bekannten Sonderfahrtteilnehmer Infozettel verschickt. Über die Refinanzierungsaussichten der Veranstaltung bestanden keine besonders optimistischen Voraussagen, mit 50 DM Teilnehmergebühr wurde eine für damalige Verhältnisse neue Höchstmarke gesetzt, da von etwa 70 zahlenden Teilnehmern ausgegangen wurde.
Inzwischen kamen aber auch an anderen Stellen Dinge in Bewegung: Am 25. Oktober 1991 gelang es nach sieben Monaten Bemühungen, den Gepäckwagen 974-316 in Mulda zu übernehmen. Die Neuerwerbung der IG Preßnitztalbahn e. V. sollte nun auch erst einmal in Wilischthal Station machen – und hier nach 25 Jahren Dornröschenschlaf als Schuppen wieder laufen. Dann kamen mit dem Kaufvertrag über 99 1542-2 und 99 1568-7 am 22. November 1991 auch noch Loks ins Spiel. Am 3. Dezember traf 99 1542-2 und am 6. Dezember ihre Schwesterlok 99 1568-7 in Wilischthal ein. Hier wurden sie soweit erforderlich demontiert und frostgeschützt in der Papierfabrik abgestellt. Auch der Personenwagen 970-559 sowie der G10 von der ehemaligen Anschlußbahn des VEB Mineralwolle Bad Berka, zuvor im Einsatz bei einem VSE-Plandampf, standen auf den Gleisen bereit.
Die Veranstaltung
Das Personal des Veranstalters war mit mehreren Pkw und dem B1000 der Stadt Jöhstadt bereits seit dem Vortag vor Ort, als endlich 99 1586-9 aus Cranzahl mit dem Nahgüterzug eintraf. Mit dem Morgengrauen begann der Trubel. Auf einer sächsischen Schmalspurbahn, die bereits seit 19 Jahren nicht mehr im Kursbuch zu finden war und auf der es seit 1972 keinen Dampflokbetrieb mehr gegeben hatte, dampfte bei herrlichstem Winterwetter eine IV K mit dazugehöriger, wunderschöner Zuggarnitur auf rund 1,5 km Streckengleis vom Bahnhof zur Papierfabrik Wilischthal. Hunderte begeisterter Schmalspurbahnfans nahmen an dieser Veranstaltung teil und verwandelten die vorherigen Sorgen über zu wenige Teilnehmer bis zum Mittag ins Gegenteil. Die gedruckten Teilnehmerkarten reichten bis kurz nach Mittag, die Imbiß- und Getränkeversorgung konnte nur mit mehreren Hamsterfahrten in die Geschäfte der Region aufrecht gehalten werden. Zigfach wurden die entstandenen Bilder in den letzten 15 Jahren in allen möglichen Publikationen immer und immer wieder abgedruckt. Von Sonnenauf- bis zum Sonnenuntergang pendelte der Zug in wechselnden Kompositionen. Die Fotografen brachten sich für den besten Schuß teils in echte Lebensgefahr – auf der teilweise aufbrechenden Eisdecke der Zschopau oder an den gegenüberliegenden Felsen. Im Bahnhof Wilischthal erfolgte das Rangieren mit Hilfe von 199 007-6, ab der Anschlußweiche in die Papierfabrik und zurück wurde der Zug jeweils geschoben, in der Papierfabrik wurde das Umsetzgleis zum Rangieren genutzt. Über die genaue Anzahl der Fahrten gibt es leider keine Aufzeichnungen. Der Höhepunkt des Tages, bereits im letzten Dämmerlicht, war für viele Teilnehmer dann sicherlich der gemeinsame Fotoauftritt von 99 1586-9 und 99 1568-7 mit kurzfristig angebauten Schildern sowie Strom- und Dampffremdeinspeisung vor dem Diesellokschuppen in der Papierfabrik, in dem die V10C-Werklok, die heutige 199 009-2 der IG Preßnitztalbahn e. V. stand.
Im Rückblick …
… kann die Veranstaltung heute als überaus wichtig für die Vereinsentwicklung und den Aufbau der Museumsbahn angesehen werden. Nachdem die DR im Frühjahr 1992 die letzte Bedienung der Anschlußbahn einlegte, bemühte sich die IG Preßnitztalbahn e. V., möglichst viel von dem kurzzeitigen „Schmalspurparadies“ Wilischthal zu erhalten und für die Museumsbahn zwischen Steinbach und Jöhstadt zu übernehmen.
Ausgenommen 99 1586-9 sind alle dort abgestellten, aber inzwischen auch der gesamte sonst bei der Veranstaltung eingesetzte Betriebspark auf der Preßnitztalbahn, die Einfahrweiche des Bahnhofs Wilischthal und die Gleise der Werkbahn sind heute ebenfalls Bestandteil der Museumsbahn im Preßnitztal. Nachdem Anfang 2005 die Papierfabrik komplett eingeebnet wurde und rund 500 m ehemaliges Streckengleis auf eher dubiose Weise abgetragen wurden, erinnern noch die markante, unbegehbare Fachwerkbrücke sowie knapp 500 m Schienenstrang an diese Strecke.
Wenige Tage nach der Veranstaltung rückte Dietmar Reichel noch mit einer besonderen Überraschung heraus: Am Freitag, dem 13. Dezember, hatte er aus Dresden Order erhalten, die Veranstaltung wegen diverser Gründe zu untersagen. „Leider“ ging diese Aufforderung im Trubel unter – „Die Jungs hatten sich ja so angestrengt bei der Vorbereitung.“ Danke noch einmal an alle Mitwirkenden, danke nochmals besonders an Dietmar Reichel.
30.11.2006