Geschichte(n) um das Preßnitztal
Als ich meinem „Westbesuch“ die Preßnitztalbahn zeigte …
Gegen Ende der 1970er Jahre vermittelte mir unsere Arbeitsgemeinschaft des Deutschen Modelleisenbahn-Verbandes der DDR (DMV) einen „Tauschpartner“ im „nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet“ (NSW) – Thomas B. aus dem Raum Stuttgart. Dadurch war es mir legal möglich, Modellbahnartikel zu tauschen. Der DMV stellte dazu Aufklebemarken zur Verfügung: rote auf das Paket in Richtung Westen und grüne in umgekehrter Richtung. Es entwickelte sich eine Freundschaft, woraufhin Thomas einen Besuch bei uns im Bezirk Karl-Marx-Stadt plante. Natürlich wollte ich ihm die Highlights der sächsischen Eisenbahnen zeigen, wozu auch die Preßnitztalbahn gehörte, die ich selbst fast nur vom Durchfahren des Bahnhofes Wolkenstein und von seltenen Besuchen einer Tante in Steinbach kannte. Dazu muss ich etwas weiter ausholen. Die Dampfeisenbahn gehörte damals im Erzgebirge noch zum Alltag wie heutzutage die Lkw-Unfälle auf Autobahnen, d. h. man nahm kaum Notiz davon. Außerdem gehörte für mich als ehemaligem Crottendorfer die Preßnitztalbahn nicht zum direkten Einzugsgebiet, denn die nahen Verwandten wohnten in Cranzahl und Bärenstein. Außer der Zeitschrift „Der Modelleisenbahner“ gab es kaum Literatur, die über Besonderheiten informierte. Doch das war nichts im Vergleich zu heute. Mein Vater Max hatte allerdings seine Kindheit in Niederschmiedeberg verbracht. Er erzählte mir oft von der dortigen Eisenbahn und einer kuriosen Lok – die Bewegung der Treibstangen mit den Händen nachahmend. Erst nach eingehender Beschäftigung mit der Materie kam ich später zu der Erkenntnis, dass er von der Gattung III K gesprochen haben muss. Im März 1981 war es so weit: Thomas B. kam zu Besuch. Unter anderem fuhr ich mit ihm im Trabi auf gut Glück nach Steinbach. Es dauerte nicht lange und von unten herauf kam etwas angeschnauft. Ein herrliches Züglein! Es hielt in Steinbach zum Wassernehmen und bestand aus zwei Loks, zwei Gepäck- und einem Personenwagen. Ob das damals ein öffentlicher Zug oder nur eine Überführung war, kann ich nicht sagen – am Fahrplanaushang hatten wir nicht nachgeschaut. Kurzerhand empfahl ich meinem Freund, dem Zugführer vielleicht ein, zwei Westmark in die Hand zu drücken und um Mitfahrt zu bitten. Dieser Tipp hatte Erfolg, und siehe da: Thomas fuhr im Gepäckwagen mit und ich begleitete die Fuhre mit dem Trabi auf der Straße nach Jöhstadt. Dabei entstanden mehrere Fotos. Für Thomas war die Mitfahrt natürlich ein ganz besonderes Erlebnis. Während seines Aufenthaltes zeigte ich ihm auch noch die Strecken Cranzahl – Kurort Oberwiesenthal, Radebeul Ost – Radeburg und Schlettau – Crottendorf sowie die Schmalspur-Straßenbahn in Karl-Marx-Stadt und den dortigen Rangierbahnhof in Hilbersdorf mit intakter Seilablaufanlage. Auch heute stehen wir noch in Verbindung. Nur Modelle brauchen wir nicht mehr tauschen …
15.10.2017