Interview
Vor 25 Jahren Einstellung des Betriebes auf der Preßnitztalbahn - Steffen Buhler im Interview
Vor 25 Jahren endete am 21. November 1986 der Eisenbahnbetrieb nach 94½ Jahren auf dem noch verbliebenen unteren Streckenstück der ehemaligen Schmalspurbahn Wolkenstein - Jöhstadt. Dies ist für uns Anlaß für einen persönlichen und subjektiven Rückblick auf diese Zeit.
Steffen Buhler ist nicht nur seit 1990 aktiver Mitstreiter beim Aufbau der Preßnitztalbahn und Vorstandsmitglied des Vereins, er erlebte auch die letzten Monate der alten Preßnitztalbahn zwischen Wolkenstein und Niederschmiedeberg 1986 als junger Mitarbeiter der Deutschen Reichsbahn mit.
PK: Steffen, Du bist im Sommer 1986 nach Wolkenstein gekommen. Wie kam es dazu und warum gerade die Einsatzstelle Wolkenstein, wo doch die Gesamteinstellung der Strecke nur noch eine Frage der Zeit zu sein schien.
Ich hatte im Oktober 1984 meine Ausbildung als Maschinist für Wärmekraftwerke beim Energiekombinat in Jena abgeschlossen und mich, durch meinen Bruder Olaf für die Eisenbahn begeistert, bei der Deutschen Reichsbahn beworben. Zunächst begann ich in der Einsatzstelle Göschwitz des Bw Saalfeld zu arbeiten. Bei einer Fotofahrt zur Preßnitztalbahn im Erzgebirge Anfang der 1980er Jahre lernten wir den Lokführer Roland Walther kennen, der auf der Preßnitztalbahn fuhr. Danach lagen mein Bruder und ich öfter auch im Preßnitztal den Zügen mit dem Fotoapparat auf der Lauer und übernachteten dann bei der Familie Walther in Oberschaar. Dabei hörte ich eines Tages, daß auf der Preßnitztalbahn Heizer gesucht wurden. Also bewarb ich mich Anfang 1986 beim Bahnbetriebswerk Aue und kam wie gewünscht nach Wolkenstein. Da ich in meiner Berufsausbildung schon als Kesselwärter und Rangierleiter für die Anschlußbahn des Heizkraftwerkes qualifiziert worden war, reichte noch ein kurzer Lehrgang als „Beimann“, so daß ich schnell als Heizer auf den IV K eingesetzt werden konnte. Natürlich stand die Einstellung des Betriebes „auf dem Plan“, seit 1985 hatte es mehrfache Termine für einen letzten Zug gegeben, die sich aber letztendlich alle wieder zerschlugen. Daher gab es eigentlich die Überzeugung unter den Personalen, daß die endgültige Stillegung noch in weiter Ferne wäre…
PK: Wie erinnerst Du Dich heute an die damalige Stimmung unter den Kollegen?
Angespannt, aber schon im Glauben, daß es doch weiter gehen würde. Für diese Hoffnung gab es auch scheinbar gute Gründe. Ein extra für den Verkehrsträgerwechsel errichteter Containerterminal in Buchholz wurde 1985 eröffnet, aber trotzdem wurden auf der Preßnitztalbahn vor allem für den Export in das NSW (Nichtsozialistisches Wirtschaftssystem - d. Red.) weiter Kühlschränke in Güterwagen transportiert. Drei Güterzugpaare gab es dazu im Plan, manche Züge ab Niederschmiedeberg hatten bis zu 48 Achsen (12 beladene Rollfahrzeuge - d. Red.). Die Erneuerung der Sicherungstechnik auf EZMG-Technik auf der AF (Strecke Annaberg - Flöha, d. Red.) Ende 1985 berücksichtigte im Dreischienenabschnitt auch die Schmalspurbahn. So viel Geld, glaubten wir, würde man doch nicht ernsthaft ausgeben, wenn man die Strecke einstellen wollte. Aber die letzten Wochen vor dem Schluß waren dann schon von einer sehr komischen Stimmung geprägt, das kann man heute nicht mehr beschreiben.
PK: Waren alle Kollegen „gegen“ die Einstellung eingestellt, oder gab es auch Zustimmung und Freude über die Veränderungen.
Die Kollegen des Betriebspersonals der Einsatzstelle Wolkenstein wollten alle, daß es so bleibt. Keiner war für die Stillegung. Allerdings wirkte besonders Walter Reuther, der Bahnhofsvorsteher vom Bahnhof Wolkenstein und Mitglied der Arbeitsgruppe Verkehrsträgerwechsel war, entsprechend seiner Aufgabe aktiv für die Einstellung der Strecke. Da merkte man schon, daß da im Hintergrund heftig gearbeitet wurde. Im September 1986 verdichteten sich immer mehr die Anzeichen auf ein baldiges Ende für die Bahn, allerdings glaube ich, haben wir erst wenige Tage vorher erfahren, daß am Freitag, den 21. November 1986, der letzte Zug fahren sollte.
PK: Wie lief die Einstellung des Betriebes ab? Der „letzte Zug“ kam in Wolkenstein an und die Lok wurde danach kaltgemacht?
Ja, zunächst war das so, doch auch in den folgenden Wochen stand, von Montag bis Freitag, meist noch eine Lok unter Dampf, um die zur Umsetzung auf andere Strecken vorgesehenen Rollfahrzeuge in Wolkenstein über die Überladerampe auf die Transportwagen zu schieben. Auf Wunsch von Eisenbahnfreunden habe ich in dieser Zeit während der Lokwache, bei der ich manchmal ganz allein im Schmalspurteil war, die Lok dann auch mal vor das Heizhaus gefahren. Am 5. Dezember fand dann tatsächlich noch einmal eine Streckenfahrt von Wolkenstein bis nach Niederschmiedeberg statt. Von dort wurde der Einheitspackwagen 974-365, der im dortigen Bahnhofsareal stehen geblieben war, abgeholt. Als mich am Abend dieses Tages Dresdner Eisenbahnfreunde am Lokschuppen in Wolkenstein besuchten und mir berichteten, die Altbau-50er 50 2740 auf dem Markersdorfer Viadukt „erlegt“ zu haben und ich ihnen erzählte, daß wir am Tag wohl das letzte Mal in Niederschmiedeberg waren, wurde uns allen wohl schnell klar, welches das historisch wertvollere Ereignis am 5. Dezember 1986 war.
PK: Wie war der Zustand von Fahrzeugen und der Anlagen zwischen Niederschmiedeberg und Wolkenstein?
Die Fahrzeuge waren eigentlich in einem guten und betriebssicheren Zustand. Dafür waren in Wolkenstein ja auch bis zum Schluß Lok- und Wagenschlosser im Einsatz. Selbst der Oberbau der Strecke war eigentlich in einem ganz passablen Zustand. Mußte er ja auch sein, denn niemand konnte sich leisten, devisenbringende Kühlschränke durch eine Entgleisung und umstürzende Güterwagen zu verlieren. Lediglich auf drei Brücken mußte man schon sehr vorsichtig fahren, denn da lösten sich unter einem schon mal die Brückenbalken auf und fielen in die Preßnitz. Aber die neuen Brückenbalken für diese notwendigen Ausbesserungen lagen bei der Bahnmeisterei schon bereit und auch noch einige Zeit später in Wolkenstein, bis sie auf dem Oberwiesenthaler Viadukt eingebaut wurden.
PK: Welche besonderen Dinge sind Dir im Zusammenhang mit der Stillegung der Preßnitztalbahn in Erinnerung?
Ich war sowohl am 21. November als auch am 5. Dezember bei den letzten beiden Fahrten auf der Strecke zusammen mit Lokführer Reiner Grabner als Heizer auf der Lok unterwegs. Das bleibt natürlich in Erinnerung. Ich habe auch für die entsprechende „Abschiedsdeko“ mit Blumen und Beschriftung an der Lok gesorgt. An der Strecke, besonders auf der Höhe des dkk-Zentralversandes, standen bei der letzten Fahrt eines Güterzuges zahlreiche Menschen und schwenkten als Zeichen der Trauer schwarze Fahnen.
PK: Wie hast Du damals die Bemühungen zum Erhalt der Preßnitztalbahn wahrgenommen?
Bei früheren Besuchen im Preßnitztal bekamen wir natürlich die Verärgerung der Bevölkerung über die geplante Stillegung mit, nahmen auch vereinzelt sicht- oder hörbare Proteste wahr. Und im Sommer 1986 kamen die Brüder Ralph und Detlef Böttrich auch mit ihrer Unterschriftensammlung in Wolkenstein vorbei. Aber unter den Kollegen war eigentlich allen bewußt, daß diese Entscheidung nicht zu verändern sein würde, egal was man auch tut.
PK: Wie wurde der in den folgenden beiden Jahren noch stattfindende Abbau der Gleisanlagen vollzogen, hast Du davon etwas mitbekommen?
Mir wurde ab Januar 1987 ein neuer Arbeitsplatz in Oberwiesenthal bei der Schmalspurbahn angeboten, dadurch kam ich auch nicht mehr mit den Abbauzügen, die von Großrückerswalde aus gefahren wurden, in Berührung. Die von der GISAG aus Schmiedeberg geholte Ns4 199 008-4 (die heutige 199 032-6 der Döllnitzbahn – d. Red.) wurde aber von den Lokführern der Einsatzstelle Buchholz besetzt, darunter waren auch einige Personale, die vorher auf der Strecke mit Dampfloks im Einsatz gewesen waren. Berührung mit Teilen von der Preßnitztalbahn bekam ich nochmals, als bei verschiedenen Baumaßnahmen an der Schmalspurbahn Cranzahl – Oberwiesenthal noch bis 1990 altbrauchbares Material von der früheren Nachbarbahn eingebaut wurde.
PK: Wie hat sich Deine „Verbindung“ zur Preßnitztalbahn weiter entwickelt, wie bist Du zum Verein nach Jöhstadt dazu gestoßen?
Lokführerkollege Jürgen Dieterici sprach mich im Sommer 1990 mal darauf an, daß in Jöhstadt wieder was an der Bahn passieren würde. Er wohnte oberhalb des Bahnhofes. Also bin ich da mal mit hin …
PK: Was hättest Du Dir im Rückblick auf diese 25 Jahre anders vorgestellt, an welcher Stelle würdest Du Dich mit den Kenntnissen von heute anders entscheiden?
Ich glaube, besonders die Sache mit dem Aufbau der Museumsbahn hätten wir nicht gemacht, wenn wir gewußt hätten, was da für eine Arbeit auf uns zu kommen würde … Oder vielleicht doch …?
Vielen Dank, Steffen, für das Gespräch und für Dein Wirken für die Preßnitztalbahn in den vergangenen 25 Jahren! Das Gespräch führte Jörg Müller.
11.12.2011