Editorial
Liebe Preß´-Kurier-Leser,
es ist in dieser Ausgabe sicherlich nicht zu übersehen: An fast allen Schmalspurbahnen ist in den vergangenen Wochen kräftig gebaut worden oder sind umfangreiche Arbeiten auch noch im Gange. Besonders die beiden Schmalspurbahnen an der Ostseeküste bieten momentan sehr umfangreiche bauliche Bewegungen − während beim Molli ganze Streckenabschnitte im Neuaufbau den Verkehr zum Erliegen gebracht haben, wird beim „Rasenden Roland“ quasi unter „rollendem Rad“ der Endbahnhof Göhren neu gebaut. Die nächste Saison also „auf neuen Schienen“. Auch in Sachsen ist der Spätherbst, zumal wie in diesem Jahr völlig schneefrei, eine intensiv genutzte Bauzeit, da in dieser Spanne die Beeinträchtigungen für die dringend gewünschten Fahrgäste natürlich geringer sind. Die Bauarbeiten führen mitunter zu Veränderungen, die bei den Eisenbahnfreunden nur für geringe Begeisterung sorgen, aber eine größer werdende Differenzierung zwischen den einzelnen Linien bewirken. Ist diese stärkere Unterscheidbarkeit nun, mit etwas Abstand betrachtet, wirklich so schlecht?
Schlecht ist definitiv, daß wir wieder nichts über Bauarbeiten am oberen Abschnitt der Weißeritztalbahn berichten können. Einen seit 2002 derartig publizistisch verwertbaren Dauerbrenner hat sicher keiner erwartet − inzwischen erkennt man aber auch langsam eine Veränderung in der „publizierten öffentlichen Meinung“ (zum Beispiel „Sächsische Zeitung“). Waren die Artikel, Kommentare und veröffentlichten Leserbriefe in ihrer Grundaussage überwiegend Pro zum Finanzmitteleinsatz und zum Weiterbetrieb der Strecke bis Kipsdorf, ist die Tendenz seit knapp einem Jahr so stark ins Gegenteil geschwenkt, daß man schon die Frage stellen muß, ob da massiv Meinungsbildung betrieben wird. Mit dem Andeuten von möglicherweise nur acht Betriebstagen zwischen Dipps und Kipsdorf und dem Prognostizieren von „extremen Kostensteigerungen“ kann man ja gut Vorbehalte aufbauen, auf Grundlage derer politisch Verantwortliche sich dann immer weiter ins Unkonkrete zurückziehen können. Cui bono?
Jetzt ist es also beschlossene Sache, daß bis zu 25,25 Meter lange und 44 Tonnen schwere Gigalinier auf Deutschlands Straßennetz auftauchen werden. Wieder einmal hat sich die Straßenlobby durchgesetzt, sie können sogar mit klassischen Argumenten punkten, daß der Güterverkehr auf der Schiene ja kaum noch Wachstumspotential bietet. Da passen die kolportierten Pläne der Finanzverwaltung gut ins Bild, auch noch Gewerbesteuer auf die Trassennutzungsentgelte für die Eisenbahnverkehrsunternehmen zu erheben. Das sind weitere Varianten des (politisch gewollten) Spiels, wirtschaftlich sinnvollen Wettbewerb auf der Schiene zu behindern und mit anderen Verkehrsträgern zu verteuern. Alles in allem wenig rosige Aussichten für das System Schiene in Deutschland.
Ich wünsche Ihnen ein frohes Weihnachtsfest sowie ein erfolgreiches Jahr 2012 und viele schöne Erlebnisse bei den Eisenbahnen der verschiedensten Spurweiten. Glück Auf!.
11.12.2011