Preßnitztalbahn-Meilensteine
Teil 4: Die vier Domizile der Geschäftsstelle des Vereins in Jöhstadt
„Die Preßnitztalbahn hat ihren Sitz und ihre Geschäftsstelle im Bahnhofsgebäude von Jöhstadt“ – diese richtige Antwort auf die Frage nach dem Domizil des Vereins ist mit Sicherheit von der Mehrheit bei einer spontanen Befragung unter Gästen und Mitgliedern zu bekommen. Doch dass der Verein außer der Adresse „Am Bahnhof 78“ in Jöhstadt in den vergangenen 25 Jahren noch an drei weiteren Stellen im Ort zeitweilig „ansässig“ war, dürfte nur den wenigsten bekannt sein. Grund genug, diesen Anlaufstellen einmal etwas Erinnerung zukommen zu lassen.
Großrückerswalde
Bevor der Verein im Frühjahr 1991 jedoch eine feste Anlaufstelle in Jöhstadt bekommen sollte, war die IGP am Wohnsitz vom damaligen Vereinsgeschäftsführer Ralph Böttrich in Großrückerswalde „beheimatet“. Auch die erste bestätigte Satzung als „e. V.“ vom 28. Oktober 1990 nannte Großrückerswalde als Vereinssitz. Bis zum Frühjahr 1990 übernahmen immer mehr Vereinsmitglieder schrittweise das Bearbeiten der Zuschriften von Interessierten sowie des notwendigen Schriftverkehrs mit Behörden und Firmen, so dass sich eine gemeinsame „Rücklaufadresse“ erforderlich machte. Dazu wurde im Jöhstädter Postamt das Postschließfach (PSF) 18 eingerichtet, das bis zur Auflösung der Postfiliale in Jöhstadt die offizielle Postzustelladresse war. Anfang 1991 richtete die Stadtverwaltung Jöhstadt eine zweite Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zur Unterstützung der Museumsbahnidee ein. Nachdem eine erste Kurzmaßnahme im Herbst 1990 mit erheblichen Problemen bei der Beaufsichtigung und Anleitung der Mitarbeiter ablief, verstand es sich für den neuen Vorstand unter Leitung von Kay Kreisel nunmehr von selbst, dass nur eine regelmäßige Vor-Ort-Präsenz zweckdienlich sein konnte. Mit Unterstützung der Familie Schaarschmidt vom Dürrenberg fand der Verein im April 1991 ein erstes Domizil für die einzurichtende „Geschäftsstelle“.
Jöhstadt, Am Dürrenberg 106


Per 24. April 1991 schloss die IGP mit Familie Thiele im „letzten Haus vor der Grenze“ am Dürrenberg den Mietvertrag für ein Zimmer ab, das zu DDR-Zeiten als Ferienquartier für Urlauber gedient hatte. In den folgenden Wochen und Monaten wanderten dann zahlreiche Büroausstattungsgegenstände, bereitgestellt von mehreren Vereinsmitgliedern, in den kleinen Wohnraum, der in der Erinnerung letztendlich nur sehr wenig Platz bot, um dort tatsächlich Bürotätigkeiten ausführen zu können. In den 1990er Jahren war das Haus der Familie Schaarschmidt am Dürrenberg 93 das Hauptdomizil für Übernachtungen von Vereinsmitgliedern, somit war „das Büro“ nur rund 400 m entfernt und auch ohne Fahrzeug schnell zu erreichen. Bei gelegentlicher „Überbelegung“ des Hauptquartiers nutzten verschiedene Mitglieder die erste Geschäftsstelle daher auch interimsmäßig zum Übernachten. Die beengte Situation ließ diese Räumlichkeiten von Beginn an nur als Zwischenlösung erscheinen und auch die Stadtverwaltung hatte Interesse an einem kürzeren Draht zum Verein, zumal auch kein separates Telefon zur Verfügung stand. Letztendlich ging der erste innerstädtische Umzug sehr schnell vonstatten und war für sich schon ein Kuriosum.
Jöhstadt, Am Markt 182
![Winterliche Außenansicht der Geschäftsstelle „Am Markt 182“ im Februar 1993. [Foto nicht in der Printausgabe] | 20.02.1993 | Foto: Jörg Müller Winterliche Außenansicht der Geschäftsstelle „Am Markt 182“ im Februar 1993. [Foto nicht in der Printausgabe]](/site/assets/files/9449/1993-02-20_215-img_0423_o15112.480x0.webp 480w, /site/assets/files/9449/1993-02-20_215-img_0423_o15112.1000x0.webp 1000w, /site/assets/files/9449/1993-02-20_215-img_0423_o15112.960x0.webp 5005w, /site/assets/files/9449/1993-02-20_215-img_0423_o15112.2000x0.webp 5006w)

Wer glaubte, die Deutsche Reichsbahn war mit dem Auflassen der Strecke nach Jöhstadt 1984 oder spätestens seit der endgültigen Einstellung der Schmalspurbahn Ende 1987 operativ aus Jöhstadt verschwunden, der irrte. Eines der heute ziemlich kurios anmutenden Zugeständnisse der DR an die Einwohner von Jöhstadt nach der Stilllegung der Schmalspurbahn war, dass es in der Bergstadt weiterhin möglich sein sollte, Eisenbahnfahrkarten zu erwerben und Gütergepäck aufzugeben. Da der Bahnhof zum Umbau in eine Kindertagesstätte an die Stadt übergeben werden sollte, richtete die Reichsbahn am Marktplatz knapp unterhalb des Rathauses eine sogenannte Abfertigungshilfsstelle ein. Das Prinzip, dafür einen Agenturvertrag mit einem örtlichen Geschäft abzuschließen, gab es in der DDR nicht, zumal damit der Arbeitsplatz für zwei Eisenbahner erhalten blieb. Aufgrund des altersbedingten Ruhestandes des letzten Beschäftigten wollte die DR Ende August 1991 diese wenig lukrative Betriebsstelle schließen. Mit einigem Verhandlungsgeschick gelang es dem damaligen Vereinsvorstand, diese Verkaufsstelle beinahe nahtlos weiterzuführen und dort eine der ersten Verkaufsagenturen im Gebiet der Deutschen Reichsbahn einzurichten. Am 30. Oktober 1991 verfasste der Vorstand mit dem Hauseigentümer, Herrn Beck, einen rückwirkend zum 1. September gültigen Mietvertrag für den Gewerberaum mit 19,6 m² Grundfläche und Toilette im Hinterhaus für 60 DM pro Monat. Zwar war der Raum gefühlt sogar noch kleiner als das Büro am Dürrenberg, aber er war quasi „voll möbliert“ vom Vormieter mit historischem Inventar (und sogar noch einigen verbliebenen Unterlagen aus der Zeit der ehemaligen Bahnverwalterei Jöhstadt der Schmalspurbahn) sowie BASA-fähigem Festnetzanschluss übernommen worden. Somit konnte der Verein quasi doch noch direkt in die Fußstapfen der Deutschen Reichsbahn treten, zumal auch die Festnetznummer „Jöhstadt 2300“ die ursprüngliche Bahnhofsanschlussnummer war (und man auch heute noch unter dieser Nummer zum Bahnhof verbunden wird). Die Möbel im Raum „Am Markt 182“ stammten teilweise aus dem Jöhstädter Empfangsgebäude. Von dort waren 1984 viele andere Einrichtungsgegenstände ins Verkehrsmuseum Dresden gekommen, aber bis zur leihweisen Übergabe 2007 an die IGP stets in Depots gelagert worden. Da zwei Büros nicht notwendig waren, kündigte die IGP die bisherige Filiale des Vereins am Dürrenberg 106 zum Jahresende 1991. Danach verstopfte ein Großteil des dort angesammelten Inventars den neuen Raum am Markt. In der neuen Lokalität konnte nun endlich an zwei Schreibtischen der Geschäftsbetrieb strukturiert und organisiert werden, zumal kurze Wege zum Rathaus viele Absprachen mit der Stadtverwaltung vereinfachten. Dagegen wird sich manches Vereinsmitglied noch an die Zeiten erinnern, in denen es mangels Führerschein oder verfügbarem Fahrzeug eine Berg- oder Talwanderung mit rund 100 m Höhenunterschied bei 1200 m Wegstrecke zum Lokschuppen in der Talsohle am Schwarzwasser antreten musste … Da der Verkauf von Fahrscheinen nach Gründung der Deutschen Bahn AG gemäß Agenturvertrag fortgesetzt wurde, blieb die Geschäftsstelle auch nach dem 1. Januar 1994 Anlaufstelle für Jöhstädter Einwohner, die diesen Service bisher schon genutzt hatten. Auch viele Vereinsmitglieder bezogen ihre Fahrscheine über „das Büro“. Ein kleines Schild an der Fassade wies auf die Nutzung des Raumes hin. Per Ende April 1995 kündigte der Vermieter dem Verein diese Räumlichkeiten. Die Kündigung wurde zunächst mit Wehmut aufgenommen, andererseits aber auch mit der Hoffnung auf mehr Platz und mehr Tageslicht in neuen Räumen verbunden. Dank der Unterstützung durch die Stadtverwaltung konnte recht schnell eine mögliche Alternative gefunden werden.
Jöhstadt, Am Markt 188

Bevor die neuen Geschäftsräume „Am Markt 188“– nur rund 30 m oberhalb der alten Geschäftsstelle – bezogen werden durften, waren die bisher als Agentur genutzten Räume zu sanieren – einschließlich Neuinstallation der Heizung und Elektroanlage sowie einer umfangreichen Decken-, Wand- und Fußbodenerneuerung. Nach dem Umzug im März 1995 in die größeren Räume, die nun Platz für einen Empfangstresen mit Arbeitsplatz, zwei Schreibtische sowie einen Archiv- und Abstellraum boten, wurde der seit 1984 für Eisenbahnzwecke genutzte Raum am Markt 182 zurückgegeben. Modernes Büromobiliar löste die Ausstattung der bisherigen Geschäftsstelle ab. Damit verbesserten sich nicht nur die Arbeitsbedingungen für die Assistentinnen des Vereins, den Büroleiter und freischaffende Büromitarbeiter deutlich, sondern es gab nun auch die Möglichkeit für den Empfang von Gästen sowie für Personalgespräche mit den Mitarbeitern der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM). Für die Erkennbarkeit der Geschäftsstelle und deren Außenwahrnehmung sorgte ein deutlich größeres Schild als am Vorgängerbüro. Dieses war sogar beleuchtet. Nach weiteren reichlich viereinhalb Jahren am Markt von Jöhstadt folgte der Umzug der Geschäftsstelle in das einer mehrjährigen schrittweisen Sanierung unterzogene alte Empfangsgebäude von Jöhstadt. Nachdem das Mobiliar und der umfangreiche Aktenbestand des Vereins ins Tal gebracht waren, lief der Mietvertrag für das Büro am Markt zum Jahresende 1999 aus.
Jöhstadt, Am Bahnhof 78

Seit November 1999 und damit bereits seit beinahe 17 Jahren hat die IGP ihr Domizil und ihre geschäftliche Anlaufstelle nun endgültig am Bahnhof Jöhstadt 78. Gemäß Stadtratsbeschluss konnte der Verein das Empfangsgebäude ab November 1998 zunächst pachten, danach begann die Sanierung. Mehrere Jahre später überführte es die IGP in Vereinseigentum. Parallel lief die schrittweise Sanierung des Gebäudes fort, in dem weitere Betriebsräume, Büros sowie im Dachgeschoss mehrere Übernachtungsquartiere für die Vereinsmitglieder entstanden. Seit dem Jahr 2000 führt auch die Eisenbahn-Bau- und Betriebsgesellschaft Pressnitztalbahn mbH in dem Gebäude wesentliche Geschäftsfunktionen aus. Vor mehreren Jahren begann die PRESS mit der Sanierung des Nachbargebäudes Am Bahnhof 84, das in der Anfangszeit der Schmalspurbahn als Bahnhofshotel genutzt worden war. Der Ausbau des früheren „Sächsischen Hofs“ kommt inzwischen langsam aber sicher zum Abschluss. Dann bietet sich die Möglichkeit, das ehemalige Empfangsgebäude von Jöhstadt und das Umfeld weiter zu einem attraktiven Anlaufpunkt für die Gäste der Museumsbahn umzugestalten. In nicht mehr allzu ferner Zukunft sollen diese hier auch die Fahrkarten für die dann vor dem Gebäude ein- und ausfahrenden Züge erhalten und sich die Wartezeit mit der Besichtigung von interessanten Ausstellungen vertreiben können.
Aufruf
Zur Gestaltung der Ausstellungsräume nimmt die IGP gerne weitere Zeitdokumente aus der 2017 dann 125-jährigen Geschichte der Strecke Wolkenstein – Jöhstadt entgegen. Dabei kann es sich um Fotos, Dias oder Negative, aber auch um Schriftgut, Fahrkarten und andere Objekte handeln. Kontaktieren Sie bitte die Geschäftsstelle unter den bekannten Telefonnummern bzw. per E-Mail – oder bringen Sie diese Sammlerstücke einfach vorbei! AM
12.08.2016
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