Preßnitztalbahn-Meilensteine
Teil 1: 9. Januar 1996 – Start für 18 Monate Vorbereitungsaufwand
Neue Themenreihe „Meilensteine“
Wir wollen in dieser Ausgabe eine neue Themenreihe beginnen, die in loser Folge – orientiert zumeist an Jubiläen – den Blick auf interessante und rückblickend prägende Ereignisse aus der Geschichte der Preßnitztalbahn werfen wird. Im Jahr 2017 steht das Doppeljubiläum „125 Jahre Schmalspurbahn Wolkenstein – Jöhstadt“ und „25 Jahre Museumsbahn Preßnitztalbahn“ an. In diesen geschichtlichen Zeiträumen gibt es mit Sicherheit genügend Themen, die einer Nennung in der Chronik der Bahn würdig sind. Die „Meilensteine“ werden nicht chronologisch beschrieben, sie entstehen hoffentlich auch aus Anregungen der Leser des „PK“, die ein bestimmtes Thema für interessant halten und um Hintergrundgeschichten bereichert sehen möchten. Den Auftakt machen wir mit einem Ereignis, das vor 20 Jahren den sogenannten „Point of no Return“ (Punkt ohne Umkehr) erreichte.
Teil 1: 9. Januar 1996 – Start für 18 Monate Vorbereitungsaufwand
Fragt man Eisenbahnfreunde unabhängig voneinander nach den besten oder bemerkenswertesten Veranstaltungen der IG Preßnitztalbahn e. V. (IGP), wird man neben der Festwoche „Steinbach 2000“ oder der Jubiläumsfeier des Vereins im Jahr 2008 mit 14 Loks der sächsischen Gattung IV K mit Sicherheit auch die Festwoche „100 Jahre Schmalspurbahn Cranzahl – Oberwiesenthal“ im Juli 1997 genannt bekommen.
In der Erinnerung wird der Eine oder Andere das Ereignis vielleicht gar nicht mehr so sehr explizit mit der Preßnitztalbahn verbinden, weil Mitglieder aus zahlreichen Eisenbahnvereinen und Fahrzeuge von einem halben Dutzend Bahnen beteiligt waren. Doch die Gesamtorganisation und Betriebsführung aller Sonderfahrten lag in den Händen des Jöhstädter Vereins und der Eisenbahnbetriebsleitung der Museumsbahn, die auf heimischer Strecke damals gerade einmal auf knapp fünf Kilometern fahren konnte. Für den Vorstand der IGP war es schon frühzeitig, mindestens jedoch seit dem Jahr 1995 klar, dass man beim Jubiläum auf der Strecke in der Nachbarschaft „etwas machen“ musste. Die DB Regio AG als Betreiber der Strecke hatte bis dahin wenig Interesse gezeigt, das touristische Potenzial der Schmalspurbahn zwischen Cranzahl und Kurort Oberwiesenthal zu nutzen oder gar zu steigern. Also stand die Herausforderung im Raum, was und wie man etwas tun konnte. Ein Festwochenende? Naja, klar machbar, aber wenig originell. Es sollte schon etwas Bemerkenswertes werden, woran man sich auch in kommenden Jahren noch zurückerinnern würde. Von wie vielen „100. Jubiläen“ konnte man dies bisher sagen? Bei den aktiven Vereins- und Vorstandsmitgliedern bestand auch schon Mitte der 1990er Jahre chronischer Mangel an Bescheidenheit und Zögerlichkeit in der Bestimmung von Zielen und Herausforderungen, so dass weiterführende Überlegungen zu einem für damalige Verhältnisse bemerkenswerten „Gigantismus“ führten. Eine ganze Festwoche inklusive zweier Wochenenden sollte es sein, Sonderzüge an jedem Tag, zudem noch mit thematischen Anreizen, so dass Gäste und Besucher möglichst mehrfach wiederkehren – nicht zu vergessen die Sonderzüge auf der Regelspur als Zubringer, eine Fahrzeugausstellung und der Aussichtswagenzug. Beim Betrachten des verfügbaren Fahrzeugparks, zumal die Deutsche Bahn ja ihren bestellten ÖPNV-Normalbetrieb aufrecht zu erhalten hatte, wurde schnell klar, dass die Preßnitztalbahn wohl mit allen verfügbaren Fahrzeugen zum „Wanderzirkus“ werden musste. Doch umlauftechnisch reichte selbst das nicht, wenn nicht nur kurze Züge verkehren sollten. Also wurde zuerst theoretisch mit dem Prüfen der Fahrzeugbestandslisten aller 750-mm-Bahnen, später in vielen Einzelgesprächen mit anderen Vereinen der Plan einer großen Fahrzeugzuführung ausgefeilt. Bremssysteme, Zugleistungsgrenzen, Sitzplatzanzahl und vieles mehr waren Kriterien, die in den vielen Runden eine entscheidende Rolle spielten, um dann einen Fahrplan aufstellen zu können, dem gemäß schließlich vom 12. bis 20. Juli 1997 insgesamt 104 Sonderzüge gefahren werden konnten. Am 9. Januar 1996, mehr als 18 Monate vor dem Auftaktzug der Festwoche, präsentierten die Vertreter der IGP den versammelten Teilnehmern des Vorbereitungskomitees vom Landkreis Annaberg, den Gemeinden und der Deutschen Bahn AG ein erstes Konzept und übergab diese Überlegungen an die zuständigen Verantwortlichen im Regionalbereich Dresden von DB Regio. Von da ab konnte es nur noch eine Vorwärtsstrategie geben, die Blöße eines Rückziehers vor der anstehenden Aufgabe stand nie zur Debatte. Die kommenden eineinhalb Jahre waren mit einer permanenten Weiterentwicklung des Konzeptes angefüllt. Natürlich gab es auch reichlich Heckenschützen aus dem Verborgenen und offen auftretende Behinderer, die gegen eine solche Veranstaltung arbeiteten. Manches fest eingeplante Fahrzeug stand dann doch nicht zur Verfügung und es mussten Ersatzlösungen gefunden werden. Allein die Planung der Zuführung von Fahrzeugen aus Zittau, Radebeul und Freital wurde zur logistischen Herausforderung, die in Jöhstadt strategisch geplant und dann mit den Verantwortlichen der DB im Detail abgestimmt werden musste. So war die Verfügbarkeit einzelner Fahrzeuge auf ein enges Zeitfenster beschränkt, außerdem reichte der verfügbare Bestand an regelspurigen Schmalspurfahrzeugtransportwagen nicht für einen gleichzeitigen An- oder Abtransport aller auswärtigen Fahrzeuge. Bis dahin war nur von der materiellen Sicherstellung die Rede, dabei sollte die personelle Absicherung aller dienstlichen Aufgaben für das vorgesehene Zugprogramm eine nicht minder große Herausforderung werden. Natürlich war für die IGP klar – und für die meisten der aktiven Vereinsmitglieder eine Selbstverständlichkeit – diese Festwoche in der eigenen Urlaubsplanung fest zu berücksichtigen. Doch wenn all das nicht reicht – die IGP war auch Mitte der 1990er Jahre schon der bei weitem mitgliederstärkste Eisenbahnverein in Sachsen – mussten weitere Mitstreiter gewonnen werden. Letztendlich waren ehrenamtliche Eisenbahner und Mitglieder von allen in Sachsen mit Strecken und Fahrzeugen aktiven Vereinen und von Modelleisenbahnvereinen im Einsatz. Dies setzt wiederum eine Planung voraus, die notwendigerweise rechtzeitig für die Urlaubsplanung bei den Arbeitgebern der Freiwilligen vorliegen musste. Die noch erhältliche Broschüre „8 IV K am Fichtelberg“ ist der Auswertung der Festwoche „100 Jahre Schmalspurbahn Cranzahl – Oberwiesenthal“ gewidmet, die 1998 von der Traditionsbahn Radebeul e. V. und der IG Preßnitztalbahn e. V. herausgegeben wurde. Viele Fakten zur Veranstaltung, der Vorbereitung und zu besonderen Ereignissen sind darin berücksichtigt. Die Tatsache, dass die Vorbereitungsarbeiten schon über 18 Monate vorher begannen und diese Zeitspanne auch notwendig war, kann jedoch nur immer wieder bekräftigt werden. Für die IGP hatte diese „Materialschlacht“ auch ganz fundamentale Erkenntnisse und Erfahrungen gebracht, die für die zukünftige Entwicklung des Vereins, der Museumsbahn und darüber hinaus wichtig werden sollten. Zu den negativen Aspekten dürfte sicherlich die Erfahrung zählen, dass die beteiligten Kommunalpolitiker im Nachgang der Veranstaltung klaren Wortbruch bei Aufwandskompensation und Leistungsanerkennung begingen. Der wohl positivste Effekt für alle Beteiligten war jedoch die letztendlich uneigennützige Zusammenarbeit der verschiedenen Vereine und Bahnen – hier einzelne hervorzuheben würde anderen nicht gerecht – und vor allem ihrer beteiligten Mitglieder nicht. Dieses gemeinsame Erlebnis, die gemischten abendlichen Zusammenkünfte in diversen gastronomischen Einrichtungen und der Dienst im Zug wurden die Basis zu einer deutlich entspannten Zusammenarbeit in den Folgejahren. Für die Preßnitztalbahn waren der Nachweis der Durchführbarkeit einer solchen Veranstaltung und die Übernahme der Betriebsorganisation quasi die Eintrittskarte in die Welt der großen Eisenbahn, fortan sprach keiner mehr von den „Spinnern aus Jöhstadt“. Die gemeisterten logistischen Herausforderungen zeigten klar: Das kann man zu einem professionell geführten Geschäft ausbauen. Die Betriebsanforderungen für das beteiligte Personal dieser Festwoche ließen eine andere Neun-Tage-Veranstaltung drei Jahre später wirklich beinahe zu einem Heimspiel werden. Mit dem professionellen Transport von Schmalspurfahrzeugen mittels Rampen und Flachbetttieflader wurde im Jahr 2000 der Betrieb der Eisenbahn-Bau- und Betriebsgesellschaft Pressnitztalbahn mbH (PRESS) aufgenommen. Acht Jahre später konnte die PRESS auch unter Nutzung dieser Referenz der beteiligten Akteure aus dem Jahre 1997 die Ausschreibung zum Betrieb des „Rasenden Roland“ auf der Insel Rügen mit dem qualitativ besten Angebot gewinnen.
14.02.2016
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