Stillgelegte Eisenbahnstrecken heute
Erinnerungen an Schmalspurbahnen im Sauerland
Im nordöstlichen Teil des Rheinischen Schiefergebirges befindet sich das Sauerland. Es liegt größtenteils in Westfalen, ein kleines Stück jedoch in Nordhessen. Auch im Sauerland gab es einst mehrere Schmalspurbahnen. Bekannt sind diese durch den Verein „Märkische Museums-Eisenbahn e. V.“, der seine Aktivitäten vom Bahnhof Hüinghausen bei Plettenberg im Märkischen Kreis inzwischen als „Sauerländer Kleinbahn“ vermarktet. Die Vereinsmitglieder haben in den vergangenen Jahren vor allem von der Anfang der 1960er Jahre eingestellten Plettenberger Kleinbahn zahlreiche Fahrzeuge zusammengetragen und betreiben auf der Trasse einer demontierten Regelspurstrecke eine meterspurige Museumsbahn. Im Sauerland gab es einst jedoch auch eine 750-mm-Schmalspurbahn – die Kleinbahn Steinhelle – Medebach im Osten des heutigen Hochsauerlandkreises. Diese 36,3 km lange Strecke ging in den Jahren 1902/03 in Betrieb, wurde 1953 eingestellt sowie anschließend abgebaut. Aus heutiger Sicht spektakulär waren die beiden Spitzkehren, über welche die Züge bei jeder Fahrt einen Höhenunterschied von etwa 250 m bewältigten. Nach der Betriebseinstellung übernahm 1953 die Deutsche Erz- und Metall-Union GmbH mit Sitz in Salzgitter-Drütte alle noch vorhandenen Fahrzeuge zur Verschrottung. Allerdings gingen lediglich die Lokomotiven und die Reisezugwagen den „Weg alten Eisens“. Fast alle Güterwagen fanden über ein Tochterunternehmen 1955/56 bei 760-mm-Bahnen in Österreich ein neues Einsatzgebiet: fünf vierachsige gedeckte Güterwagen, zehn vierachsige offene Güterwagen, vier vierachsige Niederbordwagen mit Rungen und zwei zweiachsige Drehschemelwagen. Für den jeweiligen Einsatz auf den österreichischen Schmalspurbahnen – der Lokalbahn Mixnitz – St. Erhard, der Feistritztalbahn Weiz-Birkfeld-Ratten sowie der Zillertalbahn – ließen die Bahngesellschaften viele dieser Güterwagen im Laufe der Jahrzehnte umbauen.
Ein „Medebacher“ kehrt zurück ins Sauerland
Am 13. März 2021 kam ein im Zillertal zuletzt als Sommer- bzw. Cabriowagen B4 Nr. 46 eingesetzter vierachsiger offener Güterwagen nach Deutschland zurück. Die Märkische Museums-Eisenbahn e. V. hat dieses von der Kleinbahn Steinhelle – Medebach stammende Fahrzeug in Österreich gekauft und nach Hüinghausen bringen lassen. Auf seiner früheren Einsatzstrecke im Hochsauerland diente es mit niedrigen Seitenwänden und Rungen überwiegend zum Transport von kurzen Holzstämmen nach Steinhelle, wo die geschnittenen Stämme als Grubenholz für die Zechen im Ruhrgebiet in Regelspurgüterwagen umgeladen wurden. Entstanden war der Niederbordwagen Nr. 294 Mitte der 1930er Jahre in der bahneigenen Werkstatt in Medebach aus einem älteren Fahrzeug. Bei der Zillertalbahn erhielt er neue Seitenwände in der für offene Güterwagen üblichen Höhe. Damit diente der für 20 t Ladegewicht zugelassene Vierachser mit der Nr. 204 zum Transport von Kohle und Stroh.1) Im Jahr 1966 erhielt er Übergangseinrichtungen und Sitzbänke, um in den Touristikzügen der Zillertalbahn mit der Nr. 46 als Sommerwagen zu verkehren.
Als die Märkische Museums-Eisenbahn e. V. von der Abstellung des Wagens hörte, erwarb sie das 760-mm-Fahrzeug ohne seine Sitzbänke. Der Verein strebt an, es auf 1000 mm umspuren zu lassen. Dazu prüfen die Eisenbahnfreunde, ob dafür die Drehgestelle eines Güterwagens der Kreis Altenaer Eisenbahn (KAE) geeignet sind, die der Verein in den 1980er Jahren von der Inselbahn Juist erworben hat. Die momentanen Überlegungen gehen dahin, den Medebacher Wagen wieder in den Zustand als Niederbordwagen mit Rungen zurückzuversetzen. Der mit 2,12 m vergleichsweise schmale Güterwagen passt recht gut zu den für Meterspurbahnen schmalen KAE-Fahrzeuge, die eine Kastenbreite von 2,14 m aufweisen.
Anmerkungen
- Zur Zillertalbahn (ZB) gelangten 1956 aus Medebach die drei vierachsigen offenen Niederbordgüterwagen 293, 294 und 299. Als Wagen Ol 203 bis 205 lösten sie dort die drei Hochbordwagen Ol 200 bis 202 der ZB ab, die danach zu den drei sogenannten „Glaswagen“ B4 Nr. 32 und 33 bzw. zum AB4 Nr. 34 der ZB umgebaut wurden. Dabei handelte es sich um rundum verglaste Aussichts-Personenwagen, von denen inzwischen zwei über den „Stainzer Flascherlzug“ zur Sargan-Museums- bzw. Touristen-Bahn nach Mokra Gora gekommen sind. Lediglich der Wagen 32 befindet sich inzwischen in Ba 43 umgezeichnet noch im Zillertal. Der aus dem Medebacher Wagen 293 entstandene Schotterwagen X 604 ist bis heute im Zillertal vorhanden. Sein Untergestell ist baugleich mit dem des nach Deutschland zurückgekehrten Fahrzeuges.
| Nr. in | Nr. Zillertal- | Nr. Zillertalbahn | | Medebach | bahn als Ol | nach Umbau | | ——– | ——– | ——– | | 293 | 205 | Schotterwagen X 604 | | 294 | 204 | „Cabrio-Wagen“ B46 | | 299 | 203 | (2012 verschrottet) |
Von den 18 im Jahr 1955 von den Steiermärkischen Landesbahnen für die Strecken Weiz – Birkfeld – Ratten und Mixnitz – St. Erhard übernommenen ehemals Medebacher Güterwagen stehen bis heute einige auf der Lokalbahn Mixnitz–St. Erhard im Einsatz, andere befinden sich heute in Rumänien – siehe PK 166, Seite 20
15.04.2021