Schmalspurbahnen in Europa
Industriebahnmuseum Zbýšov
Gut 20 km westlich von Brünn befindet sich das kleine mährische Städtchen Zbýšov u Brna (deutscher Name Zbeschau). In dieser Region ist bereits für das Jahr 1782 erstmals Steinkohlenbergbau nachgewiesen. Die voranschreitende Industrialisierung führte ab 1830 zu einem stetig steigenden Transportbedarf. Im Jahr 1850 genehmigten das Parlament in Wien und der Mährische Landtag den Bau einer Eisenbahnstrecke von Brünn in das Kohlerevier, einschließlich einer Anschlussbahn mit Pferdebetrieb zwischen der nach einer Schachtanlage benannten Station „Segen Gottes“ (bei Rossitz/Rosice) und Zbeschau.
Am 2. Januar 1856 fuhr der erste Kohlenzug auf der privaten k. k. privilegierten Brünn-Rossitzer Eisenbahn (BRE) von Segen Gottes über Brünn nach Wien, der ebenfalls regelspurig ausgeführte Ast nach Zbeschau ging im Jahr 1862 in Betrieb – allerdings mit Lokomotiven, nicht mit Pferden.
Zum 1. Januar 1879 übernahm die k. k. privilegierte österreichisch-ungarische Staats-Eisenbahn-Gesellschaft (StEG) die BRE und verlängerte die Güterstrecke nach Zbeschau noch im gleichen Jahr bis zum St. Anna-Schacht im Oslowaner Revier. Gut ein Dutzend Schachtanlagen lagen links und rechts der Strecke, die zur Kohleabfuhr alle die Eisenbahn nutzten. Diese befand sich von 1909 bis 1966 in Staatseigentum (zunächst k.k.St.B., später ČSD). Reiseverkehr fand darauf in diesen Jahrzehnten nicht statt.
Ab 1966 hielt die Strecke den Status einer regelspurigen Anschlussbahn inne. In den 1960er Jahren waren täglich vier Zugpaare zwischen Zbýšov und Zastávka u Brna (bis 1920 „Segen Gottes“ bzw. „Boží Požehnání“) sowie zusätzlich eines von Zastávka zum Schacht „Ferdinand“ unterwegs. Dies änderte sich 1969 durch den Bau der neuen Zentralschachtanlage „Jindřich II“ mit einer Teufe von 1550 m. Zur Verkürzung des Kohleweges von Zbýšov zum Kraftwerk in Olsovan wurde 1974 eine 9 km lange Seilbahn in Betrieb genommen. Im Februar 1992 wurde die Kohleförderung im Rossitz-Oslowaner Revier eingestellt, letzte Anschlüsse an der Kohlenbahn wurden bis 1997 bedient.
Im Jahr 2005 ging das regelspurige Gleis an den Verein „Muzeum průmyslových železnic“ (MPŽ) über. Dieser hatte sich zuvor auf Grund von Meinungsverschiedenheiten vom Museumsbahnverein in Mladějov (Blosdorf) getrennt. Man vereinbarte damals eine Teilung des rollenden Materials. Die Stütztenderlokomotiven verblieben in Mladějov, der MPŽ nahm u. a. eine zweiachsige Dampflok vom ČKD-Typ BS 80 und andere Fahrzeuge mit.
Ab 2005 arbeitete der Verein MPŽ in Zbýšov daran, die Regelspurstrecke auf 600 mm umzubauen, um ein Einsatzgebiet für seine Fahrzeuge zu haben. Besondere Schwierigkeiten bereiteten dabei die Betonschwellen, die sich nicht umspuren lassen. Seit 2017 ist die 2,7 km lange Gesamtstrecke zum Bahnhof Zastávka u Brna in Betrieb, einschließlich Umsetzmöglichkeiten an den Endpunkten.
Dem MPŽ stehen neben diversen Feldbahn-Diesellokomotiven derzeit zwei betriebsfähige Dampflokomotiven zur Verfügung. Dabei handelt es sich einerseits um einen im Jahr 1951 von der Prager Firma ČKD mit der Fabriknummer 2958 gebauten B-Kuppler vom Typ BS 80. Dieser stand einst auf der Werkbahn des Stahlwerkes Králův Dvůr im Einsatz. Die Bn2t stammt aus der Teilungsmasse aus Mladějov und kam gemeinsam mit einer nicht betriebsfähigen Schwesterlok nach Zbýšov.
Diese zweite BS 80 war von ČKD mit der Fabriknummer 2971 im Jahr 1951 mit 600 mm Spurweite an eine Baustelle nach Nové Město nad Váhom (Neustadtl an der Waag) in die Westslowakei ausgeliefert worden. Fünf Jahre später gelangte sie in das Eisenwerk Bohumin (Oderberg). Für den Einsatz auf den dortigen 760-mm-Werkbahngleisen erhielt sie neue Radsatzwellen und die Zylinderblöcke wurden durch Beilagen an die neue Spurweite angepasst. Nach ihrer Abstellung (1973) gelangte sie im Werksgelände als technisches Denkmal auf einen Sockel.
Als die Freunde der Mladějover Industriebahn davon hörten, dass diese Lok zum Verschrotten vorgesehen war, übernahmen sie die Maschine im Jahr 2000. Außerdem waren die Schwesterloks ČKD 1951/2958 und 1951/3195 in Mladějov vorhanden. Ziel war es, aus diesen Maschinen eine mit 600 mm Spurweite betriebsfähig zu machen.
Als die Mitglieder des MPŽ ihr Engagement in Mladějov beendeten, nahmen sie die beiden BS 80 1951/2958 sowie 1951/2971 nach Zbýšov mit. Dort setzten sie die Aufarbeitung der Lok Fabriknummer 2958 fort. Sie kommt nun vor den touristischen Zügen ab Zbýšov zum Einsatz, die 2971 ist nicht betriebsfähig abgestellt.
Seit Ende August 2018 befindet sich mit der 1951/3200 sogar noch eine dritte BS 80 beim MPŽ, welche als Lok Nr. 15 bis in die 1980er Jahre hinein – wie die Lok 2958 – auf der Werkbahn des Stahlwerkes Králův Dvůr im Einsatz stand und sich zuletzt in Privateigentum befand.
Als zweite betriebsfähige Dampflokomotive steht dem Verein in Zbýšov eine Lok vom Henschel-Typ „Fabia“ zur Verfügung. Die Firma Henschel & Sohn aus Kassel hatte sie im Jahr 1913 mit der Fabriknummer 12311 an eine Braunkohlengrube bei Falkenau (Sokolov) nach Nordböhmen geliefert. Im Jahr 1944 übernahm sie eine Falkenauer Chemiefabrik, die sie wiederum an die Kohlengrube „Silvestr“ weitergab. Diese befand sich zwischen Falkenau und Karlsbad neben dem Dorf Theußau (Tisová u Sokolova, heute ein Stadtteil der Stadt Březová/Prösau) Dort kam es bei einer Karbid- explosion zu einem schweren Unfall, bei dem die Lok umstürzte. Nach der Reparatur wurde die Maschine auf die Strecke eines Kinderferienlagers in der Nähe der Hans-Heiling-Felsen (Svatošské skály) bei Karlsbad umgesetzt, wo sie bis Mitte der 1970er Jahre im Einsatz stand.
Anschließend verbrachte sie dort etwa zwei Jahrzehnte als Denkmal. Nachdem das Ferienlager in den Besitz der Tschechischen Post übergegangen war, meldeten in Mladějov aktive Eisenbahnfreunde des MPŽ 1995 Interesse an der Lok an. Ein Jahr später holten sie die Vereinsmitglieder nach Mladějov, im Jahr 1998 bekamen sie die Eigentumsrechte an der Maschine übertragen.
Im Jahr 2005 gelangte die Lok mit anderen Exponaten nach Zbýšov, wo 2014 ihre Reparatur begann. Aufgrund irreparabler Kesselschäden fertigte die Koliner Lokfabrik im Jahr 2016 einen neuen Kessel (Fabriknummer 3981), mit dem die Lok im Sommer 2017 in Betrieb ging. Anfang Februar holte das in Prag ansässige Nationale Technikmuseum (NTM) das bisher älteste Fahrzeug aus Zbýšov ab. Es handelt sich um eine Heeresfeldbahnlok vom österreichischen Typ RIIIc. Die dreiachsige Dampflok war im Ersten Weltkrieg für die k. k. Heeresfeldbahnen in Auftrag gegeben worden, wurde aber nach Kriegsende nicht mehr benötigt. Daraufhin lieferte die Fa. Breitfeld & Danek die mit der Fabriknummer 165 gebaute Maschine 1919 an die Industriebahn Mladějov aus. Die dort als Lok 3 eingesetzte Cn2t wurde im Gegensatz zur Lok 1 nicht in eine Stütztenderlok umgebaut, eine Kesselverlängerung unterblieb ebenfalls. Im Jahr 1986 übernahm das Nationale Technikmuseum aus Prag die Lok 3 und hinterstellte sie in einem Depot. Neun Jahre später kehrte sie jedoch als Leihgabe nach Mladějov zurück. Bei der Aufteilung der dortigen Fahrzeugsammlung zählte sie zu den im Jahr 2005 nach Zbýšov umgesetzten Fahrzeugen. Seit Anfang Februar 2019 befindet sich die nicht betriebsfähige Maschine nun im NTM-Depot in Chomutov (Komotau).
Weiterhin zur Sammlung in Zbýšov gehören neben den verbliebenen Dampflokomotiven zahlreiche Industrie-Diesellokomotiven, mehrere Personenwagen sowie zahlreiche Güterwagen. Die Sammlung beinhaltet außerdem die älteste in der Tschechischen Republik vorhandene E-Lok, gebaut 1908 von Siemens & Schuckert.Falk Thomas, ergänzt AM
Weitere Informationen:
13.02.2019