Kommentar
Eisenbahnerlebnis im Vogtland – und was man daraus lernen kann
Ein Ausflug in den Winter
Der Winter meinte es gut, der Schnee kam reichlich und die Idee, mit der Eisenbahn zum Winterwanderausflug ins obere Vogtland zu reisen, war auf jeden Fall die bessere Wahl im Vergleich zu den auf den Straßen herumeiernden Blechkisten. Am Sonntag ist bekanntlich für die meisten Berufstätigen kein normaler Arbeitstag, weshalb auch das Schneeschiebe- und Salzstreukommando dem kontinuierlich fallenden Schnee nichts Glaubhaftes entgegenzusetzen hatte.
Alles klappte wie am Schnürchen, der schon etwas in die Jahre gekommene RegioSprinter (Erstbeschaffung ab 1996 von Siemens/Duewag) hatte zwar sichtbar Schwierigkeiten, mit der hohen Luftfeuchtigkeit zurecht zu kommen und die Fenster durchsichtig zu halten. Doch fünf Minuten Verspätung zwischen Plauen und Schöneck sind für den geneigten Bahnreisenden kein Grund zur Klage. Draußen am Ziel hatte sich der Schnee schon zu beeindruckenden Höhen bei stetigem Weiterfall erhoben, da freut man sich, wenn die Fahrzeuge trotzdem fahren.
Die Rückreise am darauffolgenden Montag (4. Februar) begann bei strahlendem Sonnenschein zunächst mit einer bahndammnahen Wanderung (teils durch Tiefschnee) von Schöneck nach Muldenberg Floßplatz. Kurzer Check auf der Bahn-App und -Webseite zeigten die Zugankunft pünktlich und den Umstieg in Falkenstein (Vogtl) nach Plauen in sechs Minuten zum Bahnsteig gegenüber – laut Plan.
Doch in Falkenstein angekommen, war die Gültigkeit der guten Nachricht leider abgelaufen und die lapidare emotionsfrei automatisierte Durchsage „Der Zug der Vogtlandbahn um 13.02 Uhr nach Plauen fällt heute ersatzlos aus!“ brachte den Puls der Anschlussreisenden deutlich in Bewegung.
Und? Was nun? Warum? Wann geht es weiter? Wann fährt dann der nächste Zug? Bei den sechs auf dem Bahnsteig versammelten dienstendenden, Pause beginnenden oder zugkreuzenden Mitarbeitern des selbigen Bahnunternehmens herrschte Ahnungslosigkeit ob der Nachricht. Allein der Kollege mit Dienstschluss und Heimreisebedarf nach Plauen startete – persönlich betroffen – Anrufe beim zuständigen Disponenten (die anderen fühlten sich wohl nicht betroffen genug).
Telefonische Informationsversuche des Reisenden vom Bahnsteig aus bei der Vogtlandbahn oder dem Verkehrsverbund Vogtland blieben erfolglos. Mit einer Faxnummer am Fahrplanaushang lässt sich schlecht reden und die zur Länderbahn-Gruppe gehörige Vogtlandbahn hatte mit einer Münchener Auskunftsrufnummer leider das Pech, dass man da montags um 13 Uhr außerhalb der Geschäftszeiten anruft.
Mit einem Handy bewaffnet, ist man ja heute nicht mehr ganz hilflos in der Wildnis verloren (was nicht heißen soll, dass es sich bei Falkenstein um „Wildnis“ handelt, aber der Reisende wird in dieser Situation selten angenehme Empfindungen für die Situation und die Schönheiten der Region entwickeln können).
Der Verkehrsverbund hatte knapp 30 Minuten später eine Busverbindung in die Vogtlandmetropole in seinem Fahrplan, so hielt sich die Wartezeit in Grenzen. Leider sollte die Fahrzeit auch noch einmal knapp 50 Minuten dauern, weil ja an jeder Milchkanne potenzielle Kundschaft lauern könnte.
Inzwischen hatte der dienstbeendende Bahnmitarbeiter seinen Disponenten davon überzeugen können, dass es für den Fortbestand des Dienstplanes und seinen vorgesehenen Anschlussdienst sehr förderlich wäre, wenn es für ihn eine zügige Weiterbeförderung gäbe, so dass das Bahnunternehmen nun ein Taxi kommen ließ. Dank der verfügbaren großzügigen Anzahl von drei Sitzplätzen konnten die auf die Busmitfahrt wartenden Reisenden um zwei reduziert werden.
Der Ausflug endete damit doch pünktlich zur vorgesehenen Ankunftszeit in Plauen.
Was lernen wir aus der Geschichte?
Züge können ausfallen und dadurch eine massive Behinderung für den Eisenbahnbetrieb und Reisende in ihrem Fortkommen entstehen, dies ist leider nie völlig auszuschließen. Technik und Witterung sind durchaus manchmal schwer zu harmonisieren, auch Personal kann ausfallen. Das ist ein Fakt.
Wir konstatieren aber auch (Vorsicht: Ironie!):
1.) Dank automatisiert vorgetragener Zugausfallmeldungen hat bei dem Bahnunternehmen kein Mitarbeiter die Notwendigkeit, Empathie für die betroffenen Reisenden zu entwickeln. Desinteresse von Mitarbeitern an den Reisenden zeugt aber auch von einem gehörigen Maß an Demotivation.
2.) Allein die Einbindung in einen Verkehrsverbund sorgt noch nicht automatisch dafür, dass dem betroffenen Reisenden gleich unaufgefordert alternative Reisemöglichkeiten angeboten werden. Auch ist es natürlich völlig unwichtig, den Reisenden mehr Informationen an die Hand zu geben. Was will er auch mit der Information, ob und wann der nächste Zug dann fährt? Das wird er doch rechtzeitig merken.
3.) Die Tatsache, dass auf einem Kreuzungs- und Anschlussverbindungsbahnhof mehr als die notwendige Anzahl an Fahrzeugen für drei Züge vorhanden ist, stellt keinen hinreichenden Beleg dafür dar, dass diese auch fahren können.
4.) Der Umstand, dass man in einer Mittelgebirgsregion eine doch schon in die Jahre gekommene Fahrzeugbaureihe auch im Winter bei eisigen Temperaturen mangels beheizter Unterstellmöglichkeit für längere Zeit den Elementen ausgesetzt stehen lassen muss, spricht entweder für große Hoffnung in positive Effekte des Klimawandels oder in fehlendem Verständnis bei Entscheidungsträgern für daraus resultierende negative Folgen. In jedem Fall scheint der Ist-Zustand das wirtschaftliche Optimum (minimaler Kostenaufwand) darzustellen.
Bleibt eigentlich nur zu hoffen, dass weniger bahnaffine Gelegenheitsreisende derartige Situationen nicht dazu nutzen, für das nächste Vierteljahrhundert eine Ausrede für die Nichtnutzung des Systems Schiene zu haben.
Mehr Empathie wagen, mehr Kommunikation praktizieren – und schon hat der Reisende vielleicht nicht gerade mehr Verständnis für sein momentanes Ungemach – aber er fühlt sich nicht allein gelassen in der „Wildnis“.
Im Zeitalter der allgegenwärtigen Informationsvernetzung muss es möglich sein, den Reisenden besonders dann zu betreuen, wenn er auf Informationen angewiesen ist.
Vielleicht wäre es schon ein Anfang, wenn die Betriebsleitstelle die Ausfall- und Verspätungsmeldungen von einem Menschen geben lässt, der mit einem Grundgerüst an Empathie vermittelt: „Ich kann das Problem jetzt zwar nicht lösen, aber ich helfe, die Folgen zu lindern.“ Sollte dieser Allgemeinplatz noch nicht Eingang in die Bestellverträge gefunden haben, muss man ihn wohl einmal dazuschreiben.
13.02.2019