Stillgelegte Eisenbahnstrecken heute
Weimar-Rastenberger Eisenbahn / Weimar-Buttelstedt- Großrudestedter Eisenbahn (Folge 32)
Nördlich von Weimar erschloß einst eine meterspurige Schmalspurbahn das landwirtschaftlich geprägte Gebiet zwischen Ettersberg und Finne. Die zwischen 1887 und 1891 eröffneten Abschnitte erreichten zum Zeitpunkt ihrer größten Ausdehnung eine Gesamtlänge von 53,87 km. Doch bereits ab 1. Oktober 1910 sank der Stern der zunächst von der Weimar-Rastenberger Eisenbahn (WRE) und ab dem 18. Juni 1923 von der Weimar-Buttelstedt-Großrudestedter Eisenbahn (WBGE) betriebenen Schmalspurbahn. Nach dem Zweiten Weltkrieg fiel sie unter die als Reparationsleistung demontierten Strecken. Die Sowjets ließen damals alle noch vorhandenen Dampfloks (Malletloks, aber auch 1´C-Maschinen aus Ostpreußen), den zum GHE-T 1 fast identischen zweiachsigen Triebwagen T 06 sowie fast alle Güter- und Reisezugwagen abfahren. Bis auf den in Georgenthal bei der IG Hirzbergbahn e.V. erhaltenen Kasten des 1886 gebauten Personenwagens 6 existieren heute keine Fahrzeuge der WRE bzw. WBGE mehr. Im Rahmen der Rubrik „Stillgelegte Nebenbahnen heute“ stellen wir in drei Teilen vor, was von der 1946 demontierten Schmalspurbahn noch zu sehen ist.
1. Teil: Strecke Weimar – Buttelstedt
Der ehemalige „Rastenberger Tunnel“ ist bis heute eine Unterführung vom Weimarer Bahnhofsvorplatz zur Rießnerstraße. Er wurde nach dem Ersten Weltkrieg im Zuge des Bahnhofsumbaues errichtet und sollte die bis dahin existierende stählerne Fußgängerüberführung zur Haltestelle der Schmalspurbahn ersetzen. Von der Haltestelle existieren noch Reste. Vor kurzem wurden die letzten normalspurigen Gleisreste, die einst vom Hauptbahnhof über die Verbindungstraße nach Weimar Nord führten, zurückgebaut. Dabei kamen die massive Bahnsteigkante und das Gleisplanum der Haltestelle zum Vorschein. Das etwas tiefer liegende Gelände an der ersten Umladehalle ist heute mit Birken und Sträuchern bewachsen. Auf dem Gelände des ehemaligen Sekundärbahnhofes nördlich der Rießnerstraße befindet sich heute ein Gewerbegebiet. Das ehemalige Bahnhofsgebäude wurde umgebaut und ist nur noch teilweise erhalten. Der Güterboden wurde nach einem Brand abgerissen. Ansonsten erinnert nichts mehr an die Zeit der Schmalspurbahn. An der Stelle des ersten einständigen Lokschuppens wurde 1937/38 ein Kleinlokschuppen und 1943 der Lokschuppen der Buchenwaldbahn errichtet. Er dient heute als Werkstatt. Vom Anschluß zum ehemaligen Raiffeisen-Silo existiert nur noch ein Stück normalspuriges Gleis. Es zeugt vom Ausbau des Bahnhofes für beide Spurweiten, der 1937 begann und 1938 fertiggestellt wurde. Damit konnte die Umladung der Güter nun im Sekundärbahnhof erfolgen und einige Betriebe erhielten einen normalspurigen Bahnanschluß. Die Haltestelle der Schmalspurbahn im Hauptbahnhof blieb aber bestehen. Dazu wurde die Verbindungsbahn dreischienig ausgebaut. Hinter dem Bahnhofsgelände verläuft die Schmalspurtrasse knapp 1 km links neben der Buttelstedter Straße und überwindet dann in einem leichten Rechtsbogen das Dürrebachtal auf einer steinernen Brücke. Das Material dafür stammt aus den nahegelegenen Ehringsdorfer Tavertinbrüchen. Die Bezeichnung „Viadukt“ wirkt bei einer Länge von rund 25 m etwas übertrieben, hat sich aber im Sprachgebrauch eingebürgert. Auch die Züge der Buchenwaldbahn rollten ab 1943 auf einem Dreischienengleis über die kleine Brücke. Die neben dem „Viadukt“ befindliche stärkere Betonbrücke wurde nie in Betrieb genommen. Der allgemeine Materialmangel im Krieg verhinderte den geplanten dreischienigen Ausbau der Trasse zwischen Kilometer 1,5 und 1,7 auf einem neuen Bahndamm. Die 2009 sanierte Brücke wird heute von Fußgängern und Radfahrern genutzt.
Anschließend kreuzte die Trasse die Landstraße nach Buttelstedt und führte in nordöstlicher Richtung am Nordhang des Ettersberges durch Felder weiter in Richtung Schöndorf. Das Geländeprofil machte in diesem Abschnitt Bahndämme mit Durchlässen und kleinere Geländeeinschnitte erforderlich. Die gut einsehbare Trasse am ehemaligen Gut „Dorotheenhof“ hat aber nur teilweise etwas mit der alten WRE-Schmalspurbahn zu tun. Da auch hier die Trasse für das Dreischienengleis begradigt werden mußte, ist die ursprüngliche Schmalspurtrasse nicht mehr vollständig erhalten. Dabei wurden auch die alten gemauerten Durchlässe durch größere Betondurchlässe ersetzt. Die am Streckenkilometer 3,5 liegende ehemalige Haltestelle Schöndorf befand sich am unteren Ortsrand. Unter Bäumen etwas verborgen präsentiert sich heute ein Wohnhaus, welches nur noch im Grundriß an die alte WRE-Gebäudearchitektur erinnert. Das Planum in Schöndorf wurde ab 1943 für die Gleise der hier beginnenden Anschlußbahn zum KZ Buchenwald erweitert. Dazu wurden die Schmalspurgleise einige Meter nach Süden versetzt. In Schöndorf endete das Dreischienengleis der WBGE, die ja eigentlich eine Schmalspurbahn war. Den dreischienigen Ausbau von Weimar nach Schöndorf finanzierte die Thüringische Eisenbahn-AG, welche alle thüringischen Bachsteinbahnen ab dem 6. Oktober 1923 verwaltete. Die Betriebsführung der Schmalspurbahn und der Anschlußbahn oblag der Betriebsabteilung Thüringen der „Centralverwaltung für Sekundairbahnen Herrmann Bachstein G.m.b.H.“ Zum Bahnhof erhoben wurde die Station Schöndorf erst 1943. Erwähnt werden sollte in diesem Zusammenhang, daß auf der Buchenwaldbahn auch ein eingeschränkter Personenverkehr für Offiziere sowie das Wach- und Dienstpersonal des Lagers und für das Gustloffwerk II eingerichtet wurde.
Weiter führten die parallel liegenden Trassen von Anschluß- und Schmalspurbahn nun bergan zum Kleinen Ettersberg. Die Schmalspurtrasse verlief talseitig bis zur Trennung beider Trassen auf dem Kamm des markanten Höhenzuges. Der Verlauf ist teilweise nur noch zu erahnen und wird erst kurz vor der Überquerung des Kammes wieder durch Strauchwerk und einen Feldweg markiert. Nach der Kreuzung eines weiteren Feldweges schwenkt die Buchenwaldbahntrasse nach Nordwesten ab. Die Schmalspurbahntrasse verläuft weiter in nordöstlicher Richtung bis nach Wohlsborn. Die Trasse ist gut erkennbar – sie ist mit Bäumen und Sträuchern bewachsen. Zunächst verläuft sie aber noch durch einen flachen Einschnitt an der „Wohlsborner Höhe“, wo es im Winter oft zu Schneeverwehungen kam. An der ehemaligen Haltestelle Wohlsborn sucht man das Empfangsgebäude heute vergebens. Exemplarisch für den Widerstand, den der Wohlsborner Gemeinderat einst gegen den Bahnbau aufbrachte, mußte auch das ehemalige Haltestellengebäude, welches noch lange als Wohnhaus diente, mit Ausnahme der Fundamente einem Neubau weichen.
Von der ehemaligen, nun im Gefälle liegenden Trasse verliert sich hinter Wohlsborn jede Spur in Feldern und Wiesen. Weiter geht die Suche nach Liebstedt. Die Haltestelle lag auch hier etwas außerhalb der Ortschaft. Eine markante Baumgruppe verweist auf den Standort. Vom Haltestellengebäude sind nur noch verstreute Ziegelreste am Boden zu erkennen. Im Anschluß kreuzte die Bahn die Landstraße nach Sachsenhausen und führte querfeldein zur Haltestelle Sachsenhausen-Leutenthal. Die einstige Station lag am nördlichen Ortsrand und diente, wie der Name erahnen läßt, auch der Anbindung des benachbarten Ortes Leutenthal. Das ehemalige Haltestellengebäude hat die Zeit überdauert und beherbergt heute einen Kindergarten. Im Gelände sind noch die Spuren des einstigen Planums gut zu erkennen. Im weiteren Verlauf kreuzt die Trasse die Straße nach Leutenthal und passiert einen kurzen Einschnitt. Auf einem danach folgenden hohen Damm mit gemauertem Durchlaß wird eine Senke und ein Bach überwunden. Ein anschließender Geländeeinschnitt wurde später als Müllhalde verwendet. Heute ist er wieder renaturiert und wird landwirtschaftlich genutzt.
Erst bei Leutenthal stößt man wieder auf die alte Trasse. Die dortige Niederung des Niedenbachtales wurde auch hier mit einem Bahndamm durchquert, in dem noch zwei gemauerte Durchlässe erhalten sind. Doch dann verschwindet auch hier die Trasse wieder spurlos im hügeligen Gelände und kommt erst im knapp zwei Kilometer entfernten Daasdorf wieder zum Vorschein. Der Haltepunkt Daasdorf war mit den vorangegangenen Stationen hinsichtlich der Baulichkeiten nahezu identisch. Die ehemalige Haltestelle wurde nach einem Brand des Empfangsgebäudes in den frühen zwanziger Jahren zum Haltepunkt herabgestuft. Das Gebäude wurde nicht wieder errichtet. Das Gelände ist zugewachsen und als Station nicht mehr zu erkennen.
Hinter Daasdorf folgt eine große Senke. Hier wurde ein Bahndamm mit Steinbrücke und Bachdurchlaß errichtet. Vom Bahndamm und der Brücke existieren nur noch Reste. Der gemauerte Durchlaß von 1886 ist auch hier vollständig erhalten geblieben. Dann nähert sich die Schmalspurtrasse der Stadt Buttelstedt, dem Betriebsmittelpunkt der Bahn. Nach wenigen Metern wird zunächst die Weimarische Straße gekreuzt und wenig später die ehemalige Bahnhofsstraße, heute Geschwister-Scholl-Straße. An der Bahnhofseinfahrt am Streckenkilometer 14,5 fällt der Blick sofort auf den ehemaligen Raiffeisen-Schuppen, der heute als Kindergarten dient. Auf dem Gelände einer Schule und Bushaltestelle rechts neben dem ehemaligen Schuppen befand sich bis in die sechziger Jahre die Ziegelei Buttelstedt, die auch ein Anschlußgleis besaß. Auf der linken Seite steht der noch erhaltene zweigleisige Lokschuppen. Heute wird der vordere Teil von der Post genutzt. Der hintere Teil ist noch von außen weitestgehend im Originalzustand von 1921 erhalten, dient als Werkstatt und hat einen Anbau erhalten. Weitere größere Bahngebäude existieren auf dem heute mit Wohnhäusern und Gärten bebauten Bahnhofsareal nicht mehr. Das ehemalige Empfangsgebäude diente nach dem Zweiten Weltkrieg als Wohnhaus für Vertriebene und ab 1961 als Kindergarten. Seit 1985 stand das Gebäude leer. 1998 wurde es wegen Baufälligkeit abgerissen. Die in den zwanziger Jahren zur Wasserversorgung angelegte Zisterne, das Wiegehäuschen an der ehemaligen Ladestraße und zwei kleine Schuppen sind ebenfalls noch im Gelände zu entdecken.
Es folgen: Teil 2: Buttelstedt – Rastenberg, Mannstedt – Buttstädt Teil 3: Buttelstedt – Großrudestedt
Der 1921 errichtete Lokschuppen in Buttelstedt
15.04.2012
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