Schmalspur- und Museumsbahn-Nachrichten
Weißeritztalbahn - Sonderfahrten zwischen Obercarsdorf und Schmiedeberg
„Stelle Dir vor, die Bahn fährt – und alle fahren mit!“ Von wegen nur eine Vorstellung. Das ist das reale Leben! Und genau das spielte sich am ersten Adventswochenende (27./28. November 2010) auf den Gleisen der Weißeritztalbahn zwischen Obercarsdorf und Schmiedeberg ab. Gemeinsam von der Sächsischen Dampfeisenbahngesellschaft (SDG), dem Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) sowie der IG Weißeritztalbahn e.V. (IGW) organisiert und getragen, pendelte erstmals nach dem Hochwasser vom August 2002 wieder ein Personenzug auf diesem 3,3 km langen Teil der Strecke, der vor acht Jahren von den Fluten unzerstört geblieben war.
Die Zuglok 99 1746-9 hatte mit den drei modernisierten Sitzwagen 970-255, 970-351 und 970-822 keine Mühe, denn ihre Zugkraft war bei dieser Zuglänge nur zu knapp einem Drittel gefragt. Doch jeder weitere per Tieflader nach Obercarsdorf gebrachte Wagen hätte die Kosten der Aktion in die Höhe getrieben. Die 135 Sitzplätze der drei zur Verfügung stehenden KB4 waren entsprechend bei allen Fahrten stets besetzt – in den Mittelgängen der drei Wagen drängten sich weitere Fahrgäste. Insgesamt verkaufte die SDG mehr als 2500 Fahrkarten. Der Sonderfahrplan mit 16 Pendelfahrten war Ausdruck von Risiko und Optimismus der Veranstalter. Doch der Mut wurde nicht enttäuscht. Aufgrund des sehr starken Andrangs wurde am Sonntagvormittag sogar kurzerhand eine zusätzliche Berg- und Talfahrt eingelegt, quasi ganz in Tradition der alten Weißeritztalbahn, die im Wintersportverkehr über viele Jahrzehnte hinweg zu Regel- und Sonderzügen zusätzliche Vor- und Nachzüge kannte. Letztmalig war das im Winter 1976/77 der Fall.
Übrigens war der Pendelverkehr zwischen Obercarsdorf und Schmiedeberg keinesfalls ein Inselbetrieb. Ein Bus des RVD beförderte im Schienenersatzverkehr die Fahrgäste von und zu den Zügen der Weißeritztalbahn, die (im noch ungekürzten Umfang) tagtäglich zwischen Freital-Hainsberg und Dippoldiswalde fahren. So hatten die seit vielen Jahren für die IGW im Bahnhof Freital-Hainsberg die Agentur betreibenden Frauen erstmals seit acht Jahren wieder die Möglichkeit, Fahrkarten nach Schmiedeberg und retour zu verkaufen. Zusätzlich betrieb der Verein an beiden Tagen im Bahnhof Obercarsdorf eine provisorisch eingerichtete Agentur. Die Vereinsmitglieder verkauften im Warteraum Fahrkarten, Bücher sowie Souvenirs und brachten damit Leben ins Obercarsdorfer Stationshäuschen. Am anderen Ende des kleinen Baus ließen die IGW-Mitglieder den Bratwurstgrill nicht kalt werden – außerdem gab es Kaffee, Christstollen und Getränke. Der VVO hatte einen Stand auf dem Bahnsteig aufgebaut und verteilte dort Informationsmaterial. Durch den Wintereinbruch am Vortag lag auf den Bahnsteigen jede Menge Schnee. Und der mußte frühmorgens vor dem ersten Zug beräumt sein. Auch alle Weichen waren vom Schnee zu befreien. Die drahtzugbedienten Schmiedeberger Weichen funktionierten anschließend problemlos. Bei Sonnenschein, zuweilen blauem Himmel und ruhigem Winterwetter entstanden vermutlich Tausende Fotos und Videomitschnitte. Besonders das Wassernehmen in Obercarsdorf war ein begehrtes Motiv. Denn in Ermangelung eines Wasserkrans in Obercarsdorf oder Schmiedeberg wurde mittels Hydrant, Standrohr und einem langen Schlauch Wasser genommen. Mit einem Lkw mit Greifarm konnte das Bekohlen der Einheitslok sichergestellt werden.
Möglich wurden die Fahrten zwischen Obercarsdorf und Schmiedeberg nicht zuletzt durch die Aktivitäten der IG Weißeritztalbahn e.V. Der Verein kümmert sich schon seit geraumer Zeit um die Befahrbarkeit des unzerstörten oberen Streckenabschnittes der HK-Linie. Im Frühsommer und Herbst 2010 hatte er das Streckengleis frei geschnitten und den Unkrautbewuchs eingedämmt. Dazu kamen die vereinseigene Diesellok vom Typ V 10C und ein vierachsiger Flachwagen (Gattung HHw) zum Einsatz. Bis Mitte Dezember kehrten diese beiden Fahrzeuge – wie auch 99 1746-9 und die drei Reisezugwagen nach Freital zurück. Am ersten Adventswochenende dankten zahlreiche Besucher spontan vor Ort der IGW, aber auch der SDG und dem VVO für die Fahrten. Die IGW hofft, daß dieses Spektakel im nächsten Jahr nicht nur wiederholt, sondern als lebendiger Ausdruck des Wiederaufbauwillens bis nach Kurort Kipsdorf verstanden wird.
14.12.2010