Eisenbahn-Geschichte
Das Bahnbetriebswerk Aue 1908-2007 (1. Teil)
Seit August 2007 werden in Aue die Anlagen des ehemaligen Bahnbetriebswerkes abgerissen. Lokschuppen und angrenzende Gebäude sind inzwischen dem Erdboden gleichgemacht. Dies ist Anlaß, auf die Geschichte dieser Dienststelle zurückzuschauen.
Nach der Eröffnung der Obererzgebirgischen Eisenbahn (Zwickau – Schwarzenberg) war Aue zunächst eine unbedeutende Station, endeten doch alle Züge im elf Kilometer entfernten Endbahnhof Schwarzenberg. Lokomotivbehandlungsanlagen waren deshalb anfangs nicht erforderlich. Dies änderte sich, als Aue 1875 mit der Eröffnung der Chemnitz-Aue-Adorfer Eisenbahn (CA-Linie) zum Kreuzungspunkt zweier Strecken wurde. Für die Stationierung und Behandlung von Lokomotiven wurde nun ein Heizhaus mit zwei Ständen und einer kleinen Drehscheibe zwischen dem heutigen Bahnsteig 2 und 3 errichtet. Wie in damaligen Zeiten üblich, unterstanden die Lokomotivpersonale dem Stationsvorsteher, die Fahrzeuge dem Maschinenamt.
1885 erfolgten im Rahmen der damaligen Bahnhofserweiterung der Abriß dieses zu klein gewordenen Heizhauses und der Neubau eines Rundschuppens mit acht Ständen unterhalb des Buchenberges. Die alte Drehscheibe wurde zum neuen Heizhaus umgesetzt und fand weitere Verwendung. Zum Drehen der in Aue beheimateten Mallet-Maschinen der sächsischen Gattung I V (Baureihe 55.60) mit einem Achsstand von 13185 mm war sie jedoch zu klein, so daß hierzu zusätzliche abklappbare Verlängerungsschienen benötigt wurden. Die acht Stände reichten bald nicht mehr aus, so daß der Schuppen durch Anbau von weiteren vier Ständen bis 1905 auf zwölf Stände erweitert wurde. Ursache waren Streckeneröffnungen im Umfeld von Aue (Zwönitz –Scheibenberg, Steilstrecke Eibenstock, Buchholz – Schwarzenberg) und der dadurch angewachsene Verkehr. Im Jahre 1908 wurde die Doppelunterstellung des Heizhauses unter Stationsvorstand und Maschinenamt beendet, ab 1. Juli 1908 wurde der Lokführer Heinrich Paul Richter als Heizhausvorstand in Aue eingesetzt und damit das Heizhaus eine selbständige Dienststelle. Sein Jahresgehalt betrug 2400 Reichsmark.
Einschließlich der Lokführer und Heizer belief sich der Personalbestand auf ca. 80 Beschäftigte. Zehn Personenzuglokomotiven, vier Güterzuglokomotiven und eine Rangierlokomotive gehörten zum Bestand des Heizhauses. Trotz des Lokschuppenneubaus hatten sich die Arbeitsbedingungen für die Lokbehandlung nicht wesentlich verbessert. Es gab weiterhin keine Lokwerkstatt, die Bekohlung der Maschinen erfolgte nach wie vor mit Körben. Entschlackt werden mußte durch die Feuertür.
Innerhalb der nächsten Jahre erhöhte sich der Lokomotivbestand immerhin auf 21 Maschinen, im Rahmen der Erweiterung des Bahnhofes Aue sollte deshalb auch ein neues Heizhaus errichtet werden. Ab 1913 erfolgten hierzu Vermessungsarbeiten, das Bauvorhaben war von der Generaldirektion der Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen bestätigt. Infolge des Kriegsausbruches kamen diese Umbauarbeiten nicht mehr zum Tragen, 1916 erhielt das alte Heizhaus lediglich eine 16-m-Drehscheibe, um den immer länger gewordenen Lokomotiven die Einfahrt in das Heizhaus zu ermöglichen. Eine weitere Vergrößerung war wegen der unmittelbar am Heizhaus verlaufenden Strecke nach Zwickau nicht möglich und sollte sich später noch als hinderlich für die Beheimatung größerer Lokomotiven erweisen. Bei Kriegsausbruch 1914 beschäftigte das Heizhaus immerhin bereits 102 Eisenbahner, 35 von ihnen mußten den Weg in den Ersten Weltkrieg antreten. Allmählich wurden auch die Voraussetzungen für größere Reparaturen an Lokomotiven geschaffen. Der Personalbestand der Werkstatt entwickelte sich von einem Schlosser 1918 auf 25 Beschäftigte in den dreißiger Jahren. Die Lokwerkstatt wurde zunächst auf dem Gleis 5 des Schuppens eingerichtet, das hierzu vom übrigen Heizhaus abgeteilt wurde. Dort wurden einige Werkzeugmaschinen und Schraubstöcke aufgestellt. Im Rahmen einer neuen Organisationsstruktur der jungen Reichsbahn wurde das Heizhaus 1922 in Bahnbetriebswerk umbenannt und beinhaltete nun neben dem Lokeinsatz auch die Lokunterhaltung. Dem Bw Aue unterstanden die Lokbahnhöfe in Schneeberg-Neustädtel, Schwarzenberg und Eibenstock ob. Bf.
Anfang der dreißiger Jahre lastete ein starker Rationalisierungsdruck auf der DRG. Diese begann deshalb, in zunehmendem Maße Kleindiesellokomotiven verschiedener Leistungsklassen zu beschaffen. Sie sollten auf den Unterwegsbahnhöfen die Zuglokomotiven der Güterzüge entlasten und die Rangieraufenthalte verkürzen. 1935 wurden die ersten Kleindiesellokomotiven dem Bw Aue zur technischen Unterhaltung zugewiesen. Sie versahen ihren Dienst auf Bahnhöfen wie Hartenstein, Fährbrücke oder Niederschlema und wurden vom Bahnhofspersonal bedient. Ab 1935 wurde zudem ein Abstellgleis am Bw für die Ausbesserung von Güterwagen hergerichtet. Eine wesentliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Beschleunigung der Lokbehandlungszeiten konnte schließlich 1938 mit der Inbetriebnahme eines Kohlenladekranes erreicht werden.
Der ständige Verkehrszuwachs in der Vorkriegszeit führte zu einem weiteren Anwachsen der Beschäftigtenzahl des Bahnbetriebswerkes auf 160 Eisenbahner Ende der dreißiger Jahre. 90 davon wurden nach Kriegsausbruch zur Wehrmacht oder zu den Feldeisenbahnen eingezogen. Mit dem Kriegsende im Mai 1945 kam der Eisenbahnverkehr zunächst langsam wieder in Gang. Das Bw Aue mußte zusätzliche Aufgaben übernehmen. Die Raw in Chemnitz und Zwickau wiesen zum einen erhebliche Kriegszerstörungen auf, mußten andererseits vorrangig die Lokomotiven der Lokkolonnen instandsetzen, welche Reparationszüge zwischen der Sowjetischen Besatzungszone und der Grenze der Sowjetunion beförderten. Aus diesem Grunde wurden von den Raw einfachere Schadgruppen in Bahnbetriebswerke verlagert. In Aue wurden nun zusätzliche Schadgruppen L2 und L3 ausgeführt, im unterstellten Lokbahnhof Schwarzenberg sogar L4-Unter-suchungen an Schmalspurlokomotiven. So wuchs der Personalbestand auf 250 Beschäftigte Ende der vierziger Jahre an. Aber nicht nur im Lokomotivbereich hinterließ die Bildung der Lokkolonnen ihre Spuren, auch beim Personal. Das Bw Aue mußte zur Besetzung von Kolonnenlokomotiven bis zu 46 Lokpersonale stellen. Allerdings dürften diese Einsätze spätestens Ende der vierziger Jahre vorbei gewesen sein.
Infolge des rapide ansteigenden Eisenbahnverkehrs mit dem Einsetzen des WISMUT-Bergbaus um Schneeberg und Johanngeorgenstadt vollzogen sich einige Veränderungen. Neue Lokomotivbaureihen gelangten in das Erzgebirge, so 58er und 56er. Um die Aufgaben erfüllen zu können, wurden Personale aus allen Teilen der DDR nach Aue, aber auch nach Schwarzenberg abgeordnet. Der zweigleisige Ausbau der Strecke Aue – Schwarzenberg – Johanngeorgenstadt, der einen vollständigen Umbau des Bahnhofes Aue einschloß, sollte endlich auch einige Erweiterungen des Bahnbetriebswerkes bringen. So erhielt das Bw ab 1949 ein neues Verwaltungsgebäude mit Arbeitszimmern, Kultursaal, Betriebsküche, Speiseraum und Wohnungen. Der Lokschuppen wurde auf 14 Stände erweitert, ein Gebäude für die Werkstatt neu errichtet. Um auch Radsätze wechseln zu können, wurde im Schuppen eine Achssenke mit 2,50 m Hubhöhe installiert.
Östlich des alten Heizhauses wurde eine 20-m-Drehscheibe errichtet, an die fünf Strahlengleise zur Aufstellung von Lokomotiven anschlossen. Die Bauplanungen vom Juli 1950 zeigen ferner die freigehaltene Fläche für einen neuen Halbrund-Schuppen an der 20-m-Scheibe, der jedoch nicht zu Ausführung kam. Im arbeitenden Park befanden sich zu jener Zeit 27 Lokomotiven. Durch die Zuordnung von Personal aus anderen Dienststellen stieg die Beschäftigtenzahl in kurzer Zeit auf über 600 an. Ab Mitte der fünfziger Jahre normalisierte sich die Situation im Eisenbahnwesen allmählich. Neue Strukturen hielten Einzug, um eine effektivere Arbeit zu ermöglichen. So wurde am 1. Juli 1955 die Wagenausbesserung aus dem Bahnbetriebswerk herausgelöst und als Außenstelle dem neu geschaffenen Bahnbetriebswagenwerk (Bww) Zwickau unterstellt. Die Verringerung von Lok- und Personalbestand des benachbarten Bw Schwarzenberg führte letztlich am 1. Januar 1956 zu dessen Auflösung und Überleitung in eine Einsatzstelle des Bw Aue. Damit wechselte auch der noch in Schwarzenberg vorhandene Lokbestand nach Aue. Weitere Rationalisierungsmaßnahmen führten am 1. Januar 1967 zur Umwandlung der ehemaligen Bahnbetriebswerke Annaberg-Buchholz, Thum und Kirchberg in Einsatzstellen, wobei in Thum und Kirchberg nebst der angeschlossenen Lokbahnhöfe ausschließlich Schmalspurlokomotiven beheimatet waren.
28.09.2007