Eisenbahn-Geschichte
Das Bahnbetriebswerk Aue 1908-2007 (2. Teil)
Lokeinsätze zur Dampflokzeit
Der Lokbestand setzte sich vorwiegend aus den sächsischen Gattungen IIIb (DRG-BR 34.76), IIIb T (BR 98.72), V (BR 53.82), V V (BR 53.6), V T (BR 89.2 und 89.82), IV T (BR 71.3) zusammen. Ab Ende der zwanziger Jahre kamen zudem Lokomotiven der Baureihen 75.5 (sächsische Gattung XIV HT) und 94.19-21 (sä. XI HT) beim Bw Aue zum Einsatz, um die immer größer werdenden Zuglasten zu bewältigen. Die größeren Schlepptenderlokomotiven der Baureihe 38.2 wurden jedoch von den benachbarten Bw Zwickau, Werdau, Chemnitz und Buchholz eingesetzt. Ab 1936 entwickelte sich die Baureihe 86 zu der typischen Erzgebirgslokomotive. Bis zur Auflösung der Dienststelle 1994 waren die Lokomotiven hier beheimatet. Den Anforderungen des Uranerzbergbaues waren die Loks der Baureihe 75.5 Ende der vierziger Jahre nicht mehr gewachsen, alle Lokomotiven wurden abgegeben. Dafür erhielt das Westerzgebirge Lokomotiven der Baureihe 58.10 (preußische G12) für den Einsatz auf der Strecke Zwickau – Johanngeorgenstadt und weitere 86er für die Nebenstrecken.
Zum Bestand des Bw Aue zählten auch Lokomotiven, die zu Rangierzwecken an die SDAG Wismut vermietet waren. Zu diesen gehörte eine Tk234 (1A1’) der lettischen Staatsbahn, aber auch die 89 7569, eine 1897 in Floridsdorf gebaute Tenderlok der k.&k. Staatsbahnen, die es nach Sachsen verschlagen hatte.
Mit der Auflösung des Bw Schwarzenberg am 31. Dezember 1955 wurde dessen Lokbestand übernommen und damit auch die verbliebenen Loks der Baureihe 84, die jedoch kurz darauf wegen Kesselschäden abgestellt wurden. Die Baureihen 86 und 58 bildeten damit das Rückgrat für die Zugförderung im Bw Aue, unterstützt von einigen 94.20, für den Güterzugdienst sowie die Züge auf der Eibenstocker Steilrampe. Ende der sechziger Jahre kamen auch Lokomotiven der Baureihen 50 und 52 in Aue zum Einsatz, da nach Aufgabe der Lokinstandhaltung im Raw Zwickau nicht genügend betriebsfähige 58er zur Verfügung standen. Mit der Einstellung des Betriebes auf der Eibenstocker Steilrampe im September 1975 wurden die letzten drei 94er arbeitslos, nachdem sie noch die Abbauzüge im Oktober 1975 führen durften.
Diesellokomotiven beim Bw Aue
Die ersten Diesellokomotiven kamen Mitte der dreißiger Jahre ins Westerzgebirge. Am 2. Oktober 1934 erhielt das Bw Aue hierzu mit Kö 4496, 4513 und 4524 drei Kleinloks, die den Rangierdienst auf den Bahnhöfen Grünstädtel, Beierfeld und Lauter übernahmen. Ein Jahr später folgten Kö 4536, 4537 und 4538, womit auch die Bahnhöfe Wilzschhaus (später Schönheide Süd), Bockau und Eibenstock unterer Bahnhof eine Rangierlok erhielten. Zeitweise wuchs der Bestand bis auf sieben Maschinen an.
Doch erst die Indienststellung leistungsstärkerer Diesellokomotiven ab Mitte der sechziger Jahre führte zum endgültigen Niedergang der Dampftraktion. Ab 1963 kamen die ersten Lokomotiven der Baureihe V15 in Aue zum Einsatz, am 18. August 1968 übernahm V 60 1468 erstmalig Rangierleistungen auf dem Bahnhof der Erzgebirgsstadt. 1970 folgte mit V100 047 die erste Maschine der Baureihe V100. Im Jahr darauf kam Schwesterlok 110 048 bereits mit EDV-Nummer ins Erzgebirge. Der V100-Bestand wuchs rasch an und erreichte am 1. Januar 1977 einen Höchststand von 35 Maschinen. Gleichzeitig wurde der 86er-Bestand systematisch verringert.
Im September 1976 erhielt Aue schließlich eine größere Anzahl an 118ern (ex V180), der Einsatzbestand der 58er konnte damit drastisch reduziert werden. Als letzte Maschinen waren 58 1111, 1522, 1800, 1934 und 2051 im Einsatz, die letzte Fahrt von 58 1800 datiert vom 28. November 1976, womit der Einsatz dieser Baureihe bei der DR nach rund 60 Jahren beendet wurde. Die dem Bw Aue zugewiesenen B’B’-Maschinen der Baureihe 118 konnten jedoch nicht freizügig eingesetzt werden. So war ihnen das Befahren der Strecke von Schwarzenberg nach Annaberg-Buchholz wegen der hohen Achslast von 18 t nicht möglich. Aus diesem Grunde wurden sie bereits nach einem halben Jahr im Mai 1977 gegen C’C’-Loks der Unterbaureihe 118.2 ausgetauscht.
Dampf-Intermezzo
1982 kehrten die Dampflokomotiven nochmals auf die Strecken des Westerzgebirges zurück. Ab 23. Mai 1982 wurde die Stichbahn Schlettau – Crottendorf wieder mit Lokomotiven der Baureihe 86 befahren. Ab 1. Juni 1982 besetzte das Bw Aue ferner wieder Dampflokomotiven des Bw Karl-Marx-Stadt mit Personal und setzte sie rund um Aue zur Einsparung von Dieselkraftstoff ein. Nach fünf Jahren war dieses Intermezzo allerdings wieder beendet. Am 23. Dezember 1987 schied als vorletzte Auer 50er die 50 3616 aus dem Plandienst aus. Wenige Tage später, am 31. Dezember 1987, beförderte 50 3554 letztmalig mit Auer Personal den N65355 nach Karl-Marx-Stadt. Am 26. Mai 1988 wurde schließlich 86 1501 von der Crottendorfer Strecke abgezogen.
Niedergang
Veränderungen im Diesellokbestand brachte vor allem die Weiterentwicklung auf dem Gebiete der Motorentechnik. Im Verlaufe des Jahres 1985 erschienen die ersten Dieselloks der Baureihe 112 in Aue, die über leistungsgesteigerte Motoren verfügten. Diese kamen neben den 110ern bis 1992 zum Einsatz und wurden dann durch die nochmals leistungsgesteigerten 114er (ab 1992 Baureihe 204) ersetzt. Zur Ablösung der überalterten Lokomotiven der Baureihe 118 erhielt das Bw Aue im Frühjahr 1991 die ersten Lokomotiven der Baureihe 119 (ab 1992 Baureihe 219) mit elektrischer Zugheizung zugewiesen. Für diese Baureihe waren alle Instandhaltungsvoraussetzungen neu zu schaffen. Während der Bestand der 119 schnell auf über 20 Loks stieg, sank gleichzeitig der Bestand an 118ern deutlich. Nur wenige Monate nach der Angliederung der Werkstatt an das Werk Zwickau wurde im Herbst 1994 die Instandhaltung dieser Baureihe in Aue bereits wieder aufgegeben. Die Wende mit ihren veränderten Verkehrsströmen, verbunden mit laufenden Änderungen der Organisationsstruktur der Deutschen Reichsbahn und ab 1994 der Deutschen Bahn AG führten zum Niedergang des Bw Aue. Die zurückgehenden Güterverkehrsströme auf der Schiene ließen sich direkt vom Rangierbahnhof Zwickau aus im Erzgebirge verteilen. Waren am 31. Dezember 1990 noch 19 Maschinen der Baureihe 118 im Bestand, so sank dieser innerhalb von nur zwei Jahren auf fünf Loks, am 31. Dezember 1993 war gar nur noch 118 776 im Einsatz. 1991/92 waren auch die Einsätze von Kleinlokomotiven beendet worden, die Rangierarbeiten übernahmen wieder die Zuglokomotiven der Güterzüge, so noch welche verkehrten. Im Rahmen der Einführung einer neuen Organisationsstruktur mit Betriebshöfen und Werken wurde das Bahnbetriebswerk Aue im Frühjahr 1994 aufgelöst. Die Fahrzeuge und Triebfahrzeugpersonale wurden dem neu geschaffenen Betriebshof Zwickau unterstellt, die Werkstatt wurde Außenstelle des Werkes Zwickau, Werkteil Rangierbahnhof. Gerade einmal 35 Lokomotiven gehörten am 31. Dezember 1994 noch zum Auer Bestand. Im Herbst 1994 wurde in Aue schließlich die Instandhaltung von Triebfahrzeugen aufgegeben, die Restmannschaft durfte bis Anfang 1997 zur Ausmusterung anstehende Triebfahrzeuge und Güterwagen zerlegen. Zum Teil wurden diese Zerlegearbeiten auch von der Nickelhütte in Aue vorgenommen.
So beendeten im Bw Aue nachfolgende Lokomotiven ihr Eisenbahnleben:
- 32 Elektro-Lokomotiven der Baureihe 242
- 11 Diesel-Lokomotiven der Baureihe 346 sowie
- 16 weitere Lokomotiven der Baureihen 310, 202, 231, 228, 311 und 312.
Seit 1997 diente das Verwaltungsgebäude nur noch als Personaleinsatzstelle, nachdem am 4. Dezember 1994 moderne Triebwagen der Baureihe 628.4 den Personenverkehr auf der Strecke Zwickau – Johanngeorgenstadt übernommen hatten. Der Lokschuppen lag seither verlassen, die 16-m- und 20-m-Drehscheiben wurden stillgelegt. Im Mai 1998 ging die Tankstelle außer Betrieb. Am 27. September 1999 wurde die Personaleinsatzstelle im Bw-Gelände aufgegeben und auf dem Bahnhof ein Melderaum für die Triebwagenführer eingerichtet. Nur zwei Jahre später, am 16. September 2001, erfolgte dessen Schließung, der Einsatz von Lokomotiven und Personal in Aue ist damit endgültig vorbei.
Im Juli 1998 wurde das Gelände an die DB-Immobiliengesellschaft übergeben. Im August 2007 wurden schließlich der Lokschuppen und alle direkt daneben befindlichen Gebäude abgerissen und das Gelände planiert. Die Geschichte des Bw Aue hat damit ihr Ende gefunden.
Eine detailliertere Darstellung zur Geschichte des Bw Aue ist der VSE-Broschüre „Heizhausgeschichten aus dem Westerzgebirge“ zu entnehmen, die Versandkonditionen entnehmen Sie bitte den VSE-Nachrichten.
30.11.2007