Fahrzeuge im Porträt
Die Einheits-Kleinlokomotiven 100 537 und 100 953
I. Einführung
Ab 1930 begann die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft zur Rationalisierung des Güterverkehrs die ersten Kleinlokomotiven zu beschaffen. Zunächst übernahm die Reichsbahn dabei die Entwürfe der Lokfabriken. Entsprechend der Leistungsfähigkeit wurden Lokomotiven bis 50 PS in die Leistungsgruppe 1 eingruppiert, Lokomotiven mit größerer Motorleistung in die Leistungsgruppe 2. 1932 begann die Reichsbahn dabei die Lokomotiven der Leistungsgruppe II zu vereinheitlichen.
II. Die Leistungsgruppe II
In Zusammenarbeit mit den Lokfabriken BMAG, Deutz, Jung, Krauß&Maffei und Orenstein&Koppel entwickelte das Reichsbahn-Zentralamt München eine vereinheitlichte Bauform. Sie war gekennzeichnet durch ein breites Führerhaus mit einem in nur 380 mm über Schienenoberkante liegenden Einstieg. Dieser sollte Rangierern das leichte Aufsteigen ermöglichen. Große Fensterflächen gewährleisteten eine gute Rundumsicht, die durch beidseitig angeordnete und gekuppelte Bediengeräte unterstützt wurde. Der Lokkasten war vereinheitlicht worden und wies eine Länge über Puffern von 6450 mm auf, bei einem Achsstand von 2506 mm und einem Raddurchmesser von 850 mm. Das Leergewicht lag je nach Motortyp zwischen 14 und 16 Tonnen. Der Motor wurde zur Verminderung der Lärmbelastung oberhalb des vorderen Radsatzes angeordnet. Insgesamt kamen in den Lokomotiven der Leistungsgruppe II dabei 25 verschiedene Motorarten mit Leistungen zwischen 55PS und 110 PS zum Einsatz, darunter auch einige Benzinmotoren. Die Anpassung für den Fahrzeugeinbau wurde dabei über einen Hilfsrahmen vorgenommen. Die Leistungsübertragung erfolgte entsprechend den geforderten Geschwindigkeitsstufen von 5, 10, 15 und 30 km/h über ein Einheitsrädergetriebe vorgenommen. Dessen Zahnräder befanden sich ständig im Eingriff und wurden über jeweils zugeordnete Lamellenkupplungen zugeschaltet. Ab 1935 wurden zudem Strömungsgetriebe der Bauart Voith erprobt. Gebremst wurde ausschließlich mit der Fußbremse.
Die Fahrzeuge erhielten die Betriebsnummern ab Kö 4098 aufwärts, Nummer darunter wurden von Vorserienloks belegt. Insgesamt übernahm die Deutsche Reichsbahn zwischen 1933 und 1944 1114 Einheitskleinloks, davon 808 mit Einheitsrädergetriebe, 257 mit Voith-Flüssigkeitsgetriebe, den Rest mit Versuchsgetrieben. 1945 verblieben etwa 330 Lokomotiven der Leistungsgruppe II bei der Deutschen Reichsbahn im Osten, davon besaßen 83 Kleinlok ein Voith-Getriebe.
Für nicht mehr aufarbeitungswürdige Motoren kamen ab 1952 zunächst Horch-Motoren der Bauart EM4-15 zum Einsatz, später auch Motoren der Typen SM 4-10 und SM4-12,5 aus Johannisthal. Ab 1958 kam für Umbauten der wassergekühlte Motor 6KVD 14,5 SRW aus dem Dieselmotorenwerk Schönebeck zum Einsatz, der bei 1250 min-1 eine Leistung von 90 PS abgeben konnte.
Der Motortyp wurde mehrfach weiterentwickelt, bis 1986 erhielten noch 239 Loks die letzte Bauform 6VD 14,5/12 SRW. Schadhafte Einheitsrädergetriebe wurden durch nahezu identische Nachbauten aus dem Getriebebau Gotha ersetzt.
Probleme bereiteten jedoch zunehmend sie mit Voith-Getrieben ausgerüsteten Loks. Da die Fa. Voith im Westteil Deutschlands ansässig war, standen praktisch keine Ersatzteile mehr zur Verfügung. Schadhafte Voith-Getriebe wurden deshalb zunehmend gegen Einheitsrädergetriebe aus Neubau ausgetauscht, nur wenige Loks behielten bis zur Ausmusterung ihr Voith-Getriebe. Um die Lokomotiven besser im Zugdienst einsetzen zu können, begann die Reichsbahn ab den 50er Jahren mit der Ausrüstung mit Druckluftbremse. Der Kompressorantrieb erfolgte über Keilriemen, zwei Luftbehälter auf dem Vorbau dienten der Luftspeicherung. Gebremst wurde über das rechts angeordnete Führerbremsventil allerdings nur der Wagenzug, auf der Lok blieb es bei der Fußbremse, von zwei Ausnahmen abgesehen. Zwischen 1957 und 1968 baute das Raw Dessau nochmals 42 Kleinlok für die Deutsche Reichsbahn neu, z.T. auch unter Verwendung altbrauchbarer Teile ausgemusterter Lokomotiven. Noch bis nach der Wende standen die Einheits-Kleinlokomotiven auf zahlreichen Bahnhöfen der Deutschen Reichs¬bahn im Rangierdienst, bis Umstrukturierungen im Güterverkehr sie entbehrlich machten.
III. Kleinlok 100 537
Die Lokomotive Kö 100 537 wurde am 8. Januar 1935 von der Lokomotivfabrik Henschel&Sohn in Kassel mit Fabriknummer 22286 an die Deutsche Reichsbahn ausgeliefert. Dort erhielt sie die Betriebsnummer Kö 4537 und wurde dem Bahnhof Eibenstock unterer Bahnhof zugewiesen. Die technische Instandhaltung übernahm das benachbarte Bw Aue. Da das Original-Betriebsbuch offensichtlich im Krieg verschollen ist, wurde 1957 ein neues angelegt und am 19. August 1965 (!) eine neue Genehmigung zur Indienststellung erteilt.
Mit Verfügung des Reichsverkehrsministerium 34 Brk 204 vom 31. August 1942 wurde die Lok an die Wehrmacht abgegeben und bei der Reichsverkehrsdirektion Mitte im Bw Minsk stationiert. Am 22. November 1942 wurde sie vom Bw Aue dorthin abgegeben. Hier wurde die Lok für Rangierarbeiten, aber auch für Bauzugleistungen verwendet. Mit der zurückweichenden Frontlinie kehrte Kö 4537 wieder nach Deutschland zurück, ein genaues Datum ist leider nicht bekannt.
Nach dem Kriegsende wurde die Lok beim Raw Dessau vorgefunden, wo sie bis zum 19. Januar 1951 zur Zwischenausbesserung verblieb. Danach kehrte sie zum Bw Aue ins Westerzgebirge zurück. Von 1953 bis 1964 rangierte sie im Bahnhof Fährbrücke, anschließend kam sie auch in Schönheide Süd, Wolkenstein und Wilischthal zum Einsatz. 1970 erhielt sie die Betriebsnummer 100 537.
Im August 1973 war sie dem Bahnhof Schönfeld-Wiesa zugeteilt. Von September 1976 bis zum 1. Juni 1991 versah sie ihren Dienst als Rangierlok auf dem Bahnhof Wilkau-Haßlau, bevor sie zum Bahnhof Wilischthal umgesetzt wurde. Dort rangierte sie bis April 1992. Von Januar bis März 1992 sind nur 31 Einsatztage mit 98 Betriebsstunden vermerkt. Die Instandhaltung der Lok erfolgte bis 1964 durch das Raw Dessau, anschließend durch das Raw Halle. Auffällig ist, daß zwischen November 1957 und 1969 fast jährlich ein Motor- und Getriebetausch erfolgte. Bei Lieferung war die Lok mit einem Deutz-Motor ausgerüstet, im November 1957 erhielt sie einen 4 KVD 18 Johannisthal. 1967 wurde ein 6 KVD 14,5 aus Schönebeck eingebaut, der 1985 durch einen 6 VD 15,5 aus Schönebeck ersetzt wurde. Die Lok ist mit einem Einheitsrädergetriebe ausgerüstet, das 1968 durch den Getriebebau Gotha neu gefertigt wurde. Als letzte Untersuchung bei der Deutschen Reichsbahn erhielt die Lok im Juni 1990 eine Instandhaltungsstufe V6, bei der auch eine Druckluftbremse eingebaut wurde, die jedoch nicht auf die Lok wirkte. Am 30. April 1992 wurde die zur Abstellung vorgesehene Lok vom VSE übernommen und am 11. Mai 1992 in das im Aufbau befindliche Eisenbahnmuseum nach Schwarzenberg überführt.
III. Kleinlok 100 953
Neben den Lieferungen für die Deutsche Reichsbahn bedachten die deutschen Lokomotivfabriken auch weitere Betreiber mit Einheitskleinlokomotiven. So erhielt die Luftwaffe der Deutschen Wehrmacht für Rangieraufgaben auf ihren Einrichtungen zahlreiche Kö. Auch die Berliner Maschinenbau AG in Wildau (vormals Schwartzkopf) bot ihre Kleinlok für Dritte an und bezeichnete die Lok mit Einheitsrädergetriebe als Typ LDE, die mit Voith-Flüssigkeitsgetriebe als LDFE. Im Jahre 1943 lieferte die BMAG als eine ihrer letzten zweiachsigen Kleinlokomotiven eine Kö mit Flüssigkeitsgetriebe an die Luftwaffendienststelle L, wo sie mit der Bezeichnung WL 0834 eingesetzt wurde. Abweichend von der Serie erhielt die Lok jedoch eine hölzerne Führerstandstür sowie nur ein Seitenfenster. Abweichend von der Bauart mit Einheitsrädergetriebe wurde die Länge über Puffer um 100 mm auf 6550 mm vergrößert. Desweiteren verfügt die Lok nur über ein Seitenfenster.
Da leider das Original-Betriebsbuch verschollen und auch die Werkslieferliste unvollständig ist, lassen sich weitere Daten kaum rekonstruieren. Bei der Lokzählung in der sowjetischen Besatzungszone vom November 1945 ist die Lok in den Beständen der Reichsbahn noch nicht erfaßt. Erst am 6. Dezember 1957 soll sie von der Deutschen Reichsbahn übernommen worden sein, die ihr die Betriebsnummer Kö 5753 erteilte. Das Betriebsbuch einschließlich der Genehmigungsurkunde zur Inbetriebnahme wurden am 5. Februar 1963 ausgestellt.
Eine erste Beheimatung ist ab dem 8. Juli 1959 beim Bahnhof Ottendorf-Okrilla Süd nachgewiesen. Am 20. Januar 1963 wurde die Lok offiziell nach Hoyerswerda umbeheimatet. Zum 21. September 1972 übernahm das Bw Kamenz den Hoyerswerdaer Kö-Bestand und damit auch die ab 1970 als 100 953 bezeichnete Lok. Über zwanzig Jahre leistete sie auf den Bahnhöfen rund um Kamenz Dienst, so u.a. in Großröhrsdorf und Pulsnitz. Im Januar 1992 erhielt die Lok nochmals eine neue Betriebsnummer und wurde nun als 310 953 bezeichnet.
Für die Unterhaltung der Lok war bis 1968 das Raw Dessau zuständig, anschließend das Raw Halle. Als letzte Untersuchung wurde 1989 eine V6 durch das Raw Halle ausgeführt. Angeliefert wurde die Lok mit einem Deutz-Motor, der im Dezember 1957 gegen einen 4 KVD 18 Johannisthal getauscht wurde. Auch bei Kö 5753 ist auffällig, daß zwischen 1957 und 1968 zwölfmal Motor und Getriebe getauscht wurden. Im Oktober 1973 erhielt die Lok einen neu entwickelten Motor vom Typ 6 KVD 14,5 aus Schönebeck. In diesem Zusammenhang ist auch das Flüssigkeitsgetriebe durch ein Einheitsrädergetriebe ersetzt worden. Der letzte Motorwechsel erfolgte 1989 auf einen 6 VD 14,5 aus Schönebeck. Bereits frühzeitig, im Februar 1960 erhielt die Lok eine Druckluftbremse eingebaut. 1963 wurde die Lok zudem mit einem dritten Spitzenlicht ausgerüstet. Der drastische Rückgang im Güterverkehr machte 310 953 im Frühjahr 1992 überflüssig. Am 10. Februar 1992 wurde die Lok abgestellt. Am 10. November 1992 konnte die Lok vom VSE erworben werden, am 5. Dezember 1992 wurde sie von 118 776 im Rahmen eines Wagenzuges nach Schwarzenberg überführt.
IV. Zu alt für die Rente
In Schwarzenberg mußten beide Kleinloks sofort hart arbeiten. Bereits im Sommer 1992 bewegte 100 537 den Arbeitszug mit dem Abraum von der Herstellung der Lokschuppengleiszufahrten transportiert wurde. Erstmals im Mai 1993 wurde die Lok im Rahmen der Fahrzeugausstellung der Öffentlichkeit vorgestellt. Ab Herbst 1993 kamen die Loks auch vor dem Zubringerzug zum Bahnhof Schwarzenberg zum Einsatz. Vom 17. Oktober 1995 bis zum 31. Juli 1998 wurde die Lok an die Werkbahn des FORON-Waschgerätewerkes vermietet, da sich für das Werk die Hauptuntersuchung einer eigenen Lok nicht mehr lohnte. Ab 18. Februar 1998 vertrat 100 537 die zur planmäßigen Untersuchung in Tharandt befindliche N4 beim in Schwarzenberg befindlichen Gleisanschluß des Pappenwerkes Raschau. Anschließend kehrte sie ins Eisenbahnmuseum zurück. 100 953 verblieb nach der Übernahme durch den VSE stets im Museumsgelände um hier Rangieraufgaben auszuführen. Mit der Übernahme von Lokomotiven der Baureihe 102 werden die beiden Kö II nur noch für leichte Rangierarbeiten eingesetzt.
27.09.2004