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Rezensiert: Nach Hof und Hotzenplotz! Schmalspurbahnen in Mährisch-Schlesien
Autorenkollektiv
Nach Hof und Hotzenplotz! Schmalspurbahnen in Mährisch-Schlesien
Bd. 14 der Reihe „Durch Böhmens Hain und Flur“ 264 Seiten im Format 16 x 23 cm in Leinen gebunden mit 450 schwarzweißen und farbigen Aufnahmen sowie Grafiken und Plänen edition bohemica, Goldkronach 2018. ISBN: 3-940819-31-4 Preis: 39,– Euro
Hotzenplotz – es gibt wohl kaum ein Kind, was bei diesem Namen nicht leuchtende Augen bekommt und an den gleichnamigen Räuber aus Otfried Preußlers Geschichte denkt. Doch leider gibt es, abgesehen von Eisenbahnfreunden, kaum noch Menschen, die den gleichnamigen Ort in Mährisch-Schlesien kennen … von Hof in Mähren ganz zu schweigen!
Doch gerade das macht den fast magischen Reiz der beiden in der k. u. k. Zeit errichteten Schmalspurbahnen mit 760 mm Spurweite aus, von denen die Strecke Bärn in Mähren – Hof in Mähren bereits seit 1933 Geschichte ist. Die „Hotzenplotzerin“ im Norden der Tschechischen Republik verkehrt hingegen noch täglich, regulär mit ČD-Dieselfahrzeugen – an ausgewählten Tagen mit ungewohnten Dampflokomotiven. Dadurch ist dieses idyllische Eisenbahn-Kleinod einer wachsenden Anzahl deutscher Filmer und Fotografen bekannt. Die farbenfrohe Herbststimmung auf dem Einband des vom Format her unscheinbaren Buches bietet darauf nur einen kleinen Vorgeschmack. Die etwa 250 Farbaufnahmen im Innenteil verwöhnen Auge und Seele zugleich. Wer verzückt ein Bild betrachtet und sich kein Schöneres vorstellen kann, wird auf der nächsten Buchseite eines besseren belehrt!
Der fulminanten Illustration des Buches stehen die Texte in nichts nach! Wer Andreas Petrak als Inhaber der edition bohemica und seine Freunde kennt, der weiß längst warum: Er und seine Mitautoren beherrschen packende Schreibstile in Perfektion, so dass die Lektüre des Buches nicht spannender und unterhaltsamer sein kann! Voller Poesie beschreibt Joachim Piephans, warum Osoblaha nicht mehr Hotzenplotz ist; Martin Junges Reportage über das Hotzenplotzer Ländchen im Winter kann sich am Stil des großartigen Deutschböhmens Egon Erwin Kisch messen – und auch der Reisebericht von Hans-Jürgen Barteld setzt ein Zeichen gegen den Niedergang von Sprachgefühl.
Herausgeber und Hauptautor Andreas „W.“ Petrak passt erwartungsgemäß in keinerlei Schublade – er sprengt alle stilistischen Fesseln sowie andere Konventionen und sprudelt als Wissensquell vor allem zur Geschichte der beiden Strecken, aber eben auch der Region, förmlich über. Doch gerade die genauen Kenntnisse der historischen Ereignisse um 1918/19 sowie zwischen 1938 und 1946/47 stellen ein unabdingbares Muss zum Begreifen der Zusammenhänge dar, deren weitreichende Folgen sich eben auch auf die Schmalspurbahnen niederschlagen. So werden viele Leser erstmals von der Direktion Jägerndorf der Deutschösterreichischen Staatsbahnen Ende 1918 oder von den harten Kämpfen um Hotzenplotz 1945 hören. Zu den Stärken des Buches gehören ebenso die konsequente Zweisprachigkeit der Orts- und Gemarkungsnamen.
Eine Beleidigung für Andreas Petrak stellt der Hinweis dar, dass er die Entwicklung der Strecken auch in der Kaiser- und Zwischenkriegszeit detailliert schildert – denn das gehört zu seinen Markenzeichen! Beschreibungen der Fahrzeuge samt Umzeichnungen nach 1918, 1938 und 1945 sind ebenfalls selbstverständlich. Das schließt die exzellente Illustration der Geschichtskapitel ein; die von den Autoren beschafften Aufnahmen – auch der Nachbau-VI K 99 702 als U58.001 – sind eine Wucht! Dass sich nur 53 der 264 Seiten mit der Hofer Linie beschäftigen, bedingt deren kurze Betriebszeit. Dennoch präsentiert Petrak auch zu dieser Strecke überraschend viele Aufnahmen und beeindruckende Forschungsergebnisse, die selbst in der Tschechischen Republik für Aufsehen sorgen werden.
Fazit: Verlag und Autoren legten ein in Bezug auf Illustration, Schreibstil und Textinhalt hervorragendes Werk vor. Einziges Manko: Das kleine Buchformat ist für ihr Informationsbedürfnis und die vielen Aufnahmen leider ungeeignet. Die Bildtexte und viele Aufnahmen sind einfach zu klein abgedruckt! Buchreihe hin oder her – der Inhalt dieses Buches hätte in ein größeres Format gehört!
13.08.2018