Reisebericht
Bo´ness & Kinneil Railway and The Museum of Scottish Railways
Dem Autor ist es schon immer ein besonderes Anliegen, Erfahrungen und Erkenntnisse von „außerhalb des eigenen Gartenzaunes“ zu sammeln und wohlwollend auf eine eigene praktische Wiederverwendbarkeit bzw. gar Vermeidbarkeit erkennbarer Ungereimtheiten zu prüfen. Die auf den britischen Inseln tätigen Vereine, Museen und Bahnen bieten im Unterschied auch zu den ältesten deutschen Museumsbahnbestrebungen, vielfach einen deutlich längeren Experimentierzeitraum. Aus dem Inkubator „jugendliche Begeisterung“ für das Hobby Eisenbahn sind inzwischen gestandene oder auch manchmal einfach gealterte Einrichtungen geworden. Damit bieten sie bei selbstkritischer Betrachtung gute Ausblicke für die mögliche eigene Entwicklung mancher hiesiger Einrichtung. Deshalb sind die Reflexionen auch gar nicht in die Schubladen „Schmalspur“ oder „Regelspur“, „Verein“ oder „öffentliche Körperschaft“ oder gar „Museum“ versus „Museumsbahn“ einzuordnen.
Ein maßgeblich zwecks Erholung und Erlebnis der atemberaubenden schottischen Landschaft, Kultur und Geschichte ausgewählter Rundkurs durch den nördlichen Teil des britischen Königreiches enthielt daher natürlich auch ein interessantes Eckchen Eisenbahn. Wenige Kilometer von Edinburgh entfernt, noch bevor es hinter Stirling richtig in die Highlands geht, liegt am südlichen Ufer des Firth of Forth das kleine Städtchen B0’ness. Historisch bewanderten Zeitgenossen ist der Ort als östliches Ende des Antoniuswalls der Römer bekannt, den diese um 144 n.C. als nördlichste Sicherungsgrenze gegen das wilde Calledonien errichteten. Eisenbahnfreunden ist eher das hier befindliche „Museum of Scottish Railways“ sowie die Endstation der als Museumsbahn betriebenen „Bo’ness & Kinneil Railway“ ein Begriff. Beide Einrichtungen bilden eine Einheit und leben diese auch, selbst wenn es sicherlich wie in ähnlichen Fällen organisatorische Unterschiede in den betrieblichen Abläufen gibt. Betrieben werden beide Einrichtungen durch die „Scottish Railway Preservation Society (SRPS)“, einer 1961 gegründeten Vereinigung mit heute über 1250 Mitgliedern, die sich das Ziel gesetzt haben, eine in Zentralschottland angesiedelte Eisenbahn zu erhalten und eine Sammlung unterschiedlichster Zeugnisse der schottischen Eisenbahngeschichte zu präsentieren. Begonnen haben die Aktivitäten in den 1960er Jahren, als der Niedergang des Eisenbahnsystems in Großbritannien schon auf Hochtouren lief und sich insbesondere in der Stillegung vieler Eisenbahnstrecken manifestierte. Da wurde natürlich nicht an der schottischen Grenze Halt gemacht, denn seit dem Zweiten Weltkrieg war British Railways (BR) ohnehin der staatseigene Betreiber fast des gesamten öffentlichen Eisenbahnnetzes im Vereinigten Königreich.
Dadurch sind auch viele einstmals in Schottland eingesetzte Fahrzeuge über das gesamte Land verteilt worden, gleichermaßen sorgten einheitliche Baugrundsätze für Bahnanlagen natürlich auch landesweit für ein gleichförmiges Erscheinungsbild der Bauten.
Die Museumsbahn
Die „Bo’ness & Kinneil Railway“ befährt heute, betrieben durch SPRS Railtours, eine 11 Kilometer lange Strecke. Von Bo’ness aus wird zunächst die ehemalige „Slamannan and Borrowstounness Railway“ befahren, über eine durch den Verein neu errichtete Verbindungsstrecke bis zur „Edinburg and Glasgow Line“ wird seit 2010 die Endstation Manuel Junction erreicht. Ein Übergang zu ScottRail ist momentan mangels einer Bahnsteiganlage noch nicht möglich, soll aber in späteren Jahren auch entstehen. Die Strecke der „Slamannan and Borrowstounness Railway“ bis Bo’ness wurde am 17. März 1851, basierend auf einem Parlamentsbeschluß von 1846, eröffnet und stellte nur den Anschluß an eine bereits 1840 für Bergwerkszwecke errichtete Strecke dar. 1959 wurde der öffentliche Verkehr eingestellt.
Zum Einsatz kommt vor den aus verschiedensten Wagen gebildeten Zügen auch eine große Vielfalt von Dampf- und Diesellokomotiven. Deren Aufzählung würde den Rahmen sprengen, weshalb auf die einschlägigen Listen und Zusammenstellungen im Internet verwiesen wird. Mit der Bahn werden heute ein Naturschutzgebiet sowie eine ehemalige, besichtigbare Kohlenmine für Touristen erschlossen. Rund 70 Minuten dauert eine Hin- und Rücktour.
Der heutige Bahnhof Bo’ness wurde komplett neu errichtet, was man aufgrund der scheinbar gewachsenen Struktur und Anordnung aller wichtigen Elemente einer britischen Eisenbahnstation zunächst nicht erwarten würde. Doch tatsächlich sind nicht nur Lokomotiven und Wagen als Sammlerstücke aus dem ganzen Land gekommen, auch die Bahnhofshalle, das Stellwerk, die Fußgängerbrücke, der ursprüngliche Lokschuppen und zahlreiche Nebengebäude der Station wurden an stillgelegten Strecken oder noch bedienten Gleisen bei dort fehlender Verwendung demontiert und seit 1979 schrittweise aufgebaut. Da auch das alte, fast im Ortszentrum gelegene Bahnhofsareal aufgrund zwischenzeitlicher Bebauung durch Straßenverkehrsanlagen nicht mehr verfügbar war, mußte auch das Gelände der Station auf früheren Güterladeanlagen direkt neben dem Hafen am Firth of Forth neu angelegt werden. zum. Die einstmals imposanten Hafenanlagen kann man heute noch ausmachen.
Über die vergangenen Jahrzehnte wuchs der Bestand an Anlagen und Ausrüstungen beständig, nahtlos schließen sich von der Bahnstation Bo’ness in nördlicher Richtung aus die Anlagen des Eisenbahnmuseums an. Interessant ist für den Eisenbahntouristen aber auch das vielfältige Angebot an touristischen Sonderfahrten, die SRPS Railtours mit den typisch britischen „Langstreckenwagen“ quer durchs Land anbietet. Auch entfernteste Ziele auf dem britischen Mainland werden angefahren.
Das Eisenbahnmuseum
Die „The Museum of Scottish Railways“ genannte Sammlung der SPRS ist öffentlich an sieben Tagen in der Woche zugänglich. Sie ist in mehreren großen Leichtbauhallen in direkter Nachbarschaft zur Bo’ness Station angesiedelt, natürlich durchziehen die Gleisanlagen das gesamte Gelände. Folgt man dem direkten kurzen Weg, entgeht einem Besucher das durch „Sammeln“ geprägte Flair der Anlage, nimmt man jedoch vom Bahnsteig den langen Weg, kommt man an Abstellanlagen, einer stirnseitig offenen Halle mit zahlreichen historischen Fahrzeugen sowie dem „Arbeitsvorrat“ für die kommenden Jahrzehnte vorbei. Dem interessierten Leser sei dazu ein Blick aus der Luft mittels Google Maps empfohlen („Bo’ness Station, Großbritannien“ eingeben), dann erschließt sich einem sehr schnell die inzwischen auch sehr beengte Situation. Allein die Beheimatung der „Quer-durchs-Land-Züge“ der SRPS und die Unterbringung auf dem Gelände (ein ganzer Wagenzug paßt nirgends hinein) sind mit einem abwechslungsreichen Rangiergeschäft verbunden. Die Museumsanlage in den beiden (auf der Luftkarte gut erkennbaren) markanten Hallen mit Spitzdach beherbergt eine einzigartige Sammlung von Lokomotiven, Wagen, Signaltechnischen Anlagen und Ausrüstungen, nicht zu vergessen eine umfangreiche anhand von Bildtafeln illustrierte Darstellung der Geschichte des einstmals umfangreichen schottischen Eisenbahnnetzes. Allein deshalb lohnt sich schon ein Besuch, denn derart umfassend bekommt man selten einen solchen Überblick. Man geht im Museum übrigens auch sehr offen mit dem Umstand um, daß viele Fahrzeuge aufarbeitungsbedürftig sind und hat einen Hallenbereich mit einer Dampflok und einem Personenwagen als „Workshop area“ gekennzeichnet, in dem sichtbar gearbeitet wird. Mittels aushängenden Arbeitsmappen kann man sich über den früheren Zustand sowie über die Aufarbeitungsziele informieren. Nicht unerwähnt sollte bleiben, daß das Museum zahlreiche Möglichkeiten auch für Kinder bietet und viele Anschauungsstücke auch kindgerecht präsentiert werden. Insgesamt zählt die SPRS rund 60.000 Fahrgäste und Besucher des Museums pro Jahr.
Fazit und Empfehlung
Natürlich sind sowohl Museumsbahn wie auch Eisenbahnmuseum unbedingt einen Besuch wert, wer als Eisenbahnfreund von Edinburgh aus die Highlands erkunden will, kommt ohnehin ziemlich nah daran vorbei. Man kommt auch sehr schnell mit den freundlichen Mitarbeitern von Museumsbahn und Eisenbahnmuseum ins Gespräch, nur wenige Minuten vor dem Stellwerksgebäude mit der Kamera im Anschlag zu verweilen reichten schon aus, vom Stellwerker zur Besichtigung seines Arbeitsplatzes eingeladen zu werden. Interessant war es, zu beobachten, daß besonders die „kundennahen“ Tätigkeiten von älteren Damen und Herren wahrgenommen wurden, während nur in den einsehbaren Werkstattbereichen und rund um die betriebenen Dampfloks ein paar jüngere Menschen zu sehen waren - trotz eines sonntäglichen Aufenthalts. Wie ein über viele Jahre betriebenes Sammeln von Eisenbahnrelikten aller Art jedes anfänglich vielleicht noch so groß erscheinendes Gelände schrumpfen läßt, ist aber ebenso ersichtlich. Sicherlich schmerzt es auch viele SPRS-Mitglieder, den Schätzen der vergangenen Jahrzehnte im Arbeitsvorrat nicht mehr Herr zu werden, doch ist auch das gelegentliche Befreien von Altlasten für die weitere Arbeit hilfreich. Viele Museen und Museumsbahnen in Deutschland stehen vor ähnlichen Herausforderungen, in Bo’ness sind sie nur (siehe Eingangsworte) schon deutlicher sichtbar.
Interessant und zur Übernahme in eigene Überlegungen durchaus geeignet ist die Gestaltung der Eintrittspreise. Während die normale Museumseintrittskarte 4 Britische Pfund (ca. 5,10 Euro) für den Erwachsenen kostet und ein Jahr gültig ist, zahlen Kinder gar nichts. Wird jedoch eine Fahrkarte für eine Fahrt mit der „Bo’ness & Kinneil Railway“ vorgezeigt, kostet der einmalige Eintritt ins Museum nur 1 Britisches Pfund (ca. 1,20 Euro). Überhaupt kann man von den Marketingideen der Eisenbahnen im Königreich, was besondere Themen für Fahrten oder Veranstaltungen wie auch die Zusammenarbeit mit vielfältigen anderen touristischen Einrichtungen anbelangt, viel lernen. Das kann natürlich einfach mit der langjährigen Arbeit der Eisenbahnvereinigungen und Museen selbst zu tun haben, daß diese bei den Verantwortlichen für den Tourismus angekommen sind. Vielfach fragt sich der aufmerksame Tourist aber auch, warum diese oder jene Idee denn in Deutschland noch keiner aufgegriffen hat. Vielleicht sollte man aber deutsche Tourismusmanager auch einfach nur mal zu einer Eisenbahnrundreise in Großbritannien verpflichten, um die Wirksamkeit der Eisenbahnen für die Tourismuswirtschaft aufzuzeigen.
Nachtrag
Ein technikgeschichtlich sehr interessanter Bezugspunkt zur Gegend sollte nicht unerwähnt bleiben: James Watt (1736 - 1819), einer der einflußreichsten und maßgeblichsten Erfinder und Entwickler der nutzbaren Dampfmaschinenkraft, führte in Kinneill House einen Teil seiner zahlreichen Experimente und Versuche durch.
Weiterführende Informationen
- Webseite der Bo’ness & Kinneil Railway: http://www.bkrailway.co.uk/
- Webseite der englischsprachigen Wikipedia mit einer umfangreichen Auflistung des aktuellen Fahrzeugbestandes: http://en.wikipedia.org/wiki/Bo’ness_and_Kinneil_Railway
12.08.2012