Schmalspurbahnen in Europa
Elektrische Schmalspurbahn Trenčianska Teplá – Trenčianske Teplice: Abschied vom Regelverkehr
Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2011 verlor mit der elektrischen Schmalspurbahn Trenčianska Teplá – Trenčianské Teplice eine besondere Eisenbahnstrecke der Slowakei nach über 102 Jahren ihren planmäßigen Personenverkehr. Die Bahn wurde inzwischen privatisiert und soll zukünftig nur noch tageweise im Touristikverkehr betrieben werden. Die Einstellung des Regelbetriebs ist der Anlaß, sich mit der Geschichte dieser nur knapp sechs Kilometer langen Lokalbahn einmal näher zu beschäftigen.
Geschichte und Streckenverlauf
Das Kurbad Trenčianske Teplice (Trentschin-Teplitz) befindet sich in einem Seitental am Fuße eines Ausläufers des Kleinen Fatragebirges in der Nordwestslowakei, ca. 15 km vom Bezirkshauptort Trenčin entfernt. Durch diese Lage war es nicht möglich, den Ort trotz seiner wachsenden Bedeutung direkt an die Hauptbahn Bratislava – Žilina (Preßburg – Sillein) anzuschließen. So wurde 1909 vom Bahnhof Trenčianska Teplá eine Lokalbahn für den Personen- und Güterverkehr mit 760 mm Spurweite (bosnische Spur) gebaut, die von Anfang an elektrifiziert war. Die Eröffnung erfolgte noch unter der Bezeichnung Städtische elektrische Schmalspureisenbahn Trentschin-Tepla – Trentschin-Teplice.
Schon der Name verrät, daß es sich um keine typische Eisenbahnstrecke handelt. Tatsächlich nimmt die Bahn ihren Ausgangspunkt an einem separaten Bahnsteig am Bahnhof Trenčianska Teplá und biegt danach sofort in einen scharfen Linksbogen ein. Ausgangs des Bogens befindet sich eine Wagenhalle am ehemaligen Lokalbahnhof. Eingezwängt zwischen Ortsstraße und einem Bachlauf wird bereits nach einem halben Kilometer das Ortszentrum erreicht, wo sich die erste Haltestelle befindet. Nun wird die Fernstraße 61 überquert, bevor die Strecke wiederum zwischen Straße und Bach und durch Stützmauern gesichert, weiter dem Ortsausgang entgegenstrebt. Kurz vor dem Ende der Bebauung befindet sich die zweite Haltestelle in der Ortslage von Trenčianska Teplá. Nun führt die Bahnlinie durch weite Wiesen und Felder und enfernt sich in einem Bogen zunächst von der Straße, um sie dann bei Kilometer 3 wieder zu kreuzen. Kurz darauf wird ein Gehöft passiert, an dem sich bis zu ihrer Stillegung 1967 die einzige Ausweiche der Strecke in Kaňová befand. Erst seit 2007 hielten hier wieder Züge auf Verlangen, das Planum der Ausweiche ist immer noch gut erkennbar. Nun folgt die Strecke in leichter Hanglage dem Straßenverlauf, um sie gleich am Ortseingang von Trenčianske Teplice erneut zu kreuzen. Nach dem Passieren des Omnibusbahnhofes ist die Haltestelle Trenčianske Teplicesídlisko (Siedlung) erreicht, die direkt an einer Wohnsiedlung mit mehrgeschossigen Plattenbauten liegt. Nur einige hundert Meter weiter wird die Straße erneut gekreuzt und unterhalb eines Aussichtspunktes befindet sich die Haltestelle Trenčianske Teplice zastávka (Haltestelle). Während alle anderen Stationen Bahnsteige aufweisen, erfolgt hier der Ein- und Ausstieg direkt auf die Straße. Nach einem Rechtsbogen verläuft die Trasse zunächst zwischen eingeschossigen Häusern und der vielbefahrenen Ortsstraße, um dann nach links einzubiegen und dem Bachlauf zu folgen. Nach ca. 300 Metern wird, nach einer 1941 vorgenommenen Streckenverkürzung um wenige hundert Meter, der Endbahnhof Trenčianske Teplice erreicht. Dieser weist einen Mittelbahnsteig mit zwei Bahnsteiggleisen und ein Abstellgleis auf. Das imposante Empfangsgebäude ist dem Reisenden nicht mehr zugänglich, die Umgebung wirkt trist. Das eigentliche Orts- und Kurzentrum ist von hier in wenigen Minuten Fußweg erreichbar. Im Jahre 1936 verkehrten in der Sommersaison täglich bis zu 23 Zugpaare bei einer Fahrzeit von knapp 20 Minuten.
Die Entwicklung in der Tschechoslowakei 1945–1993
Nachdem die Bahnstrecke die Wirren des Zweiten Weltkrieges im wesentlichen unbeschadet überstanden hatte, wurde die Gesellschaft 1950 verstaatlicht. Die ČSD (Československé státní dráhy = Tschechoslowakische Staatseisenbahnen) übernahmen nun die Betriebsführung der Lokalbahn. Im Zusammenhang mit der Erneuerung des Fahrzeugparks entstand direkt am Bahnhof Trenčianska Teplá eine neue, dreiständige Triebwagenhalle. Weitere Veränderungen an den Gleisanlagen gab es insbesondere durch die Neuanlage des Bahnsteiges für die Schmalspurbahn und die Stillegung des Übergabegleises zur Güterverladung der ČSD nach der Einstellung des Güterverkehrs 1960. In Trenčianske Teplicé entstand 1964 ein neues Empfangsgebäude, und in den folgenden Jahren begann die teilweise Rekonstruktion der Strecke. Nun kam nur noch ein Triebwagen zum Einsatz, der bei Bedarf durch einen Steuerwagen verstärkt werden konnte. Der Fahrplan war dabei stets auf die Anschlußzüge der Hauptbahn ausgerichtet. Im Fahrplan 1988/89 verkehrten, wie 1936 schon, täglich mehr als 20 Zugpaare: im Winterhalbjahr 21 und im Sommer 24.
Die Schmalspurbahn seit 1993
So präsentierte sich die Lokalbahn auch zur Unabhängigkeit der Slowakei 1993. Für die Betriebsführung zeichneten sich nun die neugegründeten ŽSR (Železnica Slovenskej Republiky = Eisenbahnen der Slowakischen Republik) verantwortlich. Bedingt durch den ständig wachsenden Individualverkehr sank jedoch schon vorher der Stern der Schmalspurbahn. Besonders problematisch war dabei die schon erwähnte Straßenkreuzung im Ortsgebiet von Trencianska Tepla. Erst 1997 wurde durch eine Umgehungsstraße Abhilfe geschaffen. Doch auch der schlechte Oberbau machte sich immer mehr bemerkbar, so dauerte eine Fahrt inzwischen bis zu 26 Minuten. Trotz der unklaren Zukunft investierte man Ende der 1990er Jahre in eine grundlegende Oberbausanierung, so daß wieder mit der Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h gefahren werden konnte. Dabei erhielten die Haltestellen auch neue Wartehallen und Bahnsteige und in den Fahrzeugen wurden die Voraussetzungen für den schaffnerlosen Betrieb geschaffen. Dieser wurde mit dem Jahresfahrplan 2005 eingeführt, seitdem sind die Fahrkarten beim Fahrer erhältlich und müssen entwertet werden. Außerdem werden die Fahrgäste akustisch und optisch über die nächste Haltestelle informiert. Der Betreiber der Bahn war nun die ŽSSK (Železničná spoločnosť Slovensko = Eisenbahngesellschaft der Slowakei), nachdem die ŽSR im Zuge der Trennung von Netz und Betrieb nur noch als Infrastrukturunternehmen tätig ist.
Das (vorläufige) Ende
2001 überlebte die Schmalspurbahn eine erste große Stillegungswelle slowakischer Nebenbahnen, wenn auch mit einer empfindlichen Kürzung des Fahrtenangebotes. So fuhren werktäglich nur noch zehn Zugpaare zwischen 4.30 und 18 Uhr, an Wochenenden sogar noch weniger. Wirklich ernst wurde es jedoch im Jahr 2011: Durch den Sparzwang der slowakischen Eisenbahnen ZSSK kam es am 1. Mai 2011 wiederum zu einer Kürzungs- und Stillegungswelle an vielen Strecken. Die eigentlich vorgesehene Stillegung der Lokalbahn konnte aber noch einmal abgewendet werden, diesmal jedoch nur bis zum Dezember 2011. Das Fahrtenangebot wurde erneut ausgedünnt, nur noch sieben Zugpaare fuhren fortan werktags. Bis zur Einstellung des Wochenendverkehrs am 1. Oktober 2011 fuhren dann noch fünf Zugpaare an Wochenenden. Zu diesem Zeitpunkt entfielen weitere drei Zugpaare an Werktagen, so daß nur noch morgens und nachmittags jeweils zwei Zugpaare verkehrten. Trotzdem waren die Bahnen bis zuletzt gut besetzt, es gab in beiden Ortschaften auch innerorts Verkehr. Eine Einzelfahrt mit der Bahn kostete im Jahr 2011 umgerechnet 0,50 Euro und war damit deutlich günstiger als eine Busfahrkarte. Der Betrieb wurde nach dem vereinfachten Nebenbahndienst abgewickelt, alle Stationen waren betrieblich unbesetzt, lediglich in Trenčianske Teplice gab es bis in den letzten Jahren noch einen besetzten Fahrkartenschalter. Der reguläre Personenverkehr unter Regie der ŽSSK endete unter großer Anteilnahme der Bevölkerung, von Eisenbahnfreunden und der Eisenbahner am 9. Dezember 2011. Mit einem minutenlangen Dauerhupen im Ortszentrum von Trenčianska Teplá und begleitet durch die Klänge eines bekannten slowakischen Liedes („Pokoj v duši“ = Seelenfrieden) verabschiedete sich die Schmalspurbahn nach über 102 Jahren aus dem regulären täglichen Personenverkehr.
Im Laufe des Sommers 2011 zeichnete sich bereits ab, daß die Betreiber der Schwarzgraner Waldbahn (Čiernohronská železnica – ČHZ) Interesse an einem saisonalen Weiterbetrieb der Lokalbahn haben. Die ČHZ hat am 1. Januar 2012 bereits Neujahrsfahrten zwischen Trenčianska Teplá und Trenčianské Teplice angeboten. Der nächste Fahrtag fand am 4. Februar 2012 mit drei Zugpaaren statt, weitere Aktionen sollen folgen. Außerdem soll es ab 2012 wöchentlich Kontrollfahrten geben, um Diebstählen vorzubeugen. Es steht zu hoffen, daß diese liebenswerte Kleinbahn in Zukunft wieder regelmäßig Fahrgäste in das Kurbad Trenčianske Teplice befördern kann.
Die Fahrzeuge
Die eingesetzten Fahrzeuge erinnerten äußerlich stets an Straßenbahntriebwagen. Den Eröffnungsbestand der Bahn bildeten drei Triebwagen mit den Nummern 1 bis 3, zwei Beiwagen mit den Nummern 14 und 15 und zwei Sommerbeiwagen mit den Nummern 12 und 13. Außerdem gab es einige Güterwagen. Triebwagen 4 ist dagegen 1911 aus einem Güterwagen entstanden und diente als Gütertriebwagen. Nur in Ausnahmefällen gelangte er mit Personenbeiwagen zum Einsatz. Die Fahrzeuge für den Personenverkehr wurden in der Waggonfabrik Györ gefertigt. Die halboffenen Plattformen der Triebwagen wurden später verglast. Nach der Verstaatlichung der Lokalbahn gaben die ČSD neue Fahrzeuge in Auftrag, die diesmal von der Waggonfabrik Studenka stammten. Diese 1951 gebauten und seit 1952 eingesetzten elektrischen Triebwagen der Reihe EM46.0 waren mit moderner elektrischer Ausstattung von ČKD Trakce versehen. Statt klassischer Beiwagen kamen nun drei Steuerwagen mit den Triebwagen im Verband zum Einsatz. Im Jahre 1973 mußte EM46.001 ausgemustert werden, nachdem er einen schweren Unfall mit einem Lastwagen hatte. In der Folge erhielt EM46.003 die neue Fahrzeugnummer EM46.001” und einer der Steuerwagen wurde zum „neuen“ Triebwagen EM46.003” umgebaut. Alle Fahrzeuge durchliefen ein umfangreiches Modernisierungsprogramm im Depot Vrútky der ČSD sowie in der Hauptwerkstatt Martinov des Verkehrsbetriebes Ostrava. Dabei nutzte man viele Straßenbahnkomponenten, unter anderem Fenster und Sitze der bekannten Tatrawagen. Seit 1988 werden die Triebwagen unter den Nummern 411 901 bis 411 903 und die Steuerwagen als 911 901 und 911 902 geführt. Die Farbgebung der Triebwagen war zunächst crème-rot, zu Beginn der 1990er Jahre kam dann eine neue Lackierung in crème-blau mit gelben Warnbalken auf. Zwischenzeitlich erhielten 411 902 und 411 903 wieder eine an frühere Zeiten angelehnte rot-crèmefarbene Lackierung. Die Steuerwagen kamen zuletzt vornehmlich an Werktagen und schönen Sommerwochenenden zum Einsatz, sind aber 2008 an die Waldeisenbahn Orava (ČHŽ) abgegeben worden. Zum 100jährigen Streckenbestehen im Jahr 2009 fuhr stattdessen eine Dampflok auf der Strecke. Martin Junge
Weiterführende Informationen http://de.wikipedia.org/wiki/Schmalspurbahn_Trenčianska_Teplá-Trenčianské_Teplice; http://www.411.wbl.sk
12.02.2012