Preßnitztalbahn-Meilensteine
Rückblick: Vor 15 Jahren (Teil 1) - Jahresanfang 1992
Die Preßnitztalbahn begeht in diesem Jahr ihren 115. Geburtstag, rund acht Jahre davon gab es sie zwischenzeitlich de facto nicht mehr – aber bereits seit 15 Jahren ist sie als Museumsbahn aus dem Preßnitz- und Schwarzwassertal nicht mehr wegzudenken. Das Jahr 1992, das Jubiläumsjahr zum 100. Geburtstag, sollte das „Wendejahr“ für die tot geglaubte Schmalspurbahn werden, im Rückblick bleibt festzustellen, daß vor 15 Jahren der Grundstein für den Erfolg des Vereins beim totalen Neuaufbau der Eisenbahn und für die Außenwirkung der Preßnitztalbahn gelegt wurde – am Fundament freilich wurde schon länger gearbeitet.
Das Jahr 1991 endete mit dem Paukenschlag, daß dem Verein der Kauf von zwei Dampflokomotiven der sächsischen Gattung IV K gelungen war (siehe Beitrag im Preß´-Kurier 93, 6/2006, Seite 7-9). Doch noch war der Funke nicht in Jöhstadt angekommen – besonders für das „beobachtende Umfeld“ war noch nichts Wesentliches passiert – zumal sich auch die unzähligen Arbeiten im Lokschuppen, zur Beschaffungen von Gleisbaumaterial sowie organisatorischen Vorbereitungen kaum sichtbar auf die Anlagen in Jöhstadt auswirkte. Das sollte sich aber schlagartig ändern.
Rückkehr der ersten Dampflok nach 2918 Tagen
Am 10. Januar 1992 sorgte die Rückkehr der ersten Dampflokomotive nach 2918 Tagen auf der Transportstrecke von Wilischthal über Zschopau, Marienberg, Großrückerswalde, Arnsfeld, Steinbach und die Ankunft in Jöhstadt für große Aufmerksamkeit. Doch der größte „Ruck“ war durch den dadurch entstandenen Motivationsschub für die Vereinsmitglieder und Freunde der Bahn zu verzeichnen. Für die umfangreichen Aktivitäten am Bahnhofsgelände in Jöhstadt wurden an den folgenden Wochenenden viele tatkräftige Hände benötigt – mit der durch Mundpropaganda verbreiteten Information „Im Lokschuppen Jöhstadt steht wieder eine IV K!“ konnte ein enormer Zuwachs an aktiven Mitstreitern registriert werden.
Stand der Arbeiten
Noch im Herbst 1991 war mit der Neubau des Außenkanals vor dem Schuppenstand 2 begonnen worden, um 99 1568-7 in das Haus zu bekommen, mußte Anfang Januar noch ein Behelfsgleis errichtet werden. Im Lokschuppen waren die Arbeiten jedoch noch nicht fertig. Da ohne jegliche Bauplanung an die Sanierung des stark maroden Untersuchungskanals des Schuppengleises 1 gegangen worden war, wurde erst beim Aufbau der Holzbalken festgestellt, daß die Aufmauerung des Kanals zu hoch geraten war – also mußte, im Angesicht der auf dem Nebengleis stehenden IV K, ein Teil des Kanals wieder abgebrochen werden. Währenddessen liefen im Schuppenstand auf der anderen Seite der Lok Sandstrahlarbeiten an der Außenverkleidung des Gepäckwagens 974-331, der dann in den folgenden Wochen mit verschiedenen Farbschichten versehen wurde – rund 60 m reichte zu dieser Zeit das Gleis aus dem Stand 3.
Vor dem Lokschuppen und entlang des künftigen Bahnsteiggleises begannen zur gleichen Zeit Ende Februar 1992 umfangreiche Grabungsarbeiten zur Neuverlegung von Wasserleitungen, Stromkabeln, der Brauchwasserleitung zur Versorgung des Wasserkranes und Wasserstutzen im Lokschuppen sowie der Abwasserleitungen und Oberflächenentwässerung. Mit einer hohen Organisationsintensität konnten diese Leistungen ausschließlich durch Vereinsmitglieder innerhalb von vier Wochen abgeschlossen werden. Und während bereits gleichzeitig im Lokschuppen, an den Fahrzeugen sowie „in den Gräben“ gearbeitet wurde, liefen die Vorbereitungen für den Gleisbau an. Material mußte vorbereitet und an der Strecke ausgebracht und die Vermessung, Projektierung und Vermarkung der Gleistrasse mußten angeschoben werden. Am 25. April 1992 wurde dann das zweite Signal des Jahres gesetzt: „Der richtige Gleisbau hat begonnen!“
Realistische Meilensteine/Hohe Zielstellungen
Während noch im Sommer 1990 die „Utopisten“ von einem „Gesamtwiederaufbau“ und der „Aufnahme des Güterverkehrs zwischen Wolkenstein und Jöhstadt im Jahr 1992“ sprachen, bereits Fahrplanentwürfe und Personalbedarf ermittelt wurden, setzten sich zur Jahreshauptversammlung im Oktober 1990 die „Realisten“ durch – die Basis für den Erfolg des Projektes. Doch noch beinahe das gesamte Jahr 1991 verstrich mit den „Nachwehen“ an die ursprünglichen Ziele. Viel zerschlagenes Porzellan war zu kitten, viele interessierte, aber verprellte Förderer der Bahn mußten wiedergewonnen werden. Das Jahr 1992 brachte dabei die Trendwende. Doch ein Problem stand nun plötzlich sichtbar vor den Aktiven des Vereins. Zwar war der „Gesamtwiederaufbau“ erfolgreich zu den Akten gelegt worden, doch das Jahr 1992 sollte als 100. Geburtstag auch würdig begangen werden. Zeitdruck entstand – und der Zeitdruck half, den nötigen Schwung aufzubauen. Mit dem Erfolg des Kaufes der zwei Dampflokomotiven – und dem glücklichen Umstand, daß 99 1568-7 sogar betriebsfähig übernommen werden konnte, war plötzlich „echter Dampfbetrieb“ zur Jubiläumsfeier möglich. Doch wo? Mangels eigener Gleisanlage schien Jöhstadt ja kaum in Frage zu kommen! Aber das Jubiläum auf einer anderen Strecke zu feiern, schloß sich von selbst aus. Also mußten die Anlagen in Jöhstadt entstehen!
Organisationskraft à la Preßnitztalbahn
Mit der „richtigen Mischung“ unter den aktiven Vereinsmitgliedern*, die parallel und ohne generalstabsmäßige Koordination an verschiedenen Handlungssträngen der Geschichte operierten, wurde das Projekt „100-Jahr-Feier“ angegangen. Kurze Entscheidungswege, schnelle Organisation notwendiger Aktivitäten, paralleles Arbeiten und die Bereitschaft zur finanziellen und physischen Selbstausbeutung ließen in der Vorbereitung der Jubiläumsfeierlichkeiten zu Pfingsten 1992 fast wöchentlich deutlichen Fortschritt erkennen.
Intensive Kontakte wurden in dieser Zeit zu den verschiedensten Dienststellen der Deutschen Reichsbahn geknüpft – egal ob sie für den vorgesehenen Streckenbau (Bahnmeistereien, Brückenmeistereien), für die Fahrzeugunterhaltung (Ausbesserungswerke, Bahnbetriebswerke, Wagenmeisterposten) oder für die sonstige Ausgestaltung der Museumsbahn (Signal-/Fernmeldemeistereien, Fahrkartendruckerei, Archiv, Betriebsleitungen) sinnvoll waren oder nicht. Dieser „brancheninterne“ Bekanntheitsgrad half in den folgenden Monaten und Jahren über viele Probleme hinweg, viele dieser „Kontakte“ zählen heute noch zu den aktiven Unterstützern und Mitstreitern der Museumsbahn. Ein wesentlicher Vorteil dieser Anfangszeit war es, daß die gesamten Verwaltungsstrukturen im Landkreis, den neuen Regierungsbezirken sowie in der Landesverwaltung noch im Umbruch oder erst im Neuaufbau waren. Manche Entscheidung war dadurch schneller erreichbar, für (einige später unabwendbare) zustimmungspflichtige Vorhaben gab es schlicht noch keinen Zuständigen oder keine Grundlage. Was gab es 1992 „im Osten“ schon für ein Wissen über Sinn, Zweck und Gesetzesgrundlagen einer Privatbahn?
Bester Beleg dieses Standes waren im Herbst 1991 bei der zu diesem Zeitpunkt noch als „Staatliche Bahnaufsicht“ firmierenden Behörde (der späteren Landeseisenbahnaufsicht des Freistaates Sachsen) geführte Gespräche, eine Museumsbahn könnte doch auch als Karussellbetrieb genehmigt werden. Mit aktiver Unterstützung der Stadt Jöhstadt im Rücken konnten größere Aufwände für Schriftverkehr mit Behörden minimiert werden, ein Vorteil der bei der heute in der Geschäftsstelle des Vereins erforderlichen „Verwaltungsbürokratie“ nicht hoch genug gewürdigt werden kann. Auch die Zusammenarbeit mit anderen Vereinen wurde hier begründet, gemeinsam mit der IG Weißeritztalbahn e.V. wurden Veranstaltungen zwischen Freital-Hainsberg und Kurort Kipsdorf realisiert und die Kooperation bei Fahrzeugprojekten begonnen. Mit der „Dampfbahn Fränkische Schweiz“ und dem Deutschen Dampflokomotiv-Museum in Neuenmarkt-Wirsberg wiederum kamen Vorbilder in das Sichtfeld, die viele Anregungen für den Verein und die Museumsbahn beisteuerten.
Öffentlichkeitswirksamkeit
Die heute schon als gesättigt anzusehende Schmalspurbahnszene in Sachsen war 1992 noch begierig nach Neuigkeiten und Erfolgsmeldungen. In einer Zeit, in der das Diskreditieren der Arbeitsleistung einer ganzen Generation bis zur gesellschaftlich akzeptierten Selbstzerfleischung täglich aufs Neue praktiziert wurde, wurden sichtbare Fortschritte beim Aufbau der Preßnitztalbahn von einer breiten Öffentlichkeit gern wahrgenommen. Öffentlich formulierte Zweifel, geringschätzige Abwertung des Vorhabens sorgten für die umgekehrte Wirkung – einen positiven Motivationsschub. Das Interesse am Wiederaufbau einer bereits abgebauten Eisenbahnstrecke im Osten Deutschlands sorgte über die ehemalige deutsch-deutsche Grenze hinaus für Aufmerksamkeit, gleichwohl die Lage „hinter den sieben Bergen“ auch ihre positiven Seiten zeigte. Jörg Müller
Schwerpunkte in den folgenden Teilen:
- Der Gleisbau hat begonnen
- 100-Jahr-Feier zu Pfingsten
- Erste Spendenaktion des Vereins
*) Im Beitrag ist ganz bewußt auf die Nennung von Namen der Protagonisten verzichtet worden. Zum einen dient dies der Übersichtlichkeit, denn viele der teils nur mit wenigen Worten benannten Aktivitäten würden eine ständige Wiederholung von Namen provozieren, andererseits ist eine Vollständigkeit nicht immer zu gewährleisten.
30.01.2007
weitere Artikel zum Thema:
- Preß'-Kurier 95 - Preßnitztalbahn-Meilensteine: Rückblick: Vor 15 Jahren (Teil 2) - April bis Juni 1992
- Preß'-Kurier 96 - Preßnitztalbahn-Meilensteine: Rückblick: Vor 15 Jahren (Teil 3) - Juni 1992 (Bahnhofsfest Pfingsten)
- Preß'-Kurier 97 - Preßnitztalbahn-Meilensteine: Rückblick: Vor 15 Jahren (Teil 4) - August 1992