Preßnitztalbahn-Meilensteine
Rückblick: Vor 15 Jahren (Teil 2) - April bis Juni 1992
Die Preßnitztalbahn begeht in diesem Jahr ihren 115. Geburtstag, rund acht Jahre davon gab es sie zwischenzeitlich de facto nicht mehr – aber bereits seit 15 Jahren ist sie als Museumsbahn aus dem Preßnitz- und Schwarzwassertal nicht mehr wegzudenken. Im Teil 2 unseres Rückblickes schauen wir auf das zweite Quartal des Jahres 1992:
Es geht bergab – der Gleisbau beginnt
Noch Anfang April sah es auf dem Gelände vor dem Lokschuppen ziemlich „wüst“ aus – Gräben für Rohrleitungen und Kabel zogen sich durch das Gelände. Um Wasserleitungen auch im Winter bei Frost noch nutzen zu können, mußten die Leitungen knapp 1,5 Meter tief in den Fels vergraben werden – danach hieß es, die Fläche wieder einzuebnen. Währenddessen wurde das Gelände, das heute jedes Jahr zu Pfingsten vom Festzelt genutzt wird, für die Schwellentaktstraße verwendet. Regelspurige Holzschwellen wurden hier auf Länge gesägt, alte Löcher verdübelt und Schienenunterlageplatten für die Spurweite 750 mm aufgeplattet. Mit einem Plattenwagen wurden die Schwellen auf dem Planum in Richtung Schlössel ausgelegt.
Am Sonnabend, dem 25. April 1992, war es dann soweit: Unter fachlicher Anleitung des damaligen Chefs der Bahnmeisterei Annaberg, Carsten Hunger, und seines Streckenmeisters begann der Gleisbau für die neue Preßnitztalbahn. K-Oberbau und S49-Schienenprofil stellten einen deutlichen Unterschied zum früher an der Strecke genutzten und auch für die bisherigen Behelfsgleise vor dem Lokschuppen verwendeten Oberbau dar. 18 Vereinsmitglieder schafften an den beiden Tagen des Wochenendes rund 300 Meter Gleis zu montieren – Schwellen im richtigen Abstand auszulegen, Schienen aufzusetzen, das Kleineisen zu setzen, montierte Gleisstücke auszurichten und zu verschrauben – und dies unter Einsatz von technischen Hilfsmitteln, wie sie aus den ausgegliederten Beständen der Deutschen Reichsbahn zu bekommen waren: Handsteckschrauber, urige Bügelsägen und historische Bohrmaschinen.
Schnell machte sich der Unterschied von S49 gegenüber dem deutlich leichteren S33- oder Va-Schienenprofil beim Verbau bemerkbar. Heben kann man eine 15 Meter lange Schiene nur mit mindestens sechs „Zangenpärchen“ – jeweils zwei Mann fassen dabei an einer Schienenzange an, zu Richten ist das Gleis nur, wenn noch nicht alle Kleineisen verspannt sind. Weisheiten, die nach acht Kilometer Streckenbau lächerlich klingen.
Auf den ersten Metern waren jedoch alle Vereinsmitglieder noch blutige Laien. Blutige Hände, gequetschte Finger und geplättete Füße waren dann nur die logische Folge. Aber es ging endlich bergab!
Eine schnelle Erkenntnis brachten die ersten Gleisbaueinsätze jedoch bei allen Beteiligten: Alle Zielstellungen eines „Gesamtwiederaufbaus“ wurden ad absurdum geführt, wenn man den realen Baufortschritt der ersten Bauwochenenden betrachtete. Denn die Gleismontage war nur der „finale Schritt“, der tatsächlich sichtbare Ergebnisse brachte. Das zu verbauende Material mußte geborgen, herangeschafft, umgearbeitet und an die Strecke gebracht werden. Dies blieb zeitaufwendig, auch als später modernere Hilfsmittel zum Einsatz kommen sollten. Bis zum Pfingstfest Ende Mai blieben nur noch wenige Wochen. Die ersten 200 verlegten Meter Schienen wurden in dieser Zeit übrigens zur Herstellung eines ordentlichen Parallelstoßes und ordentlich geschnittener Stoßlücken noch einmal komplett neu montiert. Mitte Mai erging ein Baustop für die ersten Bauaktionen am Streckengleis. Schließlich sollte sich zu Pfingsten wieder eine Lok auf dem Jöhstädter Bahnhofsgelände bewegen können.
Der Gleisplan für das nach Errichtung des Neubaublockes 1987 verbliebene nutzbare Areal vor dem Lokschuppen zielte darauf ab, eine optisch attraktive Gleislage zu errichten – daß sich dies später als eisenbahnbetriebliches Handicap herausstellen sollte, ahnte 1992 noch niemand. Zunächst galt es, die beiden Schuppenstände 1 und 2 über eine Weichenverbindung miteinander zu verbinden, um so auch etwas „Streckenlänge“ für Führerstandsmitfahrten bieten zu können. Während sich am 17. Mai das Planum noch in ziemlich unebenem Zustand befand, erfolgte wenige Tage später der Einbau der Weichen mittels Autokran. Danach begann die Gleismontage zwischen den Weichen – nach den ersten Übungsmetern an der Strecke ging der Gleisbau hier mit S33-Schienenprofil und Länderbahnoberbau, teilweise sogar genagelt, geradezu spielend voran.
In der Woche vor Pfingsten 1992 wurde das Gleis eingeschottert und noch einen Tag vor dem Fest zur 100-Jahr-Feier der Strecke und der „offiziellen Rückkehr der Eisenbahn“ standen zahlreiche Vereinsmitglieder und Freunde mit Vibrostopfer und Schottergabel im Gleis. Etwa 150 Meter Gleis standen der 99 1568-7 und rund 7500 Besuchern zum 100. Jubiläum der Strecke zur Verfügung.
Andere Baustellen – gleiche Ziele
Viele Aktionen gleichzeitig zu bestreiten, das wurde schnell zu einem besonderen Merkmal der Interessengemeinschaft Preßnitztalbahn. Auch während in Jöhstadt bereits erste Gleisanlagen sichtbar wurden, konnten an anderen Stellen weitere Materialien geborgen werden. Auch ohne generalstabsmäßige Planung wurden wichtige Bauteile, Ersatzteile für Fahrzeuge, Gleisbaumaterial, Werkzeuge und Ausrüstungen gewonnen und dienten damit dem gleichen Ziel. Arbeitseinsätze an der Schmalspurbahn Cranzahl – Oberwiesenthal dienten einerseits der Unterstützung der Bahnmeisterei, die Streckensperrung bei der Sanierung von Gleisabschnitten zu verkürzen – gleichzeitig der Gewinnung von altbrauchbarem Schwellen- und Schienenmaterial. Auch entlang der alten Preßnitztalbahn wurden bei mehreren „Sammelfahrten“ noch Reststücke von Schienen und einzelne Schwellen eingesammelt – jede Schwelle brachte das Ziel etwa 70 cm näher.
Erste Spendenaktion des Vereins
Ende 1991 startete der Verein die erste große Spendenaktion. Für die betriebsfähige Aufarbeitung der vereinseigenen IV K 99 1542-2 im Reichsbahnausbesserungswerk Görlitz wurden erstmals vorgedruckte Spendenzertifikate im Wert von 100 DM ausgegeben. Die namentlich registrierten numerierten „Anteilsscheine“ sollten einen Teil der auflaufenden Kosten für die Hauptuntersuchung decken – 2000 Anteilsscheine wurden gedruckt, etwa 300 Stück wurden ausgehändigt (manche mit einer Wunsch-Nummer, wie zum Beispiel der „1542“ waren natürlich besonders begehrt) und stellen heute für viele eine deutlich höherwertige Erinnerung dar. Der Rest wurde später im Reißwolf untergebracht.
Im Unterschied zu den letzten Spendenaktionen des Vereins, bei denen insbesondere der „Preß´-Kurier“ sowie größere Mengen „Spendenaufrufe“ für die notwendige Bekanntheit unter den Eisenbahnfreunden sorgen, war die erste Aktion noch weitgehend auf „Mundpropaganda“ angewiesen. Ein Aufruf im PK 3 (Dezember 1991) war die einzige veröffentliche Information – der „Rest“ Öffentlichkeit wurde im persönlichen Gespräch hergestellt. Auch der künftige Bahnhof Steinbach konnte 1992 zum Pfingstfest erstmals von Besuchern besichtigt werden.
Die 100-Jahr-Feier – Aufstieg aus dem Nichts
Das Pfingstfest 1992 brachte die entscheidende Wende für den Verein und für das Wiederaufbauprojekt insgesamt. Bisher waren alle Aktionen der Interessengemeinschaft von Außenstehenden eher belächelt und abwertend als Hobbyspinnerei abgetan worden – mit den vor der ehemaligen Lokschuppenruine pendelnden Lokomotiven 99 1568-7 des Vereins und der HF130C von Rainer Wiegand (als 199 002 bezeichnet) und dem großen Zuspruch der Bevölkerung standen nun auch die Regionalpolitiker in der Pflicht. Aufopferungsvoll organisierten die Vereinsmitglieder eine einmalige Veranstaltung. Wo wenige Tage vorher noch wildes Chaos herrschte, zeichnete sich bereits ein System ab, das auch später beim Aufbau der Gleisanlagen immer Leitlinie war: Anschauenswerte ordentliche Anlagen, die zwar sichtbar noch im Aufbau, aber deshalb längst nicht als Baustelle gestaltet waren. Als richtiger Magnet wirkte natürlich neben den sich gegenüber heute bescheiden ansehenden Gleisanlagen das große Festzelt, das zum Markenzeichen der Pfingstfeste bei der Preßnitztalbahn werden sollte. Großes Unterhaltungsprogramm mit kulinarischer Versorgung, Disko und Live-Band gehörten 1992 im Umland noch nicht zum Standard.
Nachwirkungen
Die Resonanz der 100-Jahr-Feier und der Widerhall in der Berichterstattung der Eisenbahnpresse (nicht immer positiv!) sorgten für einen weiteren Zuspruch für den Verein und ein Anwachsen der aktiven und der fördernden Mitglieder. Auch wenn Anfang Juni 1992 noch keine „richtige Eisenbahn“ in Jöhstadt präsentiert werden konnte, war der Anfang getan. Die Eigendynamik des Projektes begann nun so richtig zu wirken.
30.03.2007