Schmalspurbahn-Geschichte
Zum Jubiläum „Zehn Jahre RüBB“
Am 18. März wurde im Rahmen einer kleinen Veranstaltung gemeinsam mit geladenen Gästen und damals wie heute mitwirkenden Beschäftigten an die mittlerweile zehnjährige Präsenz der PRESS als Dienstleister im Schienenpersonennahverkehr auf der Insel Rügen erinnert. Die kurzen Redebeiträge ließen die besonderen Umstände bei der erschwerten Betriebsaufnahme mit von anderen Schmalspurstrecken geliehenen Fahrzeugen sowie überwiegend sächsischem Personal nochmals lebendig werden. Der Festsonderzug verkehrte von Göhren nach Binz und zurück, dabei auf der Hinfahrt in historischer Fahrplanlage wie am 18. März 2008 (vgl. Übergangsfahrplan diese Seite unten rechts) mit Abfahrt 13.34 Uhr ab Göhren (Rügen). Die Lok 99 4632-8 wurde anlassbezogen im Bereich der Rauchkammertür geschmückt, den DR-Traditionszug.
Organisation
Die Grundsätzlichkeit der erforderlichen Anstrengungen in der Anfangszeit ist heute bereits vielfach in Vergessenheit geraten. Ein pünktlicher Start nach erfolgter Vergabe im Ergebnis der Ausschreibung zum 1. Januar 2008 war aus verschiedenen Gründen nicht möglich, Fahrzeuge und Infrastruktur wurden nicht stichtagsbezogen vom Vorbetreiber an den Landkreis Rügen als Eigentümer übergeben. Die Fahrzeuge waren vom Vorbetreiber zum Großteil nicht mehr innerhalb der gesetzlichen Fristen instandgehalten worden. Bereits mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern vereinbarte Gleisbau-Investitionen waren zurückgestellt. Auch das Betriebspersonal vor Ort stand nicht gleich zur Verfügung, der mit der Ausschreibung eigentlich vorgesehene Betriebsübergang für die Mitarbeiter nach § 613a BGB verzögerte sich um Monate. Zitat aus dem ersten Fahrplanflyer im Sommer 2008: Seit Frühjahr 2008 betreibt die Rügensche BäderBahn (RüBB) als Zweigniederlassung der PRESS die Strecke nach gewonnener Ausschreibung und setzt mit ihrem engagierten Team alles daran, dass der Rasende Roland in eine gesicherte Zukunft fährt und auch künftig Touristen und Besucher erfreut. Daher musste die PRESS am Anfang in vielen Bereichen improvisieren und konnte nur schrittweise im Rahmen des sogenannten Übergangsbetriebes mit ihren Aktivitäten starten. Wegen des vom Vorbetreiber nicht geräumten Verwaltungsgebäudes in Putbus wurde kurzfristig Göhren (mit neu vergebener Adresse „Bahnhofstraße 1a“) zum Sitz der Zweigniederlassung. Hinter der Anschrift Bahnhofstraße 1a verbirgt sich der dortige Lokschuppen, welcher sich vor zehn Jahren allerdings noch in einem massiv schlechten Zustand befand, vor allem im Vergleich zum Ergebnis der vor vier Jahren abgeschlossenen vollständigen Sanierung. Zur Herstellung der Nutzbarkeit der Büro- und Sozialräume im Lokschuppen erfolgten in den zehn Tagen vor Betriebsaufnahme diverse Renovierungsarbeiten sowie der teilweise Austausch von Fenstern. Das Personal nutzte anfangs auch örtliche Hotels zum Übernachten. Bei der Suche nach geeigneten Büros wurde die PRESS mit Unterstützung des Landkreises Rügen alsbald in Bergen fündig und konnte unkompliziert in der Gartenstraße 5 passende und der notwendigen Organisation des Gesamtbetriebs geschuldete Räumlichkeiten anmieten.
Betriebsablauf
Das Jahr 2008 begann für die Schmalspurbahn „Rasender Roland“ zunächst unter keinem guten Stern. Es vergingen 77 Tage, an denen kein Kleinbahnzug über die Insel dampfte. Zu dieser Zeit wurden vielerorts von Politikern und Akteuren Versprechungen gemacht, an die sich hinterher mancher nicht mehr so recht erinnern wollte. Die Wiederaufnahme des Zugverkehrs erfolge dann in Etappen:
- vom 18. März bis 25. April 2008 – Einzugbetrieb zwischen Binz und Göhren,
- vom 26. April bis 6. Juni 2008 – Zweizugbetrieb zwischen Putbus und Göhren,
- ab 7. Juni 2008 – Dreizugbetrieb zwischen Putbus und Göhren mit zusätzlichen Fahrten zwischen Binz und Göhren. Am 1. Juni 2008 übernahm die RüBB zudem die Betriebsführung für die Eisenbahninfrastruktur Putbus LB – Göhren, die zugehörige Konzession wurde Ende Mai erteilt. Weiterhin konnten ab dem gleichen Tag die Fahrgäste auch das Kombiticket-Angebot „Mit Wasser & Dampf durchs Mönchgut“ nutzen. Zusammen mit der Weißen Flotte wurde hier der Grundstein für eine bis heute erfolgreiche Zusammenarbeit im touristischen Bereich gelegt. Die RüBB-Züge nach Lauterbach Mole verkehrten aber insbesondere aufgrund der angespannten Fahrzeugsituation noch nicht, die Kombiticket-Fahrgäste nutzten insoweit einen eigens eingerichteten ortsinternen Busshuttle. Weitere Schlaglichter aus dem RüBB-Alltag – die drei Fahrkartenausgaben in Binz LB, Göhren und Putbus LB sowie die zusätzliche Fahrkartenverkaufsstelle in Sellin Ost waren bis in den Spätsommer sehr gut genutzt. Die Mengen der verteilten RüBB-Flyer sorgten in der Anfangszeit teilweise für Erstaunen, besonders was den Sommer-Fahrplan betraf.
Fahrzeugeinsatz zur Betriebsübernahme
Wie geschildert, leisteten die SOEG Zittau, die SDG Fichtelbergbahn und die IGP Jöhstadt für den Betriebsanlauf umfassende Fahrzeughilfe, zwei komplette Zuggarnituren wurden dafür aus Sachsen per Straßentieflader herangebracht. Die Lok 99 1773-3 von der Fichtelbergbahn war bis zum 29. September 2008 im Einsatz, die Lok 99 1787-3 von der Zittauer Schmalspurbahn hingegen bis zum Ende der Hauptsaison am 4. Oktober 2008. Im Göhrener Umlauf fuhr dabei bis zum Schluss der Leihfahrzeugperiode ein sächsischer Wagenpark, lediglich der Gepäckwagen 974-378 aus Jöhstadt hatte bereits Anfang September 2008 die Insel verlassen. Dafür bereichert seit Mitte Oktober 2008 mit der ehemaligen Lok 7 der Mansfelder Bergwerksbahn ein Lokneuzugang den RüBB-Fahrzeugpark, der hier als 99 4011-5 bezeichnet wurde, ob seines wuchtigen Aussehens gegenüber den Rügener Kleinbahnloks bei den Personalen auch „Panzer“ genannt. Die Maschine wurde seinerzeit im Betriebsdienst dringend benötigt und ist bis heute auf den Schmalspurbahngleisen unterwegs, sie unterstützt die Neubaulokomotiven im anspruchsvollen 3-Zug-Sommerbetrieb.
Sanierung der Infrastruktur und Fahrzeuge
Rückblickend hat sich in den vergangenen zehn Jahren vieles zum Positiven verändert, die Aufzählung reicht vom Neubau des Stationsgebäudes in Sellin Ost über den Infrastrukturausbau im Abschnitt von Sellin Ost (ausschließlich) bis nach Göhren mit vollkommenem Neubau der Gleise, Bahnsteige und Zuwegungen sowie den dortigen Lokbehandlungsanlagen. Die Sanierung des Lokschuppens in Göhren sei dabei nicht vergessen, bis hin zu verschiedensten Arbeiten in allen Bereichen der Stationen und des jeweiligen Umfeldes. Das Empfangsgebäude in Putbus erwarb die PRESS von der Deutschen Bahn AG und baute es danach schrittweise mustergültig aus. Mit der Wiederinbetriebnahme der rekonstruierten und freundlich gestalteten Bahnhofsgaststätte zum Jubiläum im März 2018 fanden diese Arbeiten einen würdigen Höhepunkt. Die Lokomotiven und der Wagenpark des „Rasenden Roland“ wurden nach und nach grundhaft aufgearbeitet. Neben dem Rü.K.B.-Traditionszug ist inzwischen auch ein DR-Pendant entstanden, die historischen Fahrzeuge erfreuen sich nicht nur bei Sonderfahrten großer Beliebtheit. Das konstruktive Zusammenwirken mit dem Förderverein zur Erhaltung der Rügenschen Kleinbahnen e. V. bereichert wiederum speziell das Thema Eisenbahntraditionspflege. Aus dem Denkmalzug mit abgestellten Exponaten entsteht nach und nach ein betriebsfähiger Traditionszug im Stil der Rügener Nordstrecke mit Lok 99 4652 und immer mehr zweiachsigen Reisezugwagen.
Vorausblick
Andere Baustellen befinden sich dagegen weiterhin in Arbeit. Die größte Herausforderung ist dabei der Bau einer neuen Werkstatt in Putbus in Bauträgerschaft durch den Landkreis. Dazu durchlief die PRESS bereits einen langwierigen Prozess, die Weichen für eine Projektumsetzung sind aber mittlerweile gestellt. Aber auch andere Unzulänglichkeiten, wie der mittlerweile erforderliche behelfsweise Fahrkartenverkauf am Binzer Kleinbahnhof aus einem Container heraus oder die deutliche Verzögerung bei den Bauarbeiten am Stationsgebäude Baabe sind noch zu klären. Darüber hinaus stehen für die Zukunft natürlich noch weitere Aufgaben an, über die zu gegebener Zeit berichtet wird. Die RüBB versteht sich dabei als „Komplettdienstleister“ im Kontext der Anforderungen aus dem Verkehrsvertrag an ein attraktives SPNV-Angebot einerseits und der Rolle des umfassenden Kümmerers aus dem Fahrzeugleihvertrag sowie Pachtvertrag für die Infrastruktur andererseits. Daher ist davon auszugehen, dass auch die nächsten zehn Jahre auf Rügen nicht langweilig werden. Das Hauptaugenmerk richtet die PRESS auf zufriedene Fahrgäste, die in ihren Reisen hauptsächlich eine Erholung von der hektischen Zeit suchen, und daraus abgeleitet auch auf eine weiterhin positive Entwicklung der Reisendenzahlen. Die Voraussetzungen für die Fahrt in eine gesicherte Zukunft wurden geschaffen!
Fazit
Der Markenname „Rasender Roland“ steht seit zehn Jahren wieder für ein ganz besonderes Reiseerlebnis, welches Urlauber und Besucher gleichermaßen erfreut und inselweit eine touristische Attraktion ersten Ranges darstellt.
09.04.2018