Schmalspur- und Museumsbahn-Nachrichten
Museumsbahnen in Russland
Sensationelle Bergungen für „Kindereisenbahn Swerdlowsk“ in Jekaterinburg
Seitdem sich die im Mai 2014 von der MaLoWa Bahnwerkstatt GmbH ins russische Jekaterinburg verkaufte Lok 9 (Dh2t, O & K 1931) der Mansfelder Bergwerksbahn östlich des Urals befindet, steht die dort als „Kindereisenbahn Swerdlowsk“ betriebene 750-mm-Bahn im Fokus deutscher Eisenbahnfreunde. In den vergangenen Wochen und Monaten machte die dortige Kindereisenbahn und das angegliederte Schmalspurbahnmuseum Jekaterinburg mit mehreren sensationellen Fahrzeugbergungen auf sich aufmerksam, über die hier erstmals in Deutschland berichtet wird.
Jung-Diesellok aus Stalingrad/Wolgograd
Beim aktuellsten Neuzugang handelt es sich um eine im Jahr 1932 von der Lokomotivfabrik Arnold Jung in Jungenthal bei Kirchen an der Sieg gebaute dreiachsige Diesellok vom Typ MSZ 161, die im September 1932 über die Russische Handelsvertretung in Berlin zu den Hüttenwerken „Roter Oktober“ nach Stalingrad (heute Wolgograd) gelangte. Die dieselmechanische Maschine mit 800 mm Spurmaß überdauerte dort den Zweiten Weltkrieg und stand zuletzt viele Jahrzehnte auf dem Gelände einer örtlichen Militäreinheit. Nach siebenjährigen Verhandlungen kam die C-dm nun Ende Januar 2018 mit einer Kipplore ins Schmalspurbahnmuseum Jekaterinburg. Dort gibt es die Möglichkeiten zur Restaurierung der Lokomotive und genügend Ausstellungsfläche, um die Lok in absehbarer Zeit der Öffentlichkeit zu präsentieren. Für an deutschen Heeresfeldbahnen interessierte Eisenbahnfreunde gab es im Herbst 2017 eine Sensation.
„Kurzer“ HF-Personenwagen von 1940
Die Kindereisenbahn Swerdlowsk barg am 30. Oktober 2017 in einem Militärgelände bei St. Petersburg unter anderem den Kasten eines 1940 von der Waggon- und Maschinenfabrik AG vorm. Busch in Bautzen für die Heeresfeldbahnen gebauten Personenwagens (Spurmaß 750 mm). Dabei handelt es sich um einen Wagen der „kurzen“ HF-Bauart mit 11,20 m Länge. Die im Jahr 1943 gebaute „lange“ Bauart (Länge 14,60 m) basierte auf den von 1929 bis 1932 für die RBD Dresden gebauten Einheitswagen. Die für Reisezug- und Güterwagen der RBD Dresden von 1929 bis 1938 beschafften Pressrahmendrehgestelle kamen sowohl unter den „kurzen“ als auch unter den „langen“ HF-Wagen zum Einsatz. Von beiden Wagenbauarten sind in Deutschland und Österreich keine Exemplare im Originalzustand mehr vorhanden. Der einzige 1949 zur DR gekommene „lange“ HF-Wagen – im Netz Dahme von der Rbd Berlin ab 1958 als 970-222 geführt – wurde 1964 an den VEB Braunkohlenkombinat Lauchhammer verkauft und ist nachweislich inzwischen längst verschrottet. Der nun bei St. Petersburg geborgene Kasten war seit den 1990er Jahren in Russland bekannt, deutsche Anschriften sind an ihm bisher nicht gefunden worden. Die Kindereisenbahn Swerdlowsk strebt eine betriebsfähige Aufarbeitung des HF-Wagens an. Die Inneneinrichtung des HF-Wagens erfuhr in der Sowjetunion mehrere Umbauten, dennoch ist die ursprüngliche Sitzposition nachvollziehbar – mehrere originale Sitzbänke sind vorhanden. Zur Restaurierung sucht die Kindereisenbahn nun Informationen über verwendete Lampen, Lüfterbauformen und weitere Details. Da die Unterlagen zum Bau der kurzen und langen HF-Wagen – Ironie der Geschichte – nach 1945 von der sowjetischen Besatzungsmacht in Bautzen beschlagnahmt und an einen unbekannten Ort in die Sowjetunion gebracht worden, sind derzeit keine technischen Zeichnungen von diesen Fahrzeugen bekannt. Nun hoffen die Russen, aber auch an diesen Typen interessierte deutsche Eisenbahnfreunde, auf Hinweise von Wehrmachtsangehörigen und von Reisenden aus Österreich, die in derartigen Wagen noch selbst gefahren sind. Zum Ansprechpartner in Deutschland hat sich dafür André Marks in Dresden bereiterklärt, der unter der Adresse andre.marks@gmx.de und der Telefonnummer (+49)351/26 66 33 05 erreichbar ist.
Weitere Bergungen
Auf dem Militärgelände bei St. Petersburg barg die Kindereisenbahn Swerdlowsk im Herbst 2017 außerdem den Kasten eines unbekannten lettischen Personenwagens mit offenen Perrons ohne Rahmen. Der Holzaufbau verfügt über 4210 mm Kastenlänge, 1850 mm Breite und drei Fenster pro Seitenwand. Er fuhr einst auf 600-mm-Gleisen. Neben den Kästen des HF-Personenwagens und des lettischen Personenwagens durfte die Kindereisenbahn Swerdlowsk im Herbst 2017 auf dem Gelände bei St. Petersburg auch noch den Kasten eines gedeckten Güterwagens mit Rahmen und einen rahmenlosen Kasten eines gedeckten Güterwagens bergen. Zur Identität beider Fahrzeuge gibt es bisher aber keine Angaben. Die Eisenbahnfreunde in Jekaterinburg haben für die Ursprünge dieser Wagen bisher zwei Hypothesen: a) Es könnte sich um Fahrzeuge der Niederlassungen Warschau oder St. Petersburg der Firma Arthur Koppel für eine nichtöffentliche Schmalspurbahn in Russland oder im Baltikum handeln – bzw. b) es sind von deutschen Kleinbahnen stammende Wagen – womöglich aus dem 1945 an Russland gefallenen Ostpreußen. Die Bergungen der vergangenen Monate lassen darauf hoffen, dass in Russlands weitere deutsche Fahrzeuge überdauert haben.
Anmerkung: Weitere Aufnahmen dieser Bergungen erscheinen demnächst in der Zeitschrift „Eisenbahn-Kurier“.
12.02.2018