Verkehrs-Geschichte
Liebstadt – die einzige sächsische Stadt, die nie einen Bahnanschluss besaß!?
Der im nach Pirna führenden Seidewitztal liegende Ort Liebstadt war die einzige sächsische Stadt, die nie einen Eisenbahnanschluss besaß. So steht es zumindest oft in der Literatur über die sächsischen Eisenbahnen geschrieben. Doch hier sei jetzt nicht darüber philosophiert, ob durch die Stationsnamen Hartenstein und Pockau-Lengefeld die Städte Hartenstein und Lengefeld tatsächlich einen Eisenbahnanschluss besaßen und auch nicht darüber, ob der im Personen- wie auch Güterverkehr genutzte Straßenbahnanschluss von Oberlungwitz (im Jahr 1936 zur Stadt erhoben) als Eisenbahnanschluss gilt oder nicht. Vielmehr zeigt dieser Bericht auf, dass Liebstadt beinahe doch einen Bahnhof bekommen hätte – und das kam so: Am 17. November 1890 weihten die Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen (K. Sächs.Sts. E. B.) die schmalspurige Sekundärbahn Mügeln b. Pirna – Geising-Altenberg feierlich ein. Zu den Stationen der MG-Linie gehörte Oberschlottwitz. Wie der „Bote von Geising“ Mitte Oktober 1890 berichtete, lag die Haltestelle nur vier Kilometer von der Stadt Liebstadt entfernt. Damit verkürzte sich die Distanz von Liebstadt zu einem Bahnhof immerhin von 15 km bis Pirna auf die bereits erwähnten vier Kilometer nach Oberschlottwitz. Die 10 km von Liebstadt zum im Jahr 1880 eröffneten Bahnhof Berggießhübel fanden keine Berücksichtigung, da die Fuhrwerke auf diesem Weg über Borna und Gersdorf hätten zwei Bergrücken bewältigen müssen. Im Geisinger Ortsblatt hieß es im Oktober 1890 weiter: „Auch die Orte Berthelsdorf, Seitenhain, Döbra und Waltersdorf profitieren von der Station Oberschlottwitz“. Doch das waren nicht die Gründe, weshalb diese Station beinahe den Namen „Liebstadt“ bekommen hätte. Vielmehr befand sich die Station Oberschlottwitz auf der Flur von Liebstadt! Deshalb forderte die Stadtverwaltung dafür auch den Namen Liebstadt. Doch die K. Sächs. Sts. E. B. lehnten dieses Ansinnen ab, schließlich liege der Bahnhof im Ort Schlottwitz, so die Begründung. Zudem bestünde die Möglichkeit, dass der Name Liebstadt für Reisende zu einem Missverständnis führen könnte, da nicht auszuschließen sei, dass Reisende tatsächlich annahmen, dass sie mit der Bahn bis zur Stadt Liebstadt fahren könnten, hieß es im „Boten von Geising“ weiter. Somit blieb Liebstadt die einzige sächsische Stadt, die weder einen Eisenbahnanschluss noch eine nach ihr benannte Eisenbahnstation bekam. Übrigens konkurrierte Liebstadt viele Jahre mit Jöhstadt und Bärenstein bei Glashütte um den Status als „kleinste Stadt Sachsens“ … Aktuell wird über die Verlegung des Haltepunktes Oberschlottwitz beraten. Dieser könnte nach Plänen des Verkehrsverbundes Oberelbe (VVO) um etwa 800 m talwärts an den Bahnübergang am Streckenkilometer 14,7 verlegt werden. Dies würde eine Fahrzeitreduzierung von einer halben Minute pro Zug sowie einen barrierefreien Zugang ermöglichen.
Verwendete Quelle:
Chronik Heinz Schwarzer
Das Gegenbeispiel Bahnhof Wolkenstein
Gelang es der Stadtverwaltung Liebstadt im Jahr 1890 nicht, bei der Generaldirektion der K. Sächs. Sts. E. B. den Stationsnamen „Liebstadt“ für den auf Liebstädter Flur im Müglitztal errichteten Bahnhof Oberschlottwitz durchzusetzen, so unterlag beim Bau der Zschopautalbahn von Annaberg(-Buchholz) nach Flöha die bis 1999 selbstständige Gemeinde Schönbrunn. Die damals zuständige Direktion der Königlich Westsächsischen Staatseisenbahnen in Leipzig entschied, dass der Bahnhof an der am 1. Februar 1866 eröffneten Hauptstrecke durch das Zschopautal den Namen Wolkenstein erhält, dessen Flur wenige Meter flussabwärts – bzw. auf der anderen Flussseite beginnt. Anderenfalls hätte die Pfingsten 1892 eröffnete Preßnitztalbahn übrigens den Namen Schönbrunn – Jöhstadt getragen … Ähnlich war es mit den im vorangegangenen Beitrag erwähnten Bahnhöfen Pockau-Lengefeld und Hartenstein: Die Stadt Lengefeld gab ihren Namen für den Bahnhof Pockau auf Pockauer Flur dazu; der Bahnhof der weit oberhalb der Mulde liegenden Stadt Hartenstein befand sich bis 1933 in der Gemeinde Stein, die seit 1934 zu Hartenstein gehört.
12.02.2018