Schmalspurbahnen in Europa
Auf Bosnischer Spur (Teil 2)
Auf nach Serbien: Šarganer Acht
Eine Woche „Balkandampf“ sollte Ende Oktober 2014 geschnuppert werden – die letzten täglich im Plandienst eingesetzten Regelspurdampflokomotiven vor Güterzügen und schmalspurigen Werkbahndampfloks Europas lockten nach Bosnien-Herzegowina. Unser Reiseveranstalter und -führer, der Schweizer „Migu“ Schneeberger, holte uns dazu vom Flughafen in Sarajevo ab. Gerade angekommen, wollen wir zunächst Bosnien-Herzegowina verlassen und nach Serbien fahren, wo in den vergangenen Jahren von Mokra Gora aus die Fortsetzung der einstigen Bosnischen Ostbahn zum Šarganpass auf über 15 Kilometern als Museumsbahn wieder aufgebaut wurde. Eindrucksvoll windet sich die Strecke dort aus dem Tal und beschreibt – durch Tunnel und über Brücken führend – eine Acht. Aber es gibt schlechte Nachrichten für uns Dampffreunde: Die dort eingesetzte Dampflok der jugoslawischen Reihe 83 ist kaputt. So erwartet uns der Museumszug mit einer der vier hier vorhandenen rumänischen Dieselloks vom Typ L45H. Den serbischen Touristen scheint das egal zu sein, denn der Zug ist gut gefüllt. Auch ich könnte mich etwas wie zu Hause fühlen, wenn da nicht die ungewohnt andere, atemberaubende Landschaft wäre. Eine erste Begegnung mit streckentypischen, wenn auch kalten Dampflokomotiven gibt es nach Durchfahrt des 1667 m langen Scheiteltunnels am Endpunkt der Museumsstrecke in Šargan Vitasi. 83-173 (Đuro Đaković 1949) steht im Freien unter einem Dach mit der ČKD-Lok 25-27. Die nicht einsatzfähige 83-052 (Jung 1926) ist nach (prä-)sozialistischer Manier unzugänglich im sechsständigen Schuppen abgestellt. Von Mokra Gora aus wurde die Strecke aber auch auf 28 km über die Grenze bis ins bosnische Višegrad wieder aufgebaut. Diese zur Bosnischen Ostbahn gehörende Strecke wurde 1978 eingestellt und am 27. August 2010 mit viel politischer Prominenz wiedereröffnet. Auf einen regelmäßigen touristischen Betrieb wartet man seither jedoch vergebens. Inzwischen soll die Strecke sogar wegen Oberbaumängeln gesperrt sein. Aber auch in Richtung Belgrad gibt es Wiederaufbaupläne für die Schmalspurbahn mit 760 mm Spurweite – die Strecke reicht bereits über das Gleisdreieck hinter dem Bahnhof Šargan Vitasi hinaus. Der Wiederaufbau der Bahn war in Serbien nicht Sache eines Vereins oder von Eisenbahnfreunden – er ist zentraler Bestandteil des Tourismuskonzeptes des Landes. Deshalb ist auch die serbische Staatsbahn ŽS Betreiber der Strecke. Uns zieht es auch weiter, denn wir wollen in Bosnien betriebsfähige Dampfloks besuchen, konkret die letzten noch täglich arbeitenden Loks der Reihe 83 auf der Kohlenbahn Banovići.
Die jugoslawische Reihe 83
Was für die sächsischen Schmalspurbahnen die Gattung IV K ist, stellt in Bosnien die Reihe 83 dar: 185 Stück wurden von 1903 bis 1953 gebaut, wobei vier Lokomotivhersteller beteiligt waren. Die Konstruktion, welche die Bosnisch-Herzegowinischen Staatsbahnen als Klasse IVa5 führten, war zunächst eine Zweizylinder-Nassdampflokomotivtype; die ab 1909 gebauten Exemplare verließen jedoch als Heißdampfmaschinen die Werkstore. Dadurch steigerte sich die Leistung von 350 auf 400 PS. Die Lokomotiven mit der Achsfolge D1´ sind mit einem zweiachsigen Tender ausgerüstet. Neben Krauss in Linz und der Maschinenfabrik Budapest (MÁVAG) stellte die deutsche Lokomotivfabrik Arnold Jung und nach dem 2. Weltkrieg der jugoslawische Hersteller Đuro Đaković sowie abermals die MÁVAG diese Lokomotiven her.
Als Besonderheit gelten die sechs in Ungarn auf Meterspur umgebauten Maschinen, die bis in die 1980er Jahre auf einer Werkbahn in Ostungarn fuhren. Obwohl die jugoslawische 83 eine ursprünglich österreichische Konstruktion ist, kam die erste Lokomotive dieser Reihe erst nach der Stilllegung der Schmalspurbahnen in Bosnien-Herzegowina nach Österreich. Heute ist je eine dieser Maschinen auf der Zillertalbahn und der Feistritztalbahn im Einsatz.
Kohlenbahn Banovići
Zwei auf einen Streich: 83-158 und 83-159, beide 1948 von Đuro Đaković gebaut, sonnen sich im Schmalspurteil der Station Banovići – der Seperation Oskova. Erstere steht für uns bereit und wird gleich mit einem Leerzug aus Selbstentladewagen die zweigleisige Strecke bergauf fahren. Für den Museums- und Touristikbahnen verwöhnten Eisenbahnfotografen befinden sich beide Loks in einem ungewohnten, vor Dreck strotzenden Zustand. Man könnte es authentisch nennen, aber nein, es ist hier einfach echt! Und bei aller Freude über regen Dampflokbetrieb zu Hause in Deutschland: Es sieht richtig gut aus! Neben den beiden Dampfloks sind noch zwei Dieselloks der Reihe 740 zu sehen, die den Hauptteil der schweren Kohlenzüge fahren – die Dampfloks werden vorzugsweise an den Streckenenden eingesetzt, an denen die Kohlenzüge be- und entladen werden. Aber unsere Aufmerksamkeit gilt ganz klar der Traktionsart mit Dampf. Die derzeit ca. 8,5 km lange Strecke ist auf über 5 km zweigleisig ausgebaut. Der Oberbau ist robust und in sehr gutem Zustand – ganz im Gegenteil beispielsweise zu Waldbahnen in Rumänien. Mehrfach begegnen uns Streckenläufer und kleine Gleisbautrupps – in den Erhalt der Strecke wird also investiert. Trotzdem gibt es immer wieder Gerüchte, die Bahn werde durch eine große Förderbandanlage ersetzt. Doch so lange kein Investor und somit „zu viel“ Geld in Sicht ist, dürfte diese Bahn weiter bestehen.
Unterwegs mit der Kriegslok
Nicht nur auf schmaler Spur gibt es in Bosnien-Herzegowina noch Planzüge mit Dampfloks – im Gebiet um Tuzla wird auch noch täglich Regelspurdampf betrieben. Für unsere Fahrt auf der bereits im ersten Teil vorgestellten Regelspurstrecke von Brčko nach Banovići steht am Morgen des nächsten Tages „Kriegslok“ 33-248 im Bahnhof von Srebrenik mit einen Zug bereit, der aus offenen und einem gedeckten Wagen besteht – letzterer dient unserer Beförderung. Die 1944 von Henschel & Sohn in Kassel gebaute ehemalige 52 4779” ist eine von vier betriebsfähigen „Kriegsloks“ der KREKA genannten Verwaltung der Kohlebergwerke rund um Tuzla. Auf unserer Fahrt nach Banovići begegnen wir weiteren Dampfloks: In Živinice steht 62-111 unter Dampf. Sie wird gelegentlich für Übergabefahrten zur Kohlemine Ðurðevik angeheizt. Die Lok ist ein Nachbau der amerikanischen Kriegslok-Klasse S 100, von der es über 100 Exemplare in Jugoslawien gab und die vor allem als Werk- und Verschublok eingesetzt wurde. Im Regelspurbahnhof von Banovići erwartet uns ein weiterer interessanter C-Kuppler: 19-12 ist ein Exemplar des Typs CS 500 und wurde 1948 von Škoda gebaut. Im Schmalspurteil der Seperation hat 83-159 Dienst – langsam zieht sie die Kohlewagen durch die Entladung. Auch der nächste Tag ist von der Regelspur geprägt: Nach einen Besuch der Lokwerkstatt der KREKA in Bukinje, vor deren Halle neben unserer gestrigen Zuglok 33-248 die 33-236 (Henschel 1944, ehemalige 52 817) steht und in der gerade Kriegslok 33-504 (Henschel 1944, ehemalige 52 793) aufgearbeitet wird, treffen wir 33-503 (DWM 1944, ehemalige 52 1345) mit einem schweren Kohlezug auf der Strecke an. Mit 33-064 (DWM 1943, ehemalige 52 1134) begegnen wir der vierten betriebsfähigen KREKA-Kriegslok – sie führt einen Übergabezug. Drei 52er innerhalb weniger Stunden unter Dampf zu erleben, das ist schon ein einmaliges Erlebnis – und das im Jahr 2014!
Danach fahren wir wieder zur Schmalspurbahn nach Banovići, wo 25-30, eine dreiachsige ČKD-Tenderlok aus dem Jahr 1949, mit ihrem Leerwagenzug in der Seperation Oskova für uns zu einem Ausflug zur Verladerampe Grivice bereit steht. Gemeinsam mit 83-159 ist sie der Star unseres Abendprogramms: Von der blauen Stunde bis in die Nacht sind Aufnahmen im beleuchteten Gelände der Talstation der Schmalspurbahn möglich. Am letzten Tag des herbstlichen Balkandampf-Ausfluges kommt die grün lackierte 83-159 vor unserem Fotozug zum Einsatz. Diesmal gibt es auf der uns inzwischen gut bekannten Strecke eine Werkstattbesichtigung im Depot Banovići, wo wir einigen Arbeitsvorrat an Dampfloks, aber auch die einsatzfähige 55-99, eine Budapest-Lok vom Typ 70 aus dem Jahr 1947, besichtigen. Letztere steht vor ihrem Touristenzug, der seit einigen Jahren angeboten wird und zum Glück nicht Programmbestandteil für uns ist. Zum Schluss muss ein großes Lob für „Migu“ Schneeberger stehen: Mit ihm zu reisen bedeutet, Land und Leute, deren Kultur und soziale Verhältnisse wie auch die Geschichte der Länder und natürlich die Eisenbahn kennenzulernen. Als Fotograf ist er selbst Bestandteil der Gruppe und weiß doch genau, wo was möglich ist. Alles wirkt organisch und entspannt, wobei die Reisen nicht auf Hochglanz oder gar Komfort ausgerichtet sind, sondern auf gemeinsames Erleben.
15.02.2015
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