Reisebericht
Die Schmalspurbahn Třemešná – Osoblaha (Röwersdorf – Hotzenplotz) Teil 1
Von Räubern, Bögen und schmalen Gleisen
Nicht weit von Krnov (Jägerndorf) an den Ausläufern der Ostsudeten und fast vollständig umgeben von heute polnischem Staatsgebiet befindet sich im Nordosten der Tschechischen Republik die Region „Osoblažsko“ – eine hügelige Landschaft mit kleinen Ortschaften, Schlössern und viel Ruhe. Es scheint fast, als sei hier die Zeit ein wenig stehengeblieben. Vielfach stößt man in dieser Gegend auf alte Kruzifixe, gestiftet von früher hier einheimischen Familien und versehen mit deutschen Inschriften. Osoblaha, Namensgeber der Region, ist der größte Ort in dieser Gegend und der deutsche Name der Stadt, Hotzenplotz, war dem Schriftsteller Ottfried Preußler eine Inspiration zur Benennung seines weithin bekannten Räuberhauptmannes. Und bereits seit über 110 Jahren – seit 1898 – erschließt eine Schmalspurbahn mit 760 mm Spurweite die Dörfer und Städte in der Region und verschafft ihnen den Anschluss an die weite Welt.
In den hintersten Zipfel des Landes
Ihren Ausgang nimmt die Strecke in Třemešná ve Slezsku (Röwersdorf), das an der Normalspurstrecke von Krnov nach Jeseník (Freiwaldau) liegt. Der Bahnsteig der Schmalspurbahn befindet sich auf der anderen Seite des Empfangsgebäudes. Rechterhand sind umfangreiche Gleisanlagen angeordnet, auf denen Fahrzeuge abgestellt sind. Auch ein Lokschuppen ist vorhanden, er beherbergt die Lokomotiven der „Slezské zemské dráhy“ (Schlesische Landesbahnen/SZD), die im Sommer Nostalgiefahrten anbietet. Die Rollbockgrube ist ungenutzt, für das Verladen von Fahrzeugen gibt es eine kleine Rampe.
Zunächst verläuft die Schmalspurstrecke in leichtem Gefälle in Sichtweite der Normalspurstrecke immer oberhalb der Ortslage von Třemešná, die von der Pfarrkirche St. Florian dominiert wird. Nach der Durchfahrt eines Rechtsbogens überquert die Trasse auf einer Brücke eine Dorfstraße und kreuzt dann die Durchgangsstraße 57. Beständig an Höhe gewinnend, verlaufen die Straße nach Liptaň (Liebenthal) und die Eisenbahn in Sichtweite zueinander. Der nächste, nicht nur am Singen der Kurve deutlich vernehmbare Gleisbogen ist mit einem Radius von 75 Metern der engste im gesamten Streckenverlauf und in der Tschechischen Republik auf öffentlich befahrbaren Linien überhaupt.
Schon ist der Scheitelpunkt der Schmalspurbahn erklommen, die Kirche von Liptaň kommt in Sicht. Doch die Lokalbahn umfährt den kleinen Ort zunächst, bevor sie ausgangs eines Linksbogens mittels einer Brücke die Straße nach Horní Povelice (Ober Paulowitz) quert und den Bahnhof erreicht, dessen Gleisanlagen sich mit einem Nebengleis und zwei Weichen jedoch bescheiden ausnehmen. Das Trassee führt nun in Richtung Nordosten, jedoch stets in Bögen verlaufend. Zunächst noch freies Feld passierend, ist bald ein Waldstück erreicht, an dessen Saume sich die Schmalspurbahn entlang windet, um dann einen kleinen Bach zu überqueren und sich danach gen Südosten zu wenden. Nach einer kurzen Steigung und dem Verlassen des Waldes ist der idyllische Haltepunkt Divčí Hrad (Maidelburg) erreicht. Die Station befindet sich weit außerhalb des Ortes und des Schlosses und weist außer einem Unterstand keine weiteren Anlagen auf. Die Trasse führt nun fast ohne Bögen zum Haltepunkt Horní Povelice. Ein massives, jedoch im schlechten Zustand befindliches Bahnhofsgebäude bildet seit August 2008 alles an Anlagen, zuvor konnte sich die Station des kürzesten Ausweichgleises in der Tschechischen Republik rühmen, das eine Nutzlänge für gerade einmal einen Waggon aufwies. Nach einem Bahnübergang beginnt wieder ein bogenreicher Abschnitt, die Sicht geht weit in das Land hinein. Die nächste Ortschaft, Amalín (Amalienhof) ist schon erkennbar, doch wendet sich die Strecke zunächst von ihr weg und erst nach einem weiten Bogen kommt der Zug unmittelbar am Ortsrand in einem Haltepunkt zum Stehen. Die hölzerne Wartehalle ist erkennbar älteren Datums und bietet dennoch zuverlässigen Schutz vor Wetterunbilden. Von Amalín aus ist das nächste Ziel bereits sichtbar, ist doch die Kirche von Slezske Rudoltice (Roßwald) eine bedeutende Landmarke.
Nur eineinhalb Kilometer trennen die beiden Betriebsstellen voneinander, in einem Bogen führt die Strecke etwas näher an den Ort heran, dennoch liegt der Bahnhof fast auf freiem Felde. Vor der Einfahrt in die Station ist auf einer Anhöhe die kleine Kapelle Rusín erkennbar. Ein Ausweichgleis mit sich anschließendem Abstellgleis sowie ein Empfangsgebäude bilden die Anlagen der Betriebsstelle in Streckenmitte. Wiederum mit einem Linksbogen führt das Trassee in leichtem Gefälle zunächst weiter über Felder, erreicht dann einen kleinen Wald und windet sich in diesem in mehreren Bögen in den Talgrund, wo sich die Station Koberno (Kowarno) befindet. Im weiteren Streckenverlauf nähert sich die Strecke dem Flüsschen Osoblaha und verläuft stets in Sichtweite des Gewässers. Rechts ist für einen kurzen Moment die Eichenmühle (Dubský mlýn) zu erkennen, bis 1972 bestand hier auch ein eigener Haltepunkt. In einem weiten Bogen geht es durch den Wald bis eine Lichtung erreicht ist, über der rechterhand die Burgruine Fulštejn (Füllstein) thront. Auf der linken Seite fällt der Blick auf einen Badesee und eine Ferienhaussiedlung, bevor der Bahnhof von Bohušov (Gottfriedsdorf bzw. Füllstein) erreicht wird. Hier hat sich scheinbar seit der Betriebseröffnung nicht viel verändert, die Gleisanlagen entsprechen denen von Slezské Rudoltice und das Ensemble aus Empfangsgebäude und Güterschuppen ist eines der bekanntesten Motive der Strecke. Nun verbleiben noch dreieinhalb Kilometer bis zum Endpunkt der Strecke. Durch überwiegend ebenes Gelände führt die Bahn noch entlang der Ortslage und der Osoblaha. Nach zirka zwei Kilometern ist auf der rechten Seite eine Baumreihe zu sehen, hinter der sich ein kleines Dorf versteckt. Diese Ortschaft liegt bereits in Polen, vom Zug aus sind die Grenzsteine deutlich erkennbar. Die polnisch-tschechische Grenze begleitet uns noch bis zum Endbahnhof in Osoblaha, der außerhalb des Ortskerns liegt. Unsere Reise endet hier, ein zweiständiger Lokschuppen und einige Abstellgleise sind vorhanden. Auf ihnen stehen nicht benötigte Reisezugwagen.
Eine Lok, ein Wagen – ein Zug
Für deutsche Schmalspurfreunde mögen die Regelzüge auf der Schmalspurbahn nach Hotzenplotz langweilig wirken, bestehen sie doch lediglich aus einer Lok der Reihe 705.9 (ex T47.0) und einem Reisezugwagen der Gattung Btu590. Vorhanden sind die Lokomotiven 705.913, 914 und 917, wobei lediglich die ersten beiden noch zum Einsatz kommen und letztere als Ersatzteilspender dient. Im Februar 2014 kam 705.916 ins Eisenbahnmuseum nach Lužná u Rakovníka, wo sie seitdem als Ausstellungsobjekt dient. Vorrangig zum Einsatz kommt die 913, die im Zuge einer Rekonstruktion im Jahre 2010 eine neue Antriebsanlage und modernisierte Führerstände erhielt. Damit konnte der Treibstoffverbrauch fast um die Hälfte reduziert werden, was der Wirtschaftlichkeit des Betriebes zugute kommt. Alle Diesellokomotiven sind 1958 gebaut und befinden sich seit ihrer Inbetriebnahme in Osoblaha. Neben dem Motorraum und den beiden Führerständen verfügen die Maschinen auch über einen Gepäckraum für Traglasten. Anders als bei den südböhmischen JHMD in Jindřichův Hradec (Neuhaus) tragen alle Triebfahrzeuge in Osoblaha den gleichen dunkelroten Lack mit dem charakteristischen spitz zulaufenden weißen Streifen auf der Front. Von den einst neun nach dem Zweiten Weltkrieg gebauten tschechischen Personenwagen, deren Bezeichnung und Nummerierung sich mehrfach änderte, sind heute noch sechs vorhanden, die derzeit Nummern ab 901 tragen und außerdem nach UIC-Norm beschriftet sind. Für den täglichen Turnus ist lediglich ein Wagen vonnöten, ein zweiter wird bedarfsweise zur Verstärkung genutzt, falls Ausflugsverkehr oder Gruppenanmeldungen dies erfordern. Im Sommer gelangen zwei Btu590 auch regelmäßig in den Sonderzügen der SZD zum Einsatz. Die übrigen beiden Wagen sind ohne Fristen abgestellt und dürften wohl nicht mehr eingesetzt werden. Vorgesehen ist, dass vorrangig der Wagen 901 eingesetzt wird. Im Rahmen einer Modernisierung erhielt er ein optisches und akustisches Fahrgastinformationssystem, ein neues Heizungssystem sowie eine optische Auffrischung des Innenraums. Diese Arbeiten führte die Werkstatt der JHMD im Auftrag der Tschechischen Bahnen (České Dráhy, ČD), dem Betreiber der Strecke, im Jahre 2011 aus. Die übrigen Personenwagen sind unmodernisiert und werden es aus wirtschaftlichen Gründen auch bleiben. Zu erwähnen ist, dass der einzige modernisierte Wagen eine Art Retrolack besitzt, er trägt ein crèmefarbenes Fensterband und eine altrote Grundlackierung. Die Standardlackierung ist fast gänzlich umgekehrt. Fahrzeuge für den Güterverkehr sind keine mehr vorhanden, für Streckenkontrollfahrten ist in Třemešná ein Schienenkraftwagen (MUV) stationiert. Der Bahnhof Osoblaha bildet eine eigene Einsatzstelle des ČD-Lokdepots Olomouc (Olmütz). Vier Lokführer teilen sich den Dienst auf der Strecke das ganze Jahr hindurch, die Schaffner sind auch auf anderen Strecken unterwegs.
Die Lokomotiven der Sonderzüge
Die Fahrzeuge der Schlesischen Landesbahnen (SZD) sind hingegen in Třemešná stationiert. Für die Triebfahrzeuge gibt es seit 2008 einen Lokschuppen, der damit 110 Jahre jünger als sein Pendant in Osoblaha ist. Ansprüche an historische Korrektheit sollte man an die Zugverbände der SZD nicht stellen. Neben einem Generatorwagen, der aus einem ehemals dem Güterverkehr dienenden Bremswagen entstand, handelt es sich vorwiegend um Wagen rumänischen Ursprungs, die teilweise über 100 Jahre alt sind. Außerdem sind Aussichtswagen in die Züge eingereiht, dazu je ein Wagen, um das tschechische Nationalgetränk anzubieten – so genannte pivní vagon (Bierwagen). Auch an Fahrradtouristen ist gedacht, der Fahrradwagen ist vermutlich oberschlesischen Ursprungs und wurde für den neuen Einsatzzweck entsprechend umgespurt und umgerüstet. Für die Traktion der Züge der SZD sind eine Diesellok und zwei Dampflokomotiven vorhanden. Bei einer davon handelt es sich um die U57.001, eine 1949 von Škoda in Pilsen für eine bosnische Waldeisenbahn gebaute fünfachsige Schlepptenderdampflok. Nach ihrer Außerdienststellung erwarb sie 1989 der österreichische Verein „Club 760“ und ließ sie 2008/09 betriebsfähig aufarbeiten. Gemäß einer Vereinbarung zwischen dem Club 760 und den SZD kommt sie langfristig auf der Hotzenplotzer Schmalspurbahn zum Einsatz. Seit der Saison 2009 ist sie planmäßig vor den Dampfzügen auf der Strecke anzutreffen. Bei der zweiten Dampflokomotive handelte es sich um eine 1958 in Rumänien gebaute vierachsige Waldbahnlok, die bis 1992 in den Karpaten genutzt wurde. Nach einer Zeit als Ersatzteilspender erwarben die SZD die Maschine und ließen sie bei der Firma OLPAS Moravia in Krnov betriebsfähig aufarbeiten. Seit 2004 ist sie als U46.002 vor den touristischen Sonderzügen im Einsatz. Die Diesellokomotive der SZD ist ebenfalls rumänischen Ursprungs. Die Lokomotivfabrik „23. August“ Bukarest lieferte sie einst nach Polen, wo sie bis 2003 in der Zuckerfabrik Kruszwica im Einsatz war. Im Jahr 2005 erwarben sie die SZD und ließen sie bei der Firma OLPAS Moravia aufarbeiten. Sie kommt seit Juni 2006 auf der Schmalspurbahn in „Mährisch Schlesien“ zum Einsatz und führt in der Nebensaison einige Züge.
06.06.2014