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Rezensiert: Anekdoten und Geschichten zur Preßnitztalbahn Wolkenstein – Jöhstadt
Stefan Müller, Thomas Böttger
Anekdoten und Geschichten zur Preßnitztalbahn Wolkenstein – Jöhstadt
256 Seiten im Format 24 x 16 cm mit 112 Schwarzweiß- und 298 Farbaufnahmen sowie 39 weiteren Abbildungen (u. a. Fahrpläne) Bildverlag Böttger GbR, Witzschdorf 2020. ISBN: 978-3-96564-001-6 Preis: 22,80 Euro
Nach Streckenmonographien und Einzelbetrachtungen ist seit Februar 2020 eine weitere publizistische Lücke zur Preßnitztalbahn geschlossen – denn erst die subjektive Wahrnehmung und der Reiz dieser Schmalspurbahn aus ganz individueller Sicht runden das Bild zu einer Strecke ab. Die mehr als 50 von Stefan Müller und Thomas Böttger veröffentlichten Geschichten und Anekdoten widmen sich sowohl der Staatsbahnära als auch der Museumsbahnzeit. Das Spektrum über die „alte Bahn“ reicht von einem Porträt des Fotografen Hermann Krauße (1865–1945) über den Einsatz des Sprengwagens 97-09-74 im Mai 1977, die Draisinenfahrten 1986/87 auf den stillgelegten Gleisen bis zu Erlebnissen beim Abbau der alten Bahn.
Die Texte zur Museumsbahnzeit beginnen 1988 bei den Aktivitäten in Großrückerswalde und thematisieren dann streiflichtartig vor allem den Einsatz bestimmter Fahrzeuge sowie Festlichkeiten bis ins Jahr 2019. Das Buch enthält aber auch jeweils ganz persönliche Empfindungen, u. a. zu Auftritten von Musikern, zur privaten 600-mm-Bahn in Oberschaar und zum Wiederaufbau des Bahnhofes Jöhstadt. Unter den mehr als 20 Autoren befinden sich Eisenbahner sowie Eisenbahnfreunde aus Ost wie West und sogar aus Österreich sowie der Tschechischen Republik, was die Vielfalt der Meinungen zusätzlich erhöht. Fast alle Texte sind eher kurz gehalten und gut lesbar. Zu den längsten Geschichten gehören die Erinnerungen von Wolfgang Thomas an den Streckenrückbau, an dem er ab 1987 mitwirken musste. Dieser spannend geschriebene Bericht stellt für den Rezensenten den Höhepunkt des Buches dar – Lesegenuss pur! Die Texte von Thomas Böttger stechen ebenfalls mit hoher sprachlicher Qualität und famoser inhaltlicher Breite hervor. Seine Erinnerungen an die Werkbahn in Niederschmiedeberg 1987 und an die Folgen seiner zum 90. Streckenjubiläum herausgebrachten Ansichtskarte sind besonders lesenswert!
Auf den ersten 50 Buchseiten stellt Stefan Müller die Entwicklung der alten Preßnitztalbahn und den Aufbau der Museumsbahn bis heute vor. Ersterer Teil ist ihm sehr gut gelungen, der Museumsbahnteil ist hingegen punktuell mit Vorsicht zu genießen. Bei diesem mit sehr viel guter Absicht geschriebenen Kapitel gibt es leider mehrere Fehler. Das betrifft Feinheiten wie den Wechsel des Arbeitsschwerpunktes von Großrückerswalde nach Jöhstadt 1990, aber u. a. auch Angaben zum Eintreffen von Loks in Jöhstadt (z. B. kam die 99 1594-3 nicht 2014, sondern 2019 ins Preßnitztal zurück). Ein Korrekturgang in Jöhstadt hätte dies verhindert! Das großzügig illustrierte Buch überrascht mit bisher unveröffentlichten Vorkriegsaufnahmen vor allem von Hermann Krauße, aber auch mit aussagekräftigen Aufnahmen aus der DDR- und Museumsbahnzeit. Die Wiedergabequalität entspricht dem beim Böttger-Verlag üblichen Niveau, die Anzahl der Tippfehler ist erfreulich gering. Auf Seite 9 ist der Jöhstädter Lokschuppen nicht im Zustand von 1891 zu sehen, sondern die Zeichnung zeigt den Entwurf für die nie ausgeführte Verlängerung der Stände 1 und 2 aus den 1920er Jahren. Fazit: Für Liebhaber der alten und neuen Preßnitztalbahn ist das mit viel Liebe erstellte Buch ein Muss und bietet ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis.
13.04.2020