Editorial
Liebe Preß’-Kurier-Leser, manchmal kommt man auch als Ingenieur ins Staunen, wenn man Nachrichten aus fremden technischen Gebieten zur Kenntnis bekommt. Während bei der Raumfahrt auch heute noch jeder mit einem höheren Risiko rechnet und es sich gemeinhin immer noch um richtige Experimentalwissenschaft handelt, erstaunt es schon, dass ein einziger unbemannter Testflug mit einer vollautomatischen Raumkapsel namens „Crew Dragon“ reichen soll, alle Risiken für Raumstation und Mannschaft einzuschätzen, damit der zweite Start zur ISS schon mit Crew erfolgen kann. Okay – Astronauten wissen, dass es lebensgefährlich ist. Geradezu ins Erschrecken kippt das Staunen ob sogenannter Ingenieurskunst, wenn ein einziger fehlfunktionierender Sensor im Zusammenwirken mit einer automatischen Fluglagesteuerungssoftware für den Absturz zweier nagelneuer Flugzeuge verantwortlich sein soll, wie jüngst berichtet. Wie viel Risikoabwägung (womöglich auch gegen den ausbleibenden Gewinn im Konkurrenzkampf gerechnet) liegt hinter einer solchen technischen Entscheidung? Entsprechendes Risikobewusstsein haben die Flugreisenden bestimmt nicht im Gepäck. Da bin ich doch wieder froh, mit dem System Eisenbahn arbeiten zu können. Nicht, dass das System unfehlbar ist, jeder Eisenbahnunfall ist einer zu viel und die Ursachen sind vielfältig – in der Regel liegen sie in der Verknüpfung mehrerer begünstigender Faktoren. Fast nie ist nur ein einziger alleiniger Fehler für Eisenbahnunfälle verantwortlich. Das liegt am Prinzip „Sicherheit per Design“, das sowohl in den betrieblichen Regelwerken, der Signalisierung und Kommunikation als auch in der Infrastrukturausstattung Redundanz bzw. Substitution von Sicherheitsfunktionen im Falle des Ausfalles berücksichtigt. Neue Schienenfahrzeuge kommen heute nicht ohne eine umfassende Betrachtung der Systemsicherheit auf den Markt. Die europäische Norm EN 50126 definiert eine durchgängige Methode der Sicherheitsbetrachtung im Lebenszyklus eines Schienenfahrzeuges von der ersten konzeptionellen Idee bis zur Inbetriebnahme. Bei richtiger Anwendung dieser Methode wird schon bei der Entwicklung sichergestellt, dass eine alleinige Fehlfunktion kein Desaster zur Folge haben kann. Eisenbahn ist „per se“ eine sichere Angelegenheit, jeder Betriebseisenbahner – insbesondere auch im Museumsbahnbetrieb, weil da der Effekt „Gewohnheit“ und „Regelmäßigkeit“ nicht noch unterstützend hinzukommt – muss aber seinen bewussten Beitrag zur Sicherheit des Gesamtsystems Eisenbahn leisten. Viele interessante Ansatzpunkte und Anregungen zum Besuch dieses sicheren Verkehrsmittels haben wir wieder im Heft zusammengetragen. Nutzen Sie bitte die Frühlingszeit für eine Besichtigung, die Bahnen und Vereine freuen sich auf Ihr Kommen. Glück Auf
11.04.2019