VSE-Nachrichten
Freundschafts-Express ins Böhmische
Nach längerer Pause rollte am 29. August 2015 wieder einmal ein Sonderzug des VSE über die Ländergrenze hinweg zum Nachbarn in die Tschechische Republik. Diesmal war der Start in Aue, über Schwarzenberg, Antonsthal und Johanngeorgenstadt ging die Tour bis nach Karlsbad. Für diesen Zug hatten die Vereinsmitglieder eine ganz besondere Lok ausgesucht: Ein Triebfahrzeug, das in der damaligen ČSSR in einer Kleinserie auch für die Deutsche Reichsbahn gebaut worden war und in den 1960er Jahren vor allem Rangierdienst auf dem Leipziger Hauptbahnhof verrichtete. Die V75 018 bzw. spätere 107 018-4 gehört mittlerweile einem Eisenbahnverkehrsunternehmen mit Sitz in Gotha, mit dem der Verein schon lange gute Kontakte pflegt. Vor etwa zwei Jahren wurde bei den Eisenbahntagen im Schwarzenberger Museum mit dem Chef des Unternehmens und tschechischen Eisenbahnern etwas „gesponnen“: Man müsste doch mal… Es dauerte etwas, dann gab’s die ersten konkreten Planungen. Natürlich über den Erzgebirgskamm über Pernink (Bärringen) und Nejdek (Neudeck) nach „KV“, wie Karlsbad im Nachbarland abgekürzt wird. Die Zulassung der Lok, die bisher immer in der DDR bzw. in Deutschland fuhr, für Tschechien – „Papiere sind gut, missen wir noch Zettl ausfillen und Stempl“ – ist kein Problem, so die Partner in Prag. „Wagen von VSE kennen wir doch, missen nur aktuelle Zettl sein, mit Unterschrift und Stempl.“ Ja, genug Schriftkram ist es trotzdem geworden. Außerdem war ja neben tschechischen Lotsen und Zugführer noch eine Schiebelok erforderlich, denn die Strecke über den Erzgebirgskamm steigt bis auf 915 m an (höher als der Bahnhof Oberwiesenthal). Vertrag mit ČD aushandeln, Fahrplan in Prag bestellen, natürlich auch den von Aue bis Johanngeorgenstadt bei DB Netz in Leipzig. Nebenbei rechtzeitig Werbung machen, läuft gut, viele Vorbestellungen, Zusatzwagen wird benötigt – den müssen wir ja auch noch bei den ČD anmelden. Alles geschafft? Donnerstagabend ist der unterschriebene Vertrag da, der endgültige Fahrplan kommt dann Freitagmittag – kein Problem, ist wie der Entwurf – passt. Am Vortag Urlaub nehmen, fünf Wagen zusammenrangieren, innen und außen reinigen, Speisewagen aufrüsten, wie wird das Wetter? – heiß – umdisponieren, mehr Getränke rein…, abends treffen Zug- und Schiebelok ein, Zug wird fertiggestellt, danach ein kurzes Feierabendbier mit den Gothaer Freunden, schlafen gehen. Früh zeitig aufstehen, Leerzug nach Aue, Fahrgäste einladen. Schon ab hier gute Stimmung, Schwarzenberg, das Einsteigen dauert zu lange (der Zug hat nicht nur eine Tür …), etwas Verspätung, das holen wir raus. In Johanngeorgenstadt großes Rangieren, deutsche Schiebelok absetzen, tschechischen Gegenzug abwarten, diesen wegsetzen, ČD-Lok hinten ran an unseren Zug, Bremsprobe, Begrüßung des ČD-Personals, der Lotse ist ein alter Bekannter, er hatte es den VSE-Freunden vor zwei Jahren versprochen – „Ich mache den Dienst, verschiebe Urlaub!“ Der Zug ist gut besetzt, 240 Reisende, viel älteres Publikum, manche lassen es sich gleich gut gehen, Sektfrühstück im Speisewagen, warum nicht. Zwischendurch gibt’s ein paar längere Halte, damit die Mitfahrer auch einmal in Ruhe ein schönes Foto vom Zug machen können. In Karlsbad angekommen, die Stadt bietet viel, eigentlich braucht man gar kein organisiertes Programm. Dennoch zwei Sonderangebote: Becherovka-Museum und Standseilbahn „Diana“. Diese ist für Unkundige etwas schlecht zu finden, deshalb wird hingeführt. Und dann – flanieren, etwas Seele baumeln lassen, schauen, was genießen, für jeden ist etwas dabei. Was, die Zeit ist schon rum? Dann langsam zurück zum Bahnhof. Erst einmal in den Speisewagen, man hat ja noch nicht alles probiert, was im Angebot ist. Gemütliche Reise zurück, immer bergan durch schöne, teils urtümliche Landschaft. Es ist ziemlich warm, aber man kann ja im Zug die Fenster aufmachen und meistens geht es durch waldreiche Gegend. Die alte V75 an der Zugspitze zeigt, was sie kann – mit 750 PS. In den engen Tälern bellt der langsamlaufende Dieselmotor– nicht nur für Motorenliebhaber ein akustischer Genuss. Dann wird wieder der Gipfelpunkt der Strecke erreicht, es rollt talwärts gen Heimat. Die Fahrgäste sind begeistert, etliche fahren zum ersten Mal hier mit dem Zug. Dabei kann man das täglich mit Regelzügen erleben. Dann ist der Zug einige Minuten vor Plan, da langt es noch für einen längeren Fotohalt in Potůčky (Breitenbach) bei herrlicher Abendsonne. Anschließend in Johanngeorgenstadt, ČD-Schiebe-Lok wieder abhängen und herzlicher Abschied vom freundlichen tschechischen Personal, děkuji und na shledanou! – Fahrgäste und VSE-Mitglieder sind sich einig: Wir kommen wieder, ganz sicher. Für 2016 ist ein weiterer Ausflug über den Erzgebirgskamm hinweg in Vorbereitung!
21.10.2015