Bücher-Markt
Rezensiert: Eisenbahndirektion Dresden 1869-1993
Helga Kuhne
Eisenbahndirektion Dresden 1869-1993
Reihe: Deutsche Eisenbahndirektionen
160 DIN-A4 Seiten mit ca. 260 schwarzweißen Abbildungen und zwei vierfarbigen Streckenkarten als Beilage; 2., überarbeitete Auflage VBN Verlag Bernd Neddermeyer, Berlin 2010. ISBN: 978-3-941712-05-8 Preis: 29,80 EUR
Ambivalente Gefühle empfand der Rezensent beim Studium des sauber gedruckten und stabil gebundenen Buches „Eisenbahndirektion Dresden“. So ist es einerseits z.B. mit Tabellen zu allen Eisenbahnbrücken mit über 40 Meter Länge (Stand 1977) sowie allen Dienststellen per 31. Dezember 1970, aber auch mit seinen zahlreichen Organigrammen und Streckenkarten der Rbd Dresden ein äußerst nützliches Nachschlagewerk, welches der Rezensent in Zukunft gern und wohl häufig nutzen wird. Andererseits blieb ihm vor allem bei den ersten 50 Seiten auf fast keiner Seite ein Kopfschütteln erspart. Wobei dieses keinesfalls immer negativ zu interpretieren ist. Verursacht war es zum Beispiel dadurch, daß das Buch eben nicht erst 1869 beginnt, sondern von den Anfängen der sächsischen Eisenbahnen 1837 an die Entwicklung der staatlichen Direktionen in Sachsen erzählt. Auch hat die nur kurze Existenz der Reichsbahndirektion Zwickau vom 22. Mai bis zum 6. Juli 1945 auf S. 64 Niederschlag gefunden. Sehr schön! Verlag und Autorin haben also „tiefgestapelt“, denn sie liefern deutlich mehr wertvolle Informationen, als es der Titel vermuten läßt. Doch gerade die Darstellung der ersten Jahrzehnte sächsischer Eisenbahngeschichte liest sich teils etwas holprig und wirkt – mit Verlaub – manchmal ein bißchen unbeholfen. Es stellt sich die Frage, hat die Autorin das Geschriebene wirklich verinnerlicht? So wird völlig unbegründet das Direktorium der Leipzig-Dresdner Eisenbahn-Kompagnie abgewertet (S. 13), zuvor auf S. 12 anstatt vom Gebiet des Kaiserreiches Österreich vom „Kaisertum“ geschrieben oder der de facto verbindende Charakter der de jure privatrechtlichen LDE zwischen dem Netz der östlichen und der westlichen Staatsbahnen ignoriert (S. 14). Auch zweifelt der Rezensent daran, daß die Autorin den Umfang des sächsischen Sekundärbahnwesens vollständig erfaßt hat (S. 16). Erfreulich ist hingegen, daß Claus Köpckes Wirken für den Umbau der Dresdner Eisenbahnanlagen explizit gewürdigt wird – erscheinen dessen Verdienste für Sachsens Infrastruktur doch in jüngerer Vergangenheit zu Unrecht oft allein auf Schmalspurbahnen beschränkt. Ein ganz dickes Lob verdient Helga Kuhne u. a. für ihre hervorragende Schilderung des Übergangs der Sächsischen Staatsbahnen auf das Reich 1920, aber auch zur Gründung der RBD Dresden 1922 sowie z. B. für die Schilderung der Neubauprojekte zwischen 1924 und 1937. Ebenso sauber ist die Auflösung der DRG im Februar 1937 dargestellt. Auf der anderen Seite wird der vorläufige Umzeichnungsplan der Reichsbahn von 1923 der DRG in die Schuhe geschoben, die doch erst ein Jahr später gegründet worden ist. Ärgerlich ebenfalls, wenn die Bauzeit des Leipziger Hbf mit 1913-1915 anstatt mit 1909-1915 angegeben ist (S. 23) oder die 1857 ausgelieferte Lok „Elbe“ der Albertbahn auf Seite 12 auf die Sächsisch-Böhmische Eisenbahn und noch dazu ins Jahr 1851 gemogelt wird. Sehr hilfreich sind wiederum die Zuordnung aller sächsischen Bw zu den Reichsbahnmaschinenämtern sowie die Darstellung der RBD-Grenzen im Sudetenland. Ebenso als äußerst gelungen können alle Bildtexte bezeichnet werden, welche z. B. bei Lokomotiven penibel genau über die wechselnden Bezeichnungen berichten. Die ganz große Stärke des Buches stellt schließlich die Darstellung der Rbd Dresden in der DDR-Zeit sowie bis 1993 dar. Man merkt – ein Heimspiel für die Autorin, die einst selbst als Pressesprecherin für die Direktion tätig war. Große Anerkennung verdient zudem das Vorhandensein eines Sachwort- sowie eines Personenverzeichnisses.
Fazit: Die Monographie stellt ein brauchbares Nachschlagewerk für die sächsische Eisenbahngeschichte von 1837 bis 1993 dar. Zwar enthält es in der Frühzeit einige inhaltliche Schwächen, kann aber insgesamt dennoch überzeugen – letztendlich auch mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis.
06.02.2011