Reisebericht
Mit der Lokalbahn ins Duppauer Gebirge (Teil 1)
Die sieben Leben einer Lokalbahn scheinen nicht nur auf unser Bähnchen von As/Asch nach Hranice v Cechach/Roßbach zuzutreffen, sondern mit dem neuen Fahrplan ab 9. Dezember 2007 wird ein weiterer Kandidat wiedererweckt, dessen Lebenslicht schon einmal genau vor Jahresfrist ausgeblasen schien. Das mag dem Landeskundigen an sich nicht so verständlich sein, weil das Anliegen von Kreishauptmann Jiri Sulc (sprich: Georg Schulz) aus Usti/Außig nach seinem eigenem Bekunden darin besteht, den ÖPNV drastisch verbilligen zu wollen, was in der Endkonsequenz vielleicht dazu führen könnte, keinen mehr anzubieten – aber das wollen wir an dieser Stelle nicht weiter vertiefen. Nur soviel sei noch gesagt, daß des Hejtmanns Konterfei, an allen Straßenbaustellen des Kreises stets wohlfeil plaziert („Hier baut Jiri Sulc für Sie…“), wegen der bevorstehenden Einstellung anderer und deutlich besser frequentierter Bimmelbahnen in seinem Kreise von mancher üblen Streich führenden Hand mit der wenig schmeichelhaften Bezeichnung „sejdir“ verunstaltet worden ist, in deutscher Zunge verwendet man dafür das Wort für „Gauner“.
Während also ab Fahrplanwechsel zwischen Lovosice/Lobositz und Most/Brüx sowie Decín/Tetschen – Oldrichov/Ullersdorf keine, nach Vejprty/Weipert nur noch am Wochenende Züge fahren werden, kehrt solche wochenendliche Betriebsamkeit gleichsam auf das Lokalbahnnetz um Kadan/Kaaden zurück. Der diesjährige Probebetrieb auf einem Teilstück bis zum Egerstausee und seiner Talsperre beim Dorfe Nechranice/Negranitz ließ zwar zunächst wegen der mangelhaften Besetzung des Triebwägelchens keine Fortführung des Experiments erwarten. Doch ist der Chronist böhmischer Eisenbahnen geneigt, sich gern auch mal am Gegenteil zu erfreuen, zumal das alte, neue Reiseziel für einen gemütlichen Ausflug nicht so ewig weit entfernt liegt.
Der Bahnbau begann allerdings nicht in Kaaden, sondern vor 126 Jahren vom Bf Kaschitz/Kastice der Pilsen-Priesen-Komotauer Eisenbahngesellschaft (EPPK) ausgehend, und hauptsächlich der Domäne sowie Zuckerfabrik in Schönhof/Krásny Dvur dienend. Die rund 4 km kurze Stichstrecke der EPPK ging am 18. August 1881 in Betrieb, eine 400 m lange Anschlußbahn stellte die Versorgung der Zuckerfabrik sicher. Der EPPK begegnet man aber noch an einer anderen Stelle im Lande, wo man sie vordergründig überhaupt nicht vermuten würde, nämlich im legendären Grenzbahnhof Bayerisch Eisenstein. 1876/77 erbaute die Gesellschaft die Linie von Pilsen über Klattau nach Böhmisch Eisenstein (Zelezná Ruda), da deren Konzessionsbedingungen nämlich verlangten, zusätzlich zur Stammstrecke noch eine Verbindung von Pilsen nach Süden in Richtung bayerische Grenze anzulegen. Und die Wiener Regierung wünschte diese tatsächlich wie auch nachdrücklich. Die Strecke wurde deshalb ohne Verzögerung 1872 konzessioniert und der Grenzbahnhof mit Staatsvertrag (30. März 1873) in Eisenstein definiert.
Doch zurück ins Hopfenland: Die Fortführung Schönhof – Willomitz – Radonitz geschah dann unter Regie der Österreichischen Lokaleisenbahn-Gesellschaft (ÖLEG). Zugleich mit Eröffnung der neuen Strecke am 1. Januar 1884 wurde Kaschitz – Schönhof von der EPPK erworben, und 1902 bzw. 1903 die noch fehlenden Abschnitte Willomitz/Vilémov u Kadane – Prunnersdorf/Prunerov sowie Radonitz – Duppau/Doupov dem Verkehr übergeben. Für den Bau dieser Streckenstücke zeichnete sich der Staat in Form einer staatlich garantierten Lokalbahn verantwortlich, den Betrieb übernahmen in beiden Fällen – wie auch schon 1887 auf den zuvor eröffneten Abschnitten – die k. k. Staatsbahnen. Hierbei entstand auch der nunmehrige Trennungsbahnhof Willomitz neu. Zuvor verlief die Trasse direkt mit Linksbogen von Schönhof kommend nach Radonitz. Die Erweiterung eines Braunkohletagebaues zwangen die CSD Mitte der siebziger Jahre zu einer Streckenverlegung im nördlichen Abschnitt. Dabei wurde die Strecke Kadan Vorstadt – Prunérov (Bf existiert nicht mehr) nach Eröffnung der Verbindung über Kadan Stadt (mesto) zum neu angelegten Bahnhof Kadan im Jahr 1974 bzw. 1978 aufgegeben.
Das Fahrplanangebot auf den verbliebenen Strecken war nach der Jahrtausendwende stark ausgedünnt worden. Nur das Angebot zwischen Kadan und Kadan mesto blieb einigermaßen brauchbar, weiter südlich der Verkehr in der dünn besiedelten Region deutlich schwächer. Mit drei (ab 12/2006 nur noch zwei) Zugpaaren zählte der kleine Ort Kadansky Rohozec schließlich zu den definitiven Verlierern im Streckennetz der CD, so daß das Ende nur noch eine Frage der Zeit war. Planmäßigen Güterverkehr gas es überdies seit 2003 nicht mehr. Zuletzt fanden Holztransporte in der Relation Kadansky Rohozec – Kadan statt.
Zwei Zugpaare werden also demnächst wieder die Reise auf der 33 km langen Verbindung Kadan – Kastice erlauben, die im tschechischen Kursbuch als Fahrplanbild 164 aufgeführt ist. Der Zug nimmt dabei seinen Ausgangspunkt allerdings schon in Podersam/Podborany, einer freundlichen Kleinstadt an der Hauptstrecke Pilsen – Saaz/Zatec. Schon die Ausfahrt aus dem Bf Kastice birgt eine Kuriosität: Um diesen in Richtung Kadan verlassen zu können, muß der Zug – es handelt sich natürlich um einen Triebwagen der Reihe 810 – umständlich zum Stellwerk Richtung Zatec vorziehen. Erst nach einem Fahrtrichtungswechsel kann er die eigentliche Fahrt auf die Lokalbahn beginnen. Bis zum Bf Krásny Dvur durchquert die Strecke dabei ein landwirtschaftlich genutztes Hügelland. Der ehemalige Endpunkt Krásny Dvur weist ein für den heutigen Verkehr überdimensioniertes Bahnhofsgebäude und weitläufige Gleisanlagen auf. Vom Anschlußgleis zur Zuckerfabrik im Ort kann man nur noch archäologische Rudimente erahnen. Nach weiteren sieben Kilometern wird der romantische Abzweigbahnhof Vilémov u Kadane erreicht, wo die Strecke nach Kadansky Rohozec ihren Ausgangspunkt hat. Neben umfangreichen Gleisanlagen sind auch noch ein Lokschuppen und Behandlungsanlagen vorhanden. Weiter geht die Reise im Tal des Flusses Liboc (Aubach) bis zum Bf Petipsy/Fünfhunden. Von hier aus überwindet die Trasse unter Passage des Bahnhofs Poláky/Pohlig einen Höhenzug am östlichen Rand des Duppauer Gebirges, auf dessen anderer Seite man im Tal der Eger und seiner inzwischen vollständig elektrifizierten zweigleisigen Hauptstrecke Chomutov – Karlovy Vary – Cheb ankommt.
Das Gebirge, der Rest eines riesigen Vulkankegels mit geschätzten 40 km Durchmesser, entstand infolge des Einbruchs des Egergrabens südlich des Erzgebirges. Ganz besonders typisch für diesen Gebirgsstock sind die strahlenförmig in alle Himmelsrichtungen auslaufende Erosionstäler. Die höchsten Erhebungen des Basaltgebirges sind der Burgstadtl/Hradiste (934 m) und der Ödschloßberg/Pusty zamek (928 m). Dieser vulkanischen Tätigkeit im Tertiär verdanken auch der Gießhübler bzw. Krondorfer Sauerbrunnen ihr Entstehen. Eine weitere Besonderheit ist außerdem ein Kohlenflöz auf 700 m Seehöhe am Hirschbühl nahe Mühldorf/Mlynská – ein Dorf, das heute allerdings genauso nicht mehr besteht wie zig andere Siedlungen im Einzugsbereich des Sperrgebiets. Und aus der „grünen Erde“, ebenfalls dem Basalt entstammend, wurde das sogenannte „Kaadner Grün“ – eine Malerfarbe – gewonnen.
30.11.2007