Preßnitztalbahn aktuell
Die grosse Militärtransportübung des Jahres 1863 zu Jöhstadt im Preßnitzthale
(Bericht mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Feldpostille der Königlich Sächsischen Armee vom 11. Mai d. J.)
Am Sonnabend, den 10. Mai d. J., fand entlang der Preßnitztalbahn ein Manöver von Truppenteilen aus Sachsen, Thüringen, Preußen und Österreich statt, das die besondere Rolle des seit wenigen Jahren neu eingeführten Transport- und Verkehrsmittels „Eisenbahn“ verstärkt in der militärischen Strategie und Taktik berücksichtigen sollte. Nachdem sich die sächsischen Truppen und ihre früheren und späteren Verbündeten (Anmerkung d. Red.: Man berücksichtige bitte, dass die Sachsen im 19. Jahrhundert eine hohe Flexibilität bei der Wahl der strategischen militärischen Partner an den Tag legten, womit sie aber nur partiell auf der Seite des Sieges Platz nahmen) bereits am Freitag im Feldlager in Steinbach sammelten, begann in den Vormittagsstunden das Verladen und Transportieren von Ausrüstung und Gerätschaften mittels modernster Eisenbahngerätschaften. Die ab 1881 durch die Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen für ihre im Aufbau befindlichen Schmalspurbahnen begonnene Beschaffung der Dampfloks der sächsischen Gattung I K stellte somit für dieses Manöver wahre Zukunftstechnik dar. Als Geschütze, Munition und Tross auf den vor Ort durch Ausweis der militärischen Befehlsgewalt von den Bahnbediensteten konfiszierten Wagen verladen waren, musste sich die Truppe im Stellungskampf über Zwischenstationen nach Jöhstadt fortbewegen. Auf Höhe einer häufig durch Fahrensleute und Pilgerer genutzten Ausspanne an einem Forellenteich geriet der Transportzug in einen Hinterhalt und unter kräftigen Beschuss. In nächster Nähe zu zahlreichen unbelehrbaren Ausflüglern wurde der Überfall aber durch die rasch absitzenden Jäger der 4. Kompanie schnell zurückgeschlagen, so dass rechtzeitig ein Evakuierungszug für an der Station zurückgebliebene Schaulustige nach Steinbach geschickt werden konnte. In der Station Schmalzgrube angekommen, wurden die Reihen wieder sortiert sowie Waffenappelle und Marschübungen durchgeführt, bevor nach dem mittäglichen Sonnenhöchststand die Vorwärtsbewegung in Richtung Jöhstadt wieder aufgenommen wurde. Ab der Station Schlössel wurde, nachdem Aufklärer auf dem weiteren Abschnitt feindliche Verbände gesichtet hatten, die Zugeinheit mit dem Geschütz voran geschoben, um schnell auf eventuelle Angriffe reagieren zu können. Infanteristen begleiteten den Zug und sicherten die eingenommenen Abschnitte. Nach der erfolgreichen Erfüllung der gestellten Manöveraufgabe verließen die beteiligten Truppen den Bahnhof Jöhstadt wieder per Zug gen Steinbach und übergaben die Befehlsgewalt an der Strecke wieder der zivilen Bahnverwalterei in Jöhstadt. Nach ersten Verlautbarungen des Oberbefehlshabers der Sächsischen Armee wurden die vor Ort festgestellten Bedingungen auf das Außerordentlichste gelobt und eine baldig Wiederholung der Übung in Aussicht gestellt, die Bahnverwalterei wurde gleichzeitig jedoch angewiesen, äußerste Diskretion zu wahren, auch gegenüber den Königlich Sächsischen Finanzministerium und den neugierigen Zeitungsverlegern.
(redaktionell gekürzt und an moderne Ausdrucksform und Begrifflichkeit für den geneigten Leser angepasst)
15.06.2017