Schmalspur- und Museumsbahn-Nachrichten
Jagsttalbahn - Bürgerentscheid im Juli 2011 gegen Reaktivierung
Am 10. Juli 2011 fand in Widdern ein Bürgerentscheid zum seit langem geplanten Neuaufbau des 7 km langen Teilstückes Jagsthausen – Widdern der Jagsttalbahn statt. 55,7 % der teilnehmenden Einwohner sprachen sich dabei gegen die Reaktivierung der 750-mm-Schmalspurbahn aus. Die Befürworter des Projektes haben dies mit großer Enttäuschung aufgenommen. An den Verein Jagsttalbahn e.V., die Jagsttalbahn AG sowie die Anliegergemeinden erfolgt damit keine Auszahlung von rund 2,4 Mio. Euro bereits vom baden-württembergischen Landtag bewilligter Fördergelder von Land, EU, Landkreis sowie Kommune. Die ursprünglich 39,2 km lange Schmalspurstrecke von Möckmühl nach Dörzbach wurde 1901 in Betrieb genommen. Der tägliche Güterverkehr endete 1951, der Schülerverkehr 1979. Doch bereits ab 1971 verkehrten auf der Gesamtstrecke Museums- bzw. Touristikzüge. Ende 1988 wurde dieser Verkehr jedoch aufgrund von Oberbaumängeln eingestellt, eine offizielle Stillegung der Jagsttalbahn ist jedoch bis heute nicht erfolgt. Alle Versuche, die Schmalspurstrecke seitdem zumindest teilweise zu reaktivieren, blieben bisher erfolglos – mehrere Teilstücke der Strecke wurden inzwischen sogar abgebaut.
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Welch große Enttäuschung – vor allem aber Ratlosigkeit und Hilflosigkeit – werden die Mitglieder des Jagsttalbahnvereins am Abend des 10. Juli wohl empfunden haben? Der Frust und Ärger seitens der Eisenbahnfreunde über die scheinbare Kurzsichtigkeit der Entscheidung ist zwar grundsätzlich verständlich, allerdings müssen auch diese sich den demokratischen Prozessen ihrer Umgebung unterordnen und deren Ergebnisse zur Kenntnis nehmen. Waren die Argumente „pro“ und die „entscheidenden Personen“ nicht stark genug? Bleibt die Frage, ob dieses Ergebnis auf andere Eisenbahnvereine und deren Interessen und Ziele übertragbar ist? Man möchte dies mit einem ganz klaren JEIN beantworten … Die Vergangenheit zeigt u. a. am Beispiel des Eisenbahnmuseums Darmstadt-Kranichstein, daß die umliegenden Einwohner trotz scheinbar zahlreicher Vorteile nicht uneingeschränkt für die Erhaltung oder den Betrieb einer Museumsstrecke zu begeistern waren und es schon Anfang der siebziger Jahre schafften, mit ihrem Veto einen Museumsbahnbetrieb in ihrem Umfeld zu unterbinden. Andererseits erscheint dem Außenstehenden die Preßnitztalbahn ein Paradebeispiel dafür zu sein, daß es Befürwortern der Museumsbahn immer gelungen ist, die Meinungsführerschaft zu behalten. Die Weitsicht für die Vorteile des Tourismus sowie eine langfristige Entwicklung der Region wurde in Jöhstadt glücklicherweise von den (wenigen?) Befürwortern dominiert, auch wenn der Verein über viele Jahre nur eine geringe Vernetzung in der Bevölkerung hatte. Gefeit ist niemand vor der engstirnigen, egoistischen Sichtweise Einzelner, die gesellschaftliche Investitionen immer hinsichtlich eigener Vor- und Nachteile abwägen. Die wichtige Erkenntnis aus dem Dilemma der Jagsttalbahn kann nur sein, bei den Bahnen und Vereinen die eigene Position und die Vorteile für die Region klar und lautstark hervor zu heben und dafür auch anerkannte Multiplikatoren in der Region zu finden. Die Freunde im Jagsttal mögen nun nicht resignieren, sondern nach neuen Wegen zur Umsetzung ihrer Ziele suchen. Anlaß für die Ablehnung der Bevölkerung waren keinesfalls durchweg Lärm- oder Rußbelästigungen, sondern vielmehr die gezielt geschürte Angst, die Kommune könnte in Zukunft regelmäßig Steuergeld in die Museumsbahn investieren müssen. Dieser, unter dem Deckmantel der Führsorge zutage getretene „Geiz“ ist natürlich ein Armutszeugnis für die Betreffenden in Widdern. Aber genau an dieser Stelle kann der Verein ansetzen: Wenn es ihm gelingt, auch ohne Steuergeld wenigstens einen Streckenabschnitt zu reaktivieren, dann nehmen sie den „Aus-Geiz-Nein-Sagern“ den Wind aus den Segeln. Einen Beleg dafür, daß Gleisbau auch ohne öffentliche Gelder möglich ist, kann man sich bei einem Teil der neuen Härtsfeldbahn im eigenen Bundesland anschauen. Also – nicht jammern, zupacken!
10.08.2011