Fahrzeuge im Porträt
Buffetwagen 970-507 der Preßnitztalbahn
Am 29. Januar 2010 wurde die grundlegende Aufarbeitung des 13. Sitzwagens der IG Preßnitztalbahn e.V. abgeschlossen. Seit dem 6. Februar kommt 970-507 regelmäßig auf der Museumsbahn Steinbach – Jöhstadt zum Einsatz. Im einst als Traglastenabteil genutzten Wagenbereich befindet sich nun eine kleine Bar, womit der Vierachser jetzt ebenfalls als Buffetwagen genutzt werden kann. Hier ein Porträt über das in dieser Form einmalige Fahrzeug.
Geschichtliches
Als breiteste Reisezugwagentype für die 750-mm-spurigen Sekundärbahnlinien in Sachsen beschafften die K.Sächs.Sts.E.B. 1913/14 insgesamt 95 in Bautzen und Werdau gefertigte sogenannte Traglastenwagen. Die komplett hölzernen Aufbauten der innerhalb der Gattung 729 geführten Waggons hatten eine Breite von 2,40 m, waren aber kürzer als die in den Jahren zuvor gelieferten Sitzwagen der Gattungen 711/720 – ihr Drehzapfenabstand betrug dadurch 7,50 m anstatt 8,10 m. Im Inneren befanden sich bei Indienststellung in allen 95 Fahrzeugen Holzbänke der 4. Klasse. Die außermittig angeordnete Abort-Kabine unterteilte die Wagen in ein großes und ein kleines Sitzabteil. Während im größeren Wagenabschnitt links und rechts vom Mittelgang jeweils fünf Doppelbänke quer zur Fahrtrichtung angeordnet waren, befand sich im kleineren Bereich das Traglastenabteil. In diesem war nur an den beiden Seitenwänden jeweils eine lange Sitzbank angebracht, so daß dort größere Körbe, kleinere Handwagen oder andere „Traglasten“ – sofern sie durch die vergleichsweise schmale Schiebetür paßten – abgestellt werden konnten.
Aufgrund des hohen Bedarfs an schmalspurigen Sitzwagen für die sächsischen Schmalspurbahnen beschaffte die Reichsbahn von 1922 bis 1926 nochmals 144 Wagen dieses Typs – in unveränderter Bauweise, ebenfalls mit äußerer Holzbeplankung. Erst die 22 in den Jahren 1928/29 von LHB in Bautzen gelieferten Nachbauwagen trugen ab Werk eine Blechverkleidung. Mit Abschaffung der 4. Klasse rückten alle „Traglaster“ 1928 in die 3. Klasse auf. In den fünfziger Jahren ließ die Reichsbahn auch fast alle noch vorhandenen Traglastenwagen der Baujahre 1913-1926 außen mit Blechen verkleiden. Außerdem erhielten viele Wagen neue Sitzbänke mit grünen Hartpolstersitzen.
Sowohl die weiterhin mit Holzbänken versehenen Schwesterfahrzeuge als auch die im Inneren bereits modernisierten Waggons führte die Reichsbahn ab 1958 innerhalb der Gattung KB4tr – womit sie einheitlich als 2.-Klasse-Fahrzeuge gekennzeichnet waren. 1956 hatte sich die DR einer internationalen Festlegung angeschlossen, der gemäß die bis dato 1. Klasse abgeschafft wurde und die Wagen der bisherigen 2. Klasse in die 1. Klasse aufrückten, während die bisherigen 3.-Klasse-Wagen der 2. Klasse zugewiesen wurden. Innerhalb der „neuen“ 2. Klasse waren Holzbänke zwar unerwünscht – in der Praxis blieben sie jedoch in vielen Fahrzeugen Alltag, bei der Berliner S-Bahn sogar bis Ende der neunziger Jahre.
Um wenigstens den Betriebseisenbahnern für den Schriftverkehr und die tägliche Einsatzplanung eine Differenzierung zwischen den „Holzklassen“ und den „Hartpolstersitzwagen“ zu ermöglichen, „reaktivierte“ die Reichsbahn Anfang der sechziger Jahre den Kleinbuchstaben „p“. Ende der vierziger Jahre kennzeichnete die DR die von ehemaligen Klein- und Privatbahnen in DR-Eigentum gelangten Wagen hinter der Betriebsnummer mit dem kleinen „p“ („privat“). Ab den sechziger Jahren ergänzte es hingegen bei den mit Hartpolstersitzen versehenen Wagen die Gattungsangabe (p = Polster). Derartige Wagen mit Traglastenabteil trugen damit nun die Bezeichnung KB4trp, während KB4 oder KB4tr ohne nachgestelltes „p“ noch mit ihren ursprünglichen 3.- oder 4.-Klasse-Holzbänken durch das Reichsbahnland gezogen wurden. Erst als in den achtziger Jahren bis auf die Traditionswagen alle schmalspurigen Reisezugwagen mit Hartpolstern versehen waren, entfiel das „p“ wieder und wurde nach Neulackierungen nicht mehr angeschrieben.
Einsatzgeschichte von 970-507
Der heutige Buffetwagen 970-507 wurde 1913 gemäß des Zeichnungssatzes für Fahrzeuge der laufenden Nummer 729 (Wagengattungsnummer) in der Waggon- und Maschinenfabrik AG vorm. Busch in Bautzen gebaut. Die K.Sächs.Sts.E.B. führten den 4.-Klasse-Wagen mit Traglastenabteil innerhalb der Gattung DD unter der Betriebsnummer 496 K. Wo er in den ersten Jahrzehnten in Sachsen zum Einsatz kam, ist derzeit nicht belegbar. Ab 1927 führte die DRG den Vierachser unter der Betriebsnummer Dresden K1226. Ab 1944 ist die Stationierung des Wagens in Thum nachgewiesen. 1950 änderte die Deutsche Reichsbahn seine Betriebsnummer zunächst in 7.1226, im Jahr 1958 in 970-507. Zuvor hatte er eine äußere Blechverkleidung und die im vorherigen Kapitel beschriebenen Hartpolstersitze erhalten, so daß er später innerhalb der Gattung KB4trp geführt wurde. Sowohl Ende der fünfziger als auch Ende der sechziger Jahre wurde 970-507 jeweils im Thumer Bestand geführt. Nach Einstellung des Reiseverkehrs im dortigen Netz gelangte der Traglastenwagen nach Cranzahl, wo er auch in den achtziger Jahren als Altbauwagen im Betriebspark blieb. Lediglich seine beiden originalen Schiebetüren wurden bei einem Aufenthalt in der Werkabteilung Perleberg des Raw Wittenberge durch Neubauten ersetzt, was an den in schwarzen Gummis eingefaßten und an den Ecken abgerundeten Fenstern in den Türen erkennbar ist. Alle seitlichen Fallfenster sind hingegen bis heute in den typischen eckigen Aluminiumrahmen aus den fünfziger/sechziger Jahren eingefaßt.
Durch die Umrüstung der modernisierten Reisezugwagen der CW-Linie auf Druckluftbremsen nahmen die Einsätze von 970-507 Anfang der neunziger Jahre ab. Die Zahl saugluftgebremster Altbauwagen schmolz auf vier zusammen. Gemeinsam mit den baugleichen 970-544 (seit Mai 2008 in Schönheide Süd) und 970-559 (seit April 1994 in Jöhstadt) kam er nur noch gelegentlich mit 99 586 zum Einsatz (z. B. im Winter 1993), da alle anderen Triebfahrzeuge der Oberwiesenthaler Dienststelle bereits über eine Druckluftbremse verfügten. Von 1996 bis zum Mai 1998 half der Vierachser als Leihgabe auf der Strecke von Radebeul Ost nach Radeburg aus – unterbrochen von einem einwöchigen Einsatz im August 1997 im Sonderzugverkehr zwischen Cranzahl und Oberwiesenthal. Die seit 1998 die Betriebsführung der Schmalspurbahn Cranzahl – Kurort Oberwiesenthal innehaltende BVO Bahn GmbH (am 9. Mai 2007 in SDG umbenannt) untersagte fast ein Jahrzehnt den Einsatz von mit Saugluft gebremsten Fahrzeugen auf der Strecke an den Fuß des Fichtelbergs. Für die im Eigentum des damaligen Landkreises Annaberg befindlichen Altbauwagen gab es dadurch ab 1998 vor Ort keine Verwendung mehr.
970-507 bei der Preßnitztalbahn
In Vorbereitung der Festwoche „Steinbach 2000“ vereinbarte die IG Preßnitztalbahn e.V. im Sommer 2000 mit dem Landkreis Annaberg, den seit Mai 1998 abgestellten 970-507 als Leihgabe nach Jöhstadt holen zu dürfen. Nach einer Aufarbeitung und Untersuchung des Fahrwerkes nahm der Traglastenwagen im August 2000 an den Eröffnungsfahrten der Museumsbahn bis Steinbach teil. Der zuvor viele Jahre im Freien abgestellte Vierachser versprühte dabei aufgrund seiner ausgeblichenen Lackierung und abgewetzten Sitze den „Charme“ der öffentlichen Schmalspurbahnen in der DR-Endzeit. Nichtdestotrotz war er eine wichtige Hilfe, um dem Fahrgastandrang während der Festwoche besser gerecht zu werden.
Anschließend verblieb 970-507 im Preßnitztal und kam bei Bedarf in den regulären Museumszügen zwischen Jöhstadt und Steinbach zum Einsatz. Parallel führte der Verein mit dem Landkreis Annaberg als Eigentümer des Wagens zahlreiche Gespräche für eine dauerhafte Nutzung von 970-507 als Museumsfahrzeug auf der Schmalspurbahn Steinbach – Jöhstadt – zunächst ohne Ergebnis. In Aussicht auf eine bis Ende 2008 befristete Nutzungsvereinbarung führte die IG Preßnitztalbahn e.V. im September 2001 wichtige Erhaltungsarbeiten an dem Fahrzeug aus, nach denen er im Standard der Museumsfahrzeuge der IG Preßnitztalbahn in Betrieb genommen werden konnte. Allerdings zeigte sich immer mehr die Notwendigkeit einer grundlegenden Aufarbeitung des Wagens – beispielsweise konnte seine Verwendung in den Adventssonderzügen 2007 nur nach umfangreichen Dacharbeiten sichergestellt werden. Vor der Himmelfahrtswoche 2007 ging der Traglastenwagen auf große Reise in den Norden: Er bereicherte für ein paar Tage den Fahrzeugpark der Schmalspurbahn Mesendorf – Lindenberg.
Im März 2008 gelang es, mit dem Landkreis Annaberg als Eigentümer sowie mit der Sächsischen Dampfeisenbahngesellschaft mbH als bisherigen Verwalter des Fahrzeuges einen mehrjährigen Leihvertrag zu unterzeichnen. Dieser wurde am 9. Mai 2008 der IG Preßnitztalbahn e.V. überreicht und regelte auch die Nutzung des baugleichen Wagens 970-495, der am 23. Mai 2008 von Cranzahl nach Jöhstadt gekommen war. Im Juli 2009 gingen beide Wagen in das Eigentum des Vereins über.
Bereits Anfang Januar 2009 begann die grundlegende Instandsetzung aller Baugruppen von 970-507. Diese beinhaltete eine gründliche Aufarbeitung des fahrzeugtechnischen Bereiches (Drehgestelle, Zug- und Stoßvorrichtung sowie Bremsanlage) und die Großteilerneuerung des Wagenkastens. Der verschlissene Holzaufbau wurde dazu am 22. Januar 2009 nach Zwönitz gebracht, wo diese Arbeiten nach wenigen Monaten abgeschlossen werden konnten. Der Fahrzeugrahmen wurde wie gewohnt sandgestrahlt. Für den Einsatz in mit Druckluft gebremsten Zügen erhielt 970-507 eine kombinierte Saugluft-/Druckluft-Bremsanlage. Nach dem Aufsetzen des fast komplett erneuerten Wagenkastens auf den Rahmen am 7. Juli 2009 im Bahnhof Steinbach – siehe PK 109 – erfolgte die Unterstellung und weitere Komplettierung in der Ausstellungs- und Fahrzeughalle Jöhstadt. Neben nach altem Vorbild nachgefertigten Hartpolstersitzen erhielt er im großen Sitzabteil kleine Holztische und im ehemaligen Traglastenabteil eine Ausschanktheke mit Zapfhahn eingebaut. Ähnlich wie im Einheitswagen 970-458 kann dort nun frisches Sternquell-Bier gezapft werden, zusätzlich ist aber natürlich auch der Verkauf von anderen Getränken oder Kuchen sowie Keksen möglich. Im Abort-Abteil befindet sich ein geschlossenes Toilettensystem mit Wasserversorgung.
Seit 6. Februar 2010 kommt 970-507 als 13. Sitzwagen der IG Preßnitztalbahn e.V. regelmäßig auf der Museumsbahn Steinbach – Jöhstadt als Buffetwagen zum Einsatz und erfreut sich aufgrund seiner Bewirtschaftung bei den Fahrgästen großer Beliebtheit.
08.08.2010