Fahrzeuge im Porträt
Inbetriebnahmeverfahren der I K – von langer Hand vorbereitet
Das gesamte Projekt zum Bau der I K Nr.54 stand von Anfang an unter der Prämisse, eine betriebsfähige Lokomotive zu erhalten. Diese sollte soweit wie nur möglich den Originalen aus den Jahren 1881 bis 1892 nahe kommen und damit keine wirklich „neue“ (im Sinne von moderne) Lok werden – gleichwohl sollte sie nach heute gültigen Regeln für den sicheren Betrieb auf einer Eisenbahninfrastruktur zugelassen werden. Aus diesem Grund wurde durch die Arbeitsgruppe Technik, die die technischen Grundlagen für die Fertigung der Einzelteile und den Zusammenbau der Lok in Meiningen gelegt hatte, von Anfang an eine regelmäßige Abstimmung mit dem Landesbevollmächtigten für Bahnaufsicht (LfB) betrieben. Bereits in der Konzeptphase zum Projekt, Monate vor der ersten öffentlichen Bekanntgabe des Vorhabens am 12. Januar 2006, war Dr. Henkel unterrichtet. Mit ihm waren damals schon die Grundlagen für die Zulassung der Lok besprochen worden. Zu wichtigen technischen Details, die von der Original-I K abweichen mußten, wurde frühzeitig eine Zustimmung vom LfB eingeholt, um nicht später in Erklärungsnöte zu geraten.
Im Herbst 2008, als die Terminplanung einen baldigen Montagestart für die Lok im Januar 2009 vorsah, wurden zwischen Dr. Henkel und Arbeitsgruppenleiter Jörg Müller schrittweise die Dokumentationsanforderungen für die Inbetriebnahme konkretisiert. Einerseits stand natürlich das Dampflokwerk Meiningen in der Dokumentationspflicht für seinen Leistungsumfang. So mußte das Werk entsprechend seiner Eigenschaft als Fahrzeughersteller auch die Konformität mit den Zeichnungen und die Erfüllung der Forderungen der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung für Schmalspurbahnen bescheinigen. Andererseits hatte der VSSB aber auch einen immensen Teileumfang für die Montage beigestellt. Auch über diesen mußte eine angemessene Dokumentation vorliegen. Neben der Zusammenstellung von Inbetriebnahmedokumentation und Betriebsbuch für die Lok stand die Forderung, bestimmte Leistungsparameter und Betriebseigenschaften im Rahmen eines Erprobungsprogramms zu testen. Parallel zu den eigenen Aktivitäten zur Vorbereitung der Fahrzeugzulassung seitens des VSSB wurde auf Anforderung des LfB ein externer Sachverständiger beauftragt, der auf der Grundlage der verfügbaren historischen Dokumentenlage und der aktuellen Konstruktion eine Übereinstimmungserklärung erstellen sollte, die bestätigt, daß die I K Nr. 54 zu Recht „eine sächsische I K“ ist. (Das ist sie auch!)
Erprobungsprogramm in zwei Teilen
Weil sich die ursprünglich vor der „Willkommens-Tour“ der Lok, die Ende März terminlich fixiert werden mußte, vorgesehene Zeitspanne für die Durchführung der Betriebserprobung durch verschiedentlich verursachte Verzögerungen im Montageablauf in Meiningen soweit zusammenschob, daß an ein komplettes Abarbeiten des Programms im Juni nicht mehr zu denken war, mußte umgeplant werden. Da die Lok am 4. Juli, als Höhepunkt der „Willkommens-Tour“, in Radebeul unter Dampf präsentiert werden sollte, mußte nachgewiesen sein, daß die Lok betriebssicher eingesetzt und die Weichen der Infrastruktur der Lößnitzgrundbahn im Bereich des Bahnhofes befahren kann. Der Betriebsleiter der SDG machte eine entsprechende Betriebsgenehmigung des LfB zur Voraussetzung für diesen Fahrteinsatz. Weil schließlich erst Freitag, der 26. Juni 2009, der Abschiedstag für die Lok aus Meiningen sein würde, am 28. Juni um 18.00 Uhr aber bereits die öffentliche Verladung als Auftakt zur Tour durch Sachsen stattfinden sollte, stand nur noch wenig Zeit zur Verfügung, die Betriebs- und Einsatzsicherheitsnachweise zu erbringen. Nach der Tournee auf dem Tieflader sollte ab 8. Juli dann der zweite Teil des Erprobungsbetriebes stattfinden.
Mit Handschlag zwischen DLW-Werkleiter Jürgen Eichhorn und VSSB-Vorsitzenden Dr. Andreas Winkler am 25. Juni in Meiningen wurde die Lok formal an den VSSB übergeben. Dieser übergab sie entsprechend der Vereinbarung vom 2. April (siehe PK 107, S.19) an die Preßnitztalbahn. Mit gleichem Datum wurde beim LfB durch die Preßnitztalbahn die Genehmigung zum Erprobungsbetrieb beantragt, die durch Dr. Henkel am 26. Juni, 16.30 Uhr in Jöhstadt eintraf.
Nachweis der Betriebssicherheit und Einsatzfähigkeit
Rund eine halbe Stunde nach dem Eingang des Faxes in der Geschäftsstelle erreichte die neue Lok in Steinbach die Gleise der Preßnitztalbahn. André Dörfelt, Frank Reißig und Frank Tittel begannen wenig später, unterstützt durch die heißes Kesselwasser spendende IV K 99 1568-7, mit dem Anheizen der Lok. Systematisch wurde die Lok in den folgenden Stunden, während der Kesseldruck langsam stieg, vom betreuenden Lokpersonal durchgecheckt, abgeölt und auf die erste Streckenfahrt vorbereitet. Gegen 22.30 Uhr war es soweit, die Lok bewegte sich erstmals aus eigener Kraft auf dem Gleis 1 des Bahnhofes Steinbach. Nach einigen Fahrten auf dem Gleis mit Erprobung der Wirksamkeit von Dampf- und Wurfhebelbremse ging es an den von der IV K mitgebrachten Zug aus zwei Reisezugwagen. Die erste Fahrt nach Jöhstadt – bei nächtlicher Dunkelheit – sollte bereits mit Last erfolgen. Sicherlich ein Wagnis, aber nach den bisher vorliegenden Kenntnissen ein überschaubares, zumal die 99 1568-7 in Sichtabstand folgte. 23.30 Uhr startete die erste Zugfahrt der I K. An jeder Station wurde ein Halt eingeplant, um nach Lagerstellen, Schmierzustand und sonstigen Unregelmäßigkeiten zu schauen. Am Haltepunkt Stolln gab es ein paar unruhige Minuten – das linke Hauptkuppelstangenlager war heiß. Jetzt hieß es zunächst Warten, das Stangenlager leicht lösen, Ölen, Warten. Nach einer halben Stunde bestand Einigkeit, ein weiteres Streckenstück in Angriff zu nehmen. Weiter ging es mit regelmäßigen Kontrollhalten an allen Stationen. Entwarnung am Triebwerk, das heiße Lager kühlte langsam ab. Für die Beiden auf der Lok – PRESS-Ausbildungslokführer Frank Reißig und I K-Chefkonstrukteur André Dörfelt – wird die Fahrt, die gegen 1.30 Uhr in Jöhstadt endete, sicherlich lange in Erinnerung bleiben. Wann bekommt man eine Dampflok wieder einmal zur Jungfernfahrt unter die Finger?
Hans Ehl und zwei Kollegen der Triebfahrzeugabnahme des Dampflokwerks waren wie vereinbart am Sonnabendmorgen in Jöhstadt eingetroffen – und staunten nicht schlecht über die erste Streckenfahrt zu nächtlicher Stunde. Gemeinsam mit dem Personal der Preßnitztalbahn wurde die Lok nach ihrer ersten wirklichen Belastung gründlich durchgesehen. Stangen- und Achslager, Bremsanlage, Ölgefäße waren akribisch zu überprüfen, ob sie funktionsgerecht arbeiten. In der Fahrzeughalle wurden Aschkasten, Bremse und innere Wasserkästen von unten begutachtet. Im engsten Gleisbogen auf der Preßnitztalbahn mit rund 50 Meter Bogenradius im Bahnhof Schlössel, bei Befahrungstests auf der einzigen in Sachsen noch befahrbaren Doppelkreuzungsweiche in der Bauform Va sowie mit der Last von mehreren Wagen mußte die Lok beweisen, daß sie betriebssicher auch bei anspruchsvollen Gleisbedingungen fahren kann.
Einzelne Feststellungen von Problemen und Änderungsansätzen, die in späteren Tests sowie durch Modifikationen abgearbeitet werden sollten, waren zu protokollieren. Mit der (unerwarteten) eigenständigen Fahrt der I K am 28. Juni zu ihrer Verladung auf den Tieflader wurde ein erster Höhepunkt der nun folgenden „Willkommens-Tour“ geboten. Mit Antrag vom 1. Juli unter Vorlage des umfangreichen Protokolls zur Erprobung wurde beim LfB der Antrag zur Indienststellung und damit verbundener Genehmigung für die Fahrten am 4. Juli in Radebeul gestellt. Als die Lok am späten Abend des 3. Juli in Radebeul ankam, lag die Genehmigung für ihre Fahrt zur Taufe im Bahnhof Radebeul Ost bereits vor.
Zweiter Teil – Erprobungsbetrieb und Personalschulung
Am 8. Juli 2009 kehrte die I K Nr. 54 nach Steinbach zurück und wurde wiederum unverzüglich fahrbereit gemacht, denn der zweite Teil des vorgesehenen Erprobungsprogramms sollte schnell begonnen werden. Schwerpunkt in den folgenden Tagen sollten Belastungsfahrten mit der Lok und unterschiedlichen Zuglasten sein, um die Einsatzgrenzen des Fahrzeuges genau kennenzulernen. Bei den Fahrten wurde auch der Verbrauch an Betriebsstoffen genau dokumentiert. Zur vereinfachten Feststellung der Fahrzeuglastverteilung erfolgte in der Ausstellungs- und Fahrzeughalle der Preßnitztalbahn eine Kupferdrahtprobe, mit der die Quer- und Längsgewichtsverteilung der I K festgestellt werden konnte. Mit Bremsprobefahrten unter Einsatz der Dampfbremse bzw. der Wurfhebelbremse wurde eine Meßwertreihe mit den aufgenommenen Bremswegen erstellt, um daraus das Bremsgewicht des Fahrzeugs ableiten zu können. Am Freitag, dem 10. Juli, konnte dem Landesbevollmächtigten für Bahnaufsicht die Funktion und Zuverlässigkeit der Lok bei einer weiteren Probefahrt vorgeführt werden. In den folgenden Wochen fanden mehrfach Probefahrten mit der I K zwischen Schmalzgrube und Jöhstadt statt, da dieser Streckenabschnitt mit einem Steigungsverhältnis von 1:40 auf rund drei Kilometern Länge mit zu den steilsten Abschnitten auf den sächsischen Schmalspurbahnen gehört.
Bei diesen Fahrten wurde das teilweise schlechte Ausströmverhalten des Abdampfes aus Rauchkammer und Kobelschornstein intensiv analysiert. Die starken Abdampfverwirbelungen bewirkten starken Gegendruck in die Rauchrohre, was zu schlechterer Wärmeentwicklung in der Feuerbüchse und damit schlechter Ausnutzung der Verdampfungsleistung führte. Mit dem Herantesten an bessere Abdampfströmungen durch Einbau eines zusätzlichen Steges auf dem Blasrohrkopf konnten die Strömungsverhältnisse in Rauchkammer und Funkenfängerschornstein erheblich optimiert werden.
Auch der im Dampflokwerk Meiningen eingebaute Feuerschirm erwies sich konstruktiv als ungeeignet, da seine Unterkante zu wenig Platz für das Feuerbett bis zur Rostlage bot. Dank der auf IV K-Abmaße vergrößerten Feuertür konnte der Einbau eines höher angeordneten Feuerschirms durch den Einstieg eines Mitarbeiters in die Feuerbüchse erfolgen. Regelmäßiger Arbeitsschwerpunkt während des Erprobungsprogramms war weiterhin die Prüfung aller gleitenden und mit Gleitlagern versehenen Teile, der Ölgefäße und Schmierstellen am Fahrzeug. Dabei wurde der Schieberlauf überprüft und bei dieser Gelegenheit die Füllungsprozente für die Skala am Steuerbock ermittelt.
Im Ergebnis der ehrenamtlich in Freizeit, Urlaub und nach der regulären Arbeit durchgeführten Fahrzeugerprobung konnten die theoretisch ermittelten Leistungsparameter für die Lok und die prognostizierten Verbrauchswerte im Betriebseinsatz auf der Strecke zwischen Steinbach und Jöhstadt bestätigt werden. Mit ihrer Zugkraft und Dampfleistung kann die I K auf der Preßnitztalbahn vor bis zu drei besetzten Personenwagen eingesetzt werden – auf anderen, weniger steigungsreichen Strecken in Sachsen wird dies gesteigert werden können. Die Probefahrten mit der Lok wurden parallel auch zur Einweisung von weiteren Lokführern und Heizern genutzt, die nun in der Lage sind, selbständig auch dieses Fahrzeug zu führen. jm
(Hinweis: Ein Teil des Textes ist im entsprechenden Kapitel des Buches „Sächsische I K – Wiedergeburt einer Legende“ verarbeitet, das ab Herbst 2009 erhältlich ist.)
09.08.2009