Nachrichten von der Insel Rügen
Rügensche BäderBahn startete am 18. März
Wieder Dampf über der Insel
Seit Dienstag, 18. März, fahren auf Deutschlands größter Insel wieder die Schmalspurdampfzüge. Vorausgegangen war eine 77-tätige Betriebspause ohne Zugbetrieb auf der Schmalspurbahn auf Rügen zwischen Lauterbach Mole und Göhren. Grund dieser, besonders für Urlauber in dieser ereignisärmeren Zeit ärgerlichen Betriebsruhe war das Ende des Verkehrsvertrages für den bisherigen Betreiber, während der Neue noch nicht starten konnte. (siehe Bericht PK 100) Daß es nun seit Mitte März wieder Dampfwolken über der Landschaft zu erleben gibt, ist einer logistischen Kraftanstrengung der Eisenbahn-Bau- und Betriebsgesellschaft Pressnitztalbahn mbH (PRESS) zu verdanken, die innerhalb weniger Tage einen kompletten Fuhrpark durchs Land transportierte. Mit geliehenen Fahrzeugen aus Sachsen konnte damit über die Osterfeiertage der Zugbetrieb zwischen den Ostseebädern Binz und Göhren wieder aufgenommen werden.
Schildbürgerstreich oder Notwendigkeit?
Für Außenstehende mag es nach einem Schildbürgerstreich anmuten, einen kompletten zusätzlichen Fahrzeugpark auf die Insel zu bringen, während das dortige Betriebsinventar auf dem Abstellgleis verbleibt. Versucht man jedoch, auch die Rechtslage einzubeziehen, wird klar: Der Eigentümer entscheidet! Noch ist der bisherige Betreiber, die Rügensche Kleinbahn GmbH & Co., Eigentümer der Fahrzeuge und des Anlagevermögens, aufgrund weiterhin ungeklärter Modalitäten und Bedingungen konnte die ausschreibungsseitig vorgesehene Übernahme des Inventars durch den Landkreis noch nicht erfolgen, der Landkreis kann damit diese Ausstattung auch noch nicht an die PRESS übergeben.
Die PRESS hatte im Verlauf der Angebotsphase für die Ausschreibung bereits erklärt, notfalls in der Lage zu sein, Fahrzeuge für einen Übergangsbetrieb bereitstellen zu können. Diese Zusage wurde, nach Feststellung der Gültigkeit der Vergabeentscheidung Anfang Februar auch kurzfristig umgesetzt, nachdem sich bis Anfang März noch keine substantiellen Fortschritte bei den Verhandlungen zur Fahrzeugübernahme abzeichneten.
Mit den geliehenen Fahrzeugen der SDG Fichtelbergbahn, der SOEG Zittau und der Preßnitztalbahn Jöhstadt wird nun der Übergangsbetrieb realisiert, bis der eigentliche Rügener Fahrzeugpark verfügbar und einsatzbereit ist. Dementsprechend wurden die Laufzeiten der Leihverträge für die Fahrzeuge vereinbart. Da innerhalb weniger Tage eine komplette Zuggarnitur auf Rügen zur Verfügung stehen sollte, kamen neben dem Spezialtieflader der PRESS auch noch andere Speditionen mit geeigneter Technik zum Einsatz.
RüBB – Neuer Name und Neuanfang
Der Betrieb der Schmalspurbahn wurde durch die PRESS unter dem Namen „Rügensche BäderBahn“ aufgenommen. Eine Entscheidung, die ganz bewußt als Hinweis auf eine neue Betriebsepoche – aber auch mit Beachtung der rechtlichen Situation getroffen wurde. Die Bezeichnung RüKB ist der Name der Firma des bisherigen Betreibers. Eine Betriebsübernahme war und ist nicht vorgesehen, so dass diese Bezeichnung auch nicht von anderen verwendbar ist.
Die Marke „RüBB“ für den neuen Betrieb zeugt einerseits von Augenmaß bei der regionalen Identifikation der Eisenbahn, signalisiert andererseits jedoch auch deutlich nach Außen den Willen, einen Neuanfang auf den Gleisen zu starten. Daß ein Neuanfang für einen Betrieb zuallererst auch mit veränderten organisatorischen Bedingungen einhergeht, dürfte für jeden eine Selbstverständlichkeit sein. Mit der vorgesehenen Übernahme des bisherigen Personals der RüKB wird die RüBB logischerweise Änderungen in den Anforderungen an die Mitarbeiter vornehmen. Schließlich ist die PRESS deutschlandweit auf der Schiene tätig.
Doch bis es soweit ist, wird auch das Personal für die Züge von der PRESS gestellt, die RüKB-Mitarbeiter verbleiben derweil – mit Ausnahme der Beschäftigten im Infrastrukturbereich – im bezahlten Ruhestand. Auch dies ist wiederum eine Konsequenz, die sich aus den offenen Verhandlungen ergeben.
Die ersten Tage Rügendampf
Am 11. März beauftragte die Verkehrgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern mbH (VMV) die PRESS offiziell mit der Einrichtung eines Übergangsverkehrs mit eigenen Fahrzeugen und Personal auf der Strecke zwischen Binz und Göhren. Ab Montag, 10. März, kümmerte sich ein erstes Vorausteam um die Vorbereitung des Betriebes. Kurzfristig wurde die Entscheidung getroffen, mit der Sanierung des Lokschuppens Göhren zu beginnen, um den Betriebspersonalen dort zumutbare Arbeitsbedingungen bieten zu können. In den Folgetagen gaben sich dann verschiedene Handwerkerfirmen die Klinke in die Hand. Besonders die sanitären Anlagen ließen im vorgefundenen Zustand keine akzeptable Nutzung zu.
Als erstes Fahrzeug brachte die PRESS die verkehrsblaue Diesellok V10C 199 008 von der Museumsbahn Steinbach – Jöhstadt nach Putbus. Die Lok hatte hier den Rangierdienst zu übernehmen, insbesondere die in den folgenden Tagen anrollenden Schmalspurfahrzeuge aus Sachsen vom Tieflader auf das Zugbildungsgleis zu bringen. Inzwischen wurden auch die verkehrlichen Vorbereitungsarbeiten intensiviert, der Fahrplan auf Grundlage der Bestellung durch das Land ausgearbeitet, Fahrausweise und Abrechnungsunterlagen gedruckt sowie Dienstpläne und -anweisungen erstellt.
Mit der eigentlichen Überführung der Fahrzeuge nach Göhren und der Betriebsaufnahme der regulären Fahrten konnte jedoch noch nicht begonnen werden, da seitens der RüKB noch kein Trassenangebot vorlag. Inzwischen wurde aber auch für den Betriebsstoffvorrat der Züge der RüBB vorgesorgt, in Göhren erfolgte die Anlieferung einer ersten Ladung Steinkohle. Am Sonntag, 16. März, startete dann der erste Zug aus Fahrzeugen der SDG Fichtelbergbahn mit VII K 99 773 an der Spitze nach Göhren, zwischen Binz und Göhren wurde die Fahrt gleich zur Personalschulung und örtlichen Einweisung des PRESS-Personals genutzt.
Während in Zittau weitere Fahrzeuge, darunter VII K 99 787, verladen werden, hatte der LfB und das Verkehrsministerium eine Probefahrt des Zuges für Dienstag, 18. März, angesetzt, die ursprüngliche Absicht des Landes, bereits ab 17. März den Übergangsbetrieb zu starten, scheiterte am noch immer fehlenden Trassenangebot des Eisenbahninfrastrukturbetreibers. Am 18. März, 13.34 Uhr, endete dann die eisenbahnfreie Zeit auf den Schmalspurgleisen auch für die Fahrgäste, der erste Zug startete mit rund 100 Fahrgästen von Göhren nach Putbus. Am ersten vollständigen Verkehrstag der Dampfbahn zwischen den beiden Ostseebädern, welcher sich entsprechend der gebirgigen Herkunft der sächsischen Fahrzeuge in winterlichem Weiß präsentierte, wurden die Züge von über 1.000 Fahrgästen genutzt. Am Abend des folgenden 20. März trafen auch Lok und Wagen der SOEG aus Putbus in Binz ein und verstärkten nun den Fahrzeugpark für den anstehenden Osterverkehr.
Die Osterfeiertage forderten Personal und Technik ganz besonders, zahlreiche Einschränkungen bei der Nutzung der Infrastruktur mußten mit Provisorien umgangen werden. Vielfach war die Kapazität der Fahrzeuge der Beförderungsnachfrage kaum gewachsen – trotz der kurzen Vorinformationszeit hatte sich die Aufnahme des Zugbetriebes durch entsprechende Mithilfe der Kurverwaltungen und Verkehrsämter schnell herumgesprochen. Speziell für die erwartete Nachfrage nach Fahrradtransportkapazität wurde der Einheitspackwagen 974-378 der Preßnitztalbahn nach Rügen gebracht, durch die Rückkehr des Winters blieb der Ansturm mit den Drahteseln aber gering.
Wann herrscht wieder Normalbetrieb?
Diese Frage kann momentan weder die Betriebsleitung der Rügenschen BäderBahn noch von den Verhandlungsführern des Landkreises und des Landes zu beantworten. Zu viele Fragen sind weiterhin offen. Nach noch unbestätigten Meldungen hat der Landkreis Ende März das Anlagevermögen für rund 3 Mio. Euro erworben, einzelne Fahrzeuge und Ausrüstungen für die Infrastrukturunterhaltung sollen aber davon noch ausgenommen sein. Ziel der RüBB ist es momentan, spätestens am 1. Mai einen 2-Zug-Betrieb aufnehmen zu können – mit einem Umlauf ab Göhren mit den sächsischen Fahrzeugen, eine zweite Garnitur mit 99 4801 und 99 4802 von Putbus aus. (Allerdings fehlen einer dieser Loks noch einige Teile.) Aber: Ein erster Schritt zu neuer Normalität!
06.04.2008