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Rezensiert: Die Schmalspurbahn Mulda – Sayda
Wolfram Wagner, Peter Wunderwald
Die Schmalspurbahn Mulda – Sayda
Große Chronik einer kleinen Bahn
257 Seiten B5, 38 Farb- und 112 S/W-Fotos Preis: 29,90 €
Dem Verfasser vorliegender Rezension wurde nach der Veröffentlichung sehr positiv wertender Büchervorstellungen schon einmal angetragen, er möchte seine Buchbesprechungen in Zukunft etwas weniger überschwenglich schreiben. Doch wenn ein Eisenbahnbuch solch überschwengliche Freude auslöst wie das neue Werk zur Schmalspurbahn Mulda – Sayda, so wäre eine gemäßigte Schreibweise einfach nur untertrieben und damit unangebracht. Um es vorweg zu nehmen: Das Mitte Juli erschienene Buch „Die Schmalspurbahn Mulda – Sayda: Große Chronik einer kleinen Bahn“ soll an dieser Stelle hoch lobend vorgestellt werden, ohne daß dies Polemik oder Übertreibung ist.
Was die Autoren Wolfram Wagner und Peter Wunderwald bzw. die IG Verkehrsgeschichte e.V. als Verlag hier wieder einmal auf die Beine gestellt haben, dürfte in jedem Freund sächsischer Schmalspurbahnen einfach nur die pure Begeisterung auslösen. Auf stolzen 257 Seiten im B5-Format beschreiben die Autoren die Historie der schon 1966 stillgelegten Eisenbahn durch das Chemnitzbachtal mit der von Wilsdruffer Bahnbüchern bekannten Akribie. Alle für ein vollwertiges Streckenporträt üblichen Parameter zur Geschichte einer Eisenbahnstrecke werden betrachtet: Von den ersten Anfängen über die Erbauung und die Eröffnung, die einzelnen Betriebsepochen bis hin zur Stilllegung und den heute noch vorhandenen Relikten findet der Leser ausführliche Informationen, ebenso zu technischen Kapiteln wie Lok- und Wageneinsatz usw. Was dem Rezensenten erneut besonders positiv auffiel, ist die Auswahl der Fotos sowie deren Wiedergabequalität. Obwohl die Schmalspurbahn Mulda – Sayda vor inzwischen 40 Jahren eingestellt wurde und die Eisenbahnfarbfotografie vor 1966 bekanntlich noch lange keine allgemein anerkannte Freizeitbeschäftigung war, konnten die Autoren zahlreiche historisch sehr wertvolle Farbaufnahmen aus den 1950er und 1960er Jahren ausfindig machen, die teilweise sogar auf der MS-Linie nur sporadisch eingesetzte Lokomotiven zeigen, wie beispielsweise die in Mügeln beheimatete 99 574 noch als Altbaulok. In die digitale Nachbearbeitung der alten, verblichenen Farbdias wurde offensichtlich viel Geld investiert, denn fast alle der Farbfotos sehen aus, als wären sie in heutiger Zeit entstanden. Ebenso wartet „Die Schmalspurbahn Mulda – Sayda“ mit sehr schönen Schwarzweißaufnahmen auf. Unter diesen befinden sich neben den zahlreichen Epoche-III-Fotos sogar einige bisher unveröffentlichte Fotografien aus der DRG/DRB-Zeit vor 1945.
Gedankliche Ausflüge bieten die Autoren mit den Kapiteln zu einer 750-mm-Werkbahn in Olbernhau, zur einstigen Freiberger Straßenbahn, aber auch zu der in der Region gelegenen, jedoch in der Literatur bisher nur äußerst spärlich bedachten regelspurigen Schweinitztalbahn von Olbernhau-Grünthal nach Deutschneudorf. Übrigens spendet die IG Verkehrsgeschichte Wilsdruff e.V. von jedem verkauften Exemplar des Mulda-Sayda-Buches einen Euro für das I K-Neubauprojekt des VSSB.
Fazit: Es dürfte unstrittig sein: Das neue Buch zur Strecke Mulda – Sayda stellt ein wirklich herausragendes Werk in der Reihe der Monographien zu sächsischen Eisenbahnstrecken dar. Eine der letzten Bahnlinien, zu denen es bislang noch kein ausführliches Buch gab, erhält damit ein würdiges Denkmal. Der Titel kann uneingeschränkt zum Kauf empfohlen werden. Einen kleinen Haken hat das Buch dennoch: Allein die schönen Fotos regen zu einer persönlichen Mitfahrt mit der Schmalspurbahn Mulda – Sayda an. Sollte sich jemand tatsächlich auf die Fersen dorthin machen, wird die Ernüchterung groß sein. Denn so schön und so idyllisch wie im Buch sieht die (Schmalspurbahn)-Welt zwischen Mulda und Sayda bereits seit vier Jahrzehnten nicht mehr aus.
28.07.2006