Fahrzeuge im Porträt
Lokomotive 423.094 des KHKD Prag zu Gast beim VSE
I. Einführung
Nach der Gründung der Tschechoslowakischen Republik im Ergebnis des Ersten Weltkrieges lief langsam die Beschaffung österreichischer Lokomotivtypen durch die neugegründete Staatsbahn CSD aus. Als Lokomotivproduzenten waren neben den Skoda-Werken in Pilsen auch die Firma CKD, die vormalige Erste Böhmisch-Mährische Maschinenfabrik in Prag, vorhanden. Schon Anfang der Zwanziger Jahre begann die Staatsbahn die Beschaffung neuer Lokomotiven einzuleiten. Besonders die zahlreichen Lokalbahnen in dem gebirgigen Land benötigten dringend eine Ablösung für die bisher eingesetzten alten österreichischen Typen. 1921 lieferte die Firma CKD die ersten Lokomotiven der Baureihe 423.0 an die CSD aus.
II. Beschreibung der Bauart
Der Kessel entspricht der normalen Lokomotivbauart mit Kupferfeuerbüchse. Auf dem Dampfdomdeckel befinden sich zwei Sicherheitsventile. Zum Abschlammen dienen insgesamt drei Abschlammschieber. Das Vorderfeld des Rostes ist kippbar, die Roststäbe sind durch einen Aluminiumbezug vor vorzeitigem Abbrennen geschützt. Um zu verhindern, daß beim Dampfeinlaß in den Ventilregler Wasser mitgerissen wird, ist der Dampfdom mit einem Wasserabscheider versehen. Der Kessel mit einer Rostfläche von 2 m² wird mit einem Dampfdruck von 13 bar betrieben. Einer Gesamtheizfläche von 105 m² ist ein Kleinrohrdampfüberhitzer System Schmidt mit 33,8 m² nachgeschaltet. Der Blechrahmen ist genietet, ausreichend verstrebt und mit dem Kessel verbunden. Die Gleitachslager haben untere Federbundgehänge und werden mit Drucköl geschmiert. Das Zweizylinder-Zwillingstriebwerk mit einem Zylinderdurchmesser von 480 mm arbeitet auf die 1150 mm großen Treibräder. Damit erzielt die Lok eine für Lokalbahnen akzeptable Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h bei entsprechend hohen Zugkräften. Diese werden von vier gekuppelten Radsätzen auf die Schienen gebracht. Zur Verbesserung des Bogenlaufes verfügt die Lok über Vorlauf- und Nachlaufradsätze, die ein Durchfahren von Gleisbögen mit 130 m Radius ermöglichen. Die Druckluftbremse System Westinghouse wirkt auf die drei hinteren Kuppelachsen. 10 m³ Wasser und über 7 t Kohle verleihen der Lok eine große Reichweite bei einem Dienstgewicht von 73,2 Tonnen und einer Leistung von ca. 800 PS.
III. Aus dem Betriebseinsatz von 423.094
Die Dampflokomotive 423.094 wurde 1928 unter der Fabriknummer 1428 von der Lokomotivfabrik CKD in Prag an die Staatsbahn CSD geliefert. Über ihren Einsatz bis 1937 liegen keine Angaben vor. Den Anschluß des Sudetenlandes an das Deutsche Reich 1938 erlebte die Lok in Böhmisch Leipa (Ceska Lipa). Hier erhielt sie eine deutsche Betriebsnummer zugeteilt. Sie wurde als 93 1536 in den Betriebspark der Deutschen Reichsbahn (DRB) eingereiht. Deutsche Gründlichkeit sorgte dafür, daß diese Nummer bei Aufarbeitungen in die Triebwerksteile eingeschlagen wurde und so noch heute erkennbar ist. Zwischen 1943 und 1945 ist der Einsatz der Lok beim Bw Karlsbad nachgewiesen, vielleicht überquerte sie zu dieser Zeit auch einmal die Strecke über den Erzgebirgskamm bis nach Schwarzenberg. Gegen Kriegsende verschlug es die Lok nach Jägerndorf (Krnov), bevor sie im Mai 1945 in Rakonitz/Rakovnik, ca. 50 km östlich von Prag, aufgefunden wurde. Hier wurde sie, wieder als 423.094 bezeichnet, im Februar 1967 von den CSD ausgemustert. Dem Schneidbrenner entging die Tenderlok zunächst durch einen Verkauf an eine Sandgrube in Provodin (Mickenhan) in der Nähe von Ceska Lipa (Böhmisch Leipa). Hier war die Lok bis 1982 im Einsatz.
IV. 423.094 als Museumslok
1982 konnte der Prager Klub KHKD (Klub für die Geschichte des Schienenverkehrs) 423.094 übernehmen. Zunächst wurde sie nicht betriebsfähig im KHKD-Depot Zlonice hinterstellt. Zwischenzeitlich wechselte sie in das Depot Luzna u Rakovnika (Luschna-Lischan bei Rakonitz). Im März 1991 wurde 423.094 dem Ausbesserungswerk Ceske Velenice, der ehemaligen Zentralwerkstätte Gmünd der Kaiser-Franz-Josefs-Bahn, an der österreichischen Grenze zur Aufarbeitung zugeführt. Am 11. Mai 1993 konnte die Instandsetzung mit einer Probefahrt zwischen Ceske Velenice und Chlum u Treb abgeschlossen werden. Für eine endgültige Zulassung war eine erneute Sicherheits- und Fahrprüfung erforderlich, die am 16. Mai 1993 auf dem Testring Cerhenice bei Kolin erfolgte. Dabei erreichte die Lok eine Höchstgeschwindigkeit von 55 km/h. Am 10. Juli 1993 absolvierte 423.094 ihre erste öffentliche Fahrt nach Velke Popovice. Bis März 2003 war die Tenderlok anschließend im Depot Prag-Vrsovice stationiert, bevor sie ins Eisenbahnmuseum Luzna umgesetzt wurde. Hier steht sie als eine der ersten Loks des eigenständigen tschechischen Lokomotivbaues nach dem Ersten Weltkrieg für Sonderfahrten zur Verfügung.
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06.06.2004