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Rezensiert: Wilkau-Haßlau – Carlsfeld | Die erste, steilste und längste Schmalspurbahn Sachsens
Helge Scholz
Wilkau-Haßlau – Carlsfeld
Die erste, steilste und längste Schmalspurbahn Sachsens
224 Seiten, Format 22,8 x 29,6 cm, Hardcover mit ca. 450 Abbildungen, teils farbig GeraMond Media GmbH, München 2022. ISBN: 978-3-96453-304-3 Preis: 49,99 Euro
Vor immerhin 15 Jahren erschien im Verlag Jacobi das bisher letzte umfassende Werk zu dieser 1881 als erste sächsische Schmalspurbahn von Wilkau-Haßlau nach Kirchberg eröffneten und bis 1897 nach Carlsfeld zur längsten und steilsten verlängerten 750-mm-Strecke Sachsens. André Marks bezeichnete das Buch seinerzeit im PK 97 als im positiven Sinn erschöpfendes Buch über diese Bahn. Dieser Band ist längst vergriffen, vier Schmalspur-Alben von SSBMedien und mehr als zehn Publikationen vom FHWE haben in der Zwischenzeit neue Aspekte zur Geschichte der Strecke gezeigt und nicht zuletzt wurde weiter am Thema geforscht. Zeit also für ein frisches, ausführliches Werk, dem zunächst äußerlich attestiert werden kann, das größte, dickste und modernste zu sein!
Ist das Buch deshalb nur neuer Wein in alten Schläuchen? Ein klares Nein, denn es verfolgt im Gegensatz zu den beiden bekannten Streckenmonografien (das Buch von 2008 hatte einen gehaltvollen Vorgänger aus dem EK-Verlag von 1995) einen eher ergänzenden Ansatz. Einerseits fügt es der Geschichte viele neue Farbtupfer hinzu, indem z. B. eine Einführung in das Konzept der Sekundärbahnen geboten wird oder eine, wie in anderen Büchern übliche, anschauliche Reise über die Gesamtstrecke miterlebt werden kann. Völlig neu sind leicht boulevardeske Seiten („War es ein Mord?“), aber auch ein reichlich bebildertes Kapitel über die Logistik des Baues der Wilzschsperre bei Carlsfeld. Genau ein Drittel des Buches nehmen die Beschreibungen der Bahnhöfe, Anschlussbahnen und sonstiger Betriebsstellen ein. Doch nicht einmal 15 Seiten beschäftigen sich mit Fahrzeugen – und thematisiert sind dabei lediglich die Loks sowie die Bahnpostwagen. Wenig ist zu Hoch- und Kunstbauten, gar nichts zu Sicherungstechnik oder Betriebsorganisation und -führung zu lesen. Dafür sind die Bemühungen der Stadt Kirchberg um eine Normalspurbahn ausführlich dargestellt, wie auch die aktuellen Entwicklungen der Museumsbahn(en), Denkmale und Großprojekte Themen sind.
Es wird viel erzählt in diesem Buch, die Themen leichtfüßiger bearbeitet, es ist weniger fachbuchähnlich als seine Vorgänger. Das bedeutet aber auch: häufig nicht präzise genug, widersprüchlich bis falsch geschlussfolgert und leider gar nicht gut lektoriert. Teilweise stehen Satzfragmente wie nicht zu Ende formulierte Gedanken im Text. Ärgerlich ist auch, dass häufig von Weichen- und Gleisnummern die Rede ist, diese aber in den neu gezeichneten Gleisplänen nicht nachvollziehbar sind.
Die Produktion ist zeitgemäß hochwertig, das Layout magazinähnlich (Schatten, überlappende Abbildungen, Bildtexte in Bildern, platzverschwenderische Tabellen). Gut gefallen hingegen die sehr vielen erstveröffentlichten Fotos, wobei einige davon leider vor allem farblich etwas „überbearbeitet“ wirken.
Fazit: Zum Glück ist die Geschichte dieser Schmalspurbahn noch nicht zu Ende! So kann es in Zukunft weitere Literatur zu ihr geben, ohne den Anspruch haben zu müssen, das Thema erschöpfend dargestellt zu haben. Denn diesem Anspruch wird vorliegendes Werk nicht gerecht. Trotzdem handelt es sich um ein sehenswertes und in vielen Punkten lesenswertes Werk.
12.12.2022