VSE-Nachrichten
LOWA-E5-Wagen wieder im Einsatz
Nach fast eineinhalbjähriger Zwangspause steht der LOWA-E5-Wagen nunmehr seit dem 24. Mai 2017 frisch hauptuntersucht für Museumszugeinsätze wieder zur Verfügung. Die Hauptuntersuchung im RailMaint-Werk Delitzsch, dem früheren Raw Delitzsch und damit das alte DR-Heimatausbesserungswerk der E5-Wagen, wartete nämlich mit einigen Überraschungen auf, welche die ursprünglich geplante Fertigstellung für Mai 2016 schnell Makulatur werden ließ. Als großes Problem stellten sich die genieteten Drehgestelle der Bauart Görlitz III leicht heraus, die nach nunmehr rund 85 Jahren verschlissen waren. Der erhaltene E5-Wagen ist ein Exemplar, das auf den Anfang der 1950er Jahre neu entwickelten achshalterlosen Drehgestellen (Vorläufer der Bauart Görlitz V) ausgeliefert wurde. Diese bewährten sich im Betrieb jedoch nicht ausreichend, so dass später bei allen diesen Fahrzeugen ein Tausch dieser Drehgestelle gegen solche der älteren Bauart Görlitz III leicht erfolgte. Dadurch erhielt der Wagen in den 1960er Jahren genietete Tauschdrehgestelle des Baujahres 1932. Diese wiesen nach immerhin knapp 60 Jahren Betriebs- und weiteren 16 Jahren Museumseinsatz diverse Risse und beschädigte Nietverbindungen auf, die sich nicht mehr durch einfache Reparaturen instandsetzen ließen. Schweren Herzens musste der VSE die Drehgestelle somit ausmustern und aufgeben. Doch der Verein konnte auf zwei Ersatzdrehgestelle zurückgreifen. Diese waren einst unter dem E5-Wagen 29-14 188 montiert, den die Deutsche Reichsbahn 1988 als einen der ersten Wagen dieser Bauart regulär ausgemustert hatte. Dieses Fahrzeug überdauerte danach in einem Braunkohletagebau bei Bitterfeld als Werkstattwagen, ehe es im Jahr 2002 dort zerlegt wurde. Mitglieder unseres Vereins bargen damals buchstäblich in letzter Minute die beiden originalen Neubau-Drehgestelle vom Typ Görlitz III leicht in geschweißter Bauart. Nun halfen diese, den letzten erhaltenen E5 wieder fahrfähig zu bekommen. Aber auch ihre Wiederinbetriebnahme gestaltete sich schwierig. Nach der Demontage und dem Sandstrahlen erwiesen sich die beiden Drehgestelle ebenfalls als stark verbraucht. Diverse Risse an Schweißnähten und Abzehrungen durch Rost, die sicherlich durch die fast 15-jährige Nutzung als abgestellter Werkstattwagen in Tagebauverhältnissen begünstigt wurden, stellten eine wirtschaftliche Instandsetzung in Frage. Mangels sicherer Alternativen entschied sich der Vorstand jedoch zum Aufarbeiten der Drehgestelle. So ließ er an beiden Drehgestellrahmen die Risse beseitigen und mehrere Querträgerprofile erneuern. Diese Arbeiten erfolgten in der RVE-Schienenfahrzeugwerkstatt Marienberg. Das Aufarbeiten der Federn stellte die nächste Herausforderung dar. Alle eingebauten Blattfedern waren ebenfalls stark verschlissen und konnten nicht ohne Reparatur bzw. teilweise Erneuerung weiterverwendet werden. Trotz umfangreicher Unterlagen zu unserem Fahrzeug war es jedoch schwierig, für die Aufarbeitung die exakten Federwerte vorzugeben. Da die Ursprungswerte fehlten, mussten sie neu berechnet werden. Nachdem dies unter fachkundiger Hilfe eines Konstrukteurs gelang, konnten die korrekten Traggruppen gemäß der DV ermittelt und mit der Aufarbeitung begonnen werden. Aus den zwei vorhandenen Federsätzen baute die Zweigstelle Chemnitz, Abteilung Federn, des DB-Werkes Dessau in mühevoller Kleinarbeit einen neuen Satz. Dem Lösen dieser Probleme folgte in Delitzsch der Zusammenbau der Drehgestelle. Dabei galt es, für verschlissene Bremsbauteile Ersatz anzufertigen, die Teile entsprechend anzupassen und zu montieren. Abseits heutiger standardisierter Montageabläufe war dies auch für das alte Heimatausbesserungswerk eine nicht alltägliche Arbeit, die viel Mühe erforderte. Zu guter letzt waren am Wagenboden diverse elektrische Leitungen der Elektroheizung umzuverlegen bzw. auf die ursprünglichen Längen und Formen zurückzubauen, um für die neuen Drehgestelle alle erforderlichen Maße einzuhalten. Besonders diese letzten Arbeiten drohten den geplanten Abholungstermin am 24. Mai 2017 zu kippen, galt es doch, vorher nicht geplante Tätigkeiten auszuführen, da die E-Installationen während der ersten grundlegenden Aufarbeitung an die Maße der damals vorhandenen Altbaudrehgestelle angepasst worden war. Dank des Einsatzes der beteiligten Schlosser in Delitzsch gelang diese Sisyphosarbeit termingerecht bis zur Abholung. Neben diesen Hauptarbeiten soll auch nicht unerwähnt bleiben, dass über den Rahmen der HU hinaus noch umfangreiche Teile der Dampfheizleitung nebst Reglereingang eine Erneuerung erfuhren. Am 24. Mai 2017 war es dann endlich soweit, der Wagen konnte zur Probefahrt aufbrechen. Diese fand im Rahmen der Zuführung der Lokomotive 52 8079-7 nach Schwarzenberg statt. Dabei traten keine Mängel auf. Damit steht seit diesem Tag die schmerzlich vermisste Gesamt-Sitzplatzkapazität unseres Museumszuges mit einem Jahr Verspätung wieder zur Verfügung. Fazit: Diese Hauptuntersuchung gestaltete sich unerwartet schwieriger als vermutet. War es eigentlich nur eine Laufwerks-HU mit einigen Nebenarbeiten? Am Ende haben wir eine sechsstellige Summe investiert, um das Fahrzeug wieder in den Betriebsdienst zurückzuholen. Was deshalb bleibt, ist die Erkenntnis, dass man nie genug an Detailinformationen zu einem seltenen historischen Fahrzeug haben kann. Teils fehlende Angaben, die erst mühsam ermittelt werden mussten, trugen ebenfalls zur Langwierigkeit des Projektes bei. Das Positive an der ganzen Sache ist, dass für die zukünftige Erhaltung nun auf (hoffentlich) vollständige Unterlagen zurückgegriffen werden kann. Es ist erstaunlich, wie schnell das Wissen um historische Fahrzeuge abhanden kommt, zumal in den ehemaligen Instandhaltungswerken Unterlagen und Vorrichtungen im Zuge von Ausmusterungen der Fahrzeuggattungen, Produktionsumstellungen und Modernisierungen der Arbeitsabläufe längst den Weg in die Entsorgung antraten. Spätestens dann, wenn auch der letzte Mitarbeiter, der früher noch täglich an solch einem oder anderen speziellen Fahrzeug gearbeitet hat, im wohlverdienten Ruhestand sein wird, besteht die Gefahr, dass auch diese wichtigen Quellen für immer verschwinden. Auch bleibt, dass dieses einmalige Museumsfahrzeug noch viel Erhaltungsaufwand für die Zukunft erfordert. Die dringend notwendigen Arbeiten am Dach mussten aufgrund des überbordenden finanziellen Aufwands zurückgestellt und dürfen somit in Eigenleistung gestemmt werden. Auch die bei der zwischen 1994 bis 2000 durchgeführten grundlegenden Aufarbeitung aus Kostengründen verbliebenen Wagenkastenbleche oberhalb der Brüstungsleiste, welche überwiegend original von 1955 sind, werden uns in den nächsten Jahren vor weitere Herausforderungen beim Erhalt dieses letzten Exemplars dieser Gattung stellen. Bedanken möchte sich der Vorstand recht herzlich bei allen Beteiligten dieses Projektes, seien es mit Rat und Tat unterstützende Vereinsfreunde, Freunde anderer Vereine und Eisenbahnverkehrsunternehmen, die uns bei der Suche nach Ersatzteilen und Informationen unterstützten, beim RailMaint-Werk Delitzsch für die Umsetzung der HU und – besonders – auch für die Geduld mit uns, bei der RVE Marienberg, bei der Zweigstelle Chemnitz des DB-Werkes Dessau und nicht zuletzt bei den Freunden, die das Projekt durch Spenden finanziell unterstützt haben.
05.08.2017