Eisenbahn-Geschichte
150 Jahre Eisenbahnstrecke Schwarzenberg – Zwickau (Teil 1)
Mit der Eröffnung der Zweigstrecke der Sächsisch-Bayrischen Eisenbahn von Crimmitschau nach Zwickau am 6. September 1845 war das neue Verkehrsmittel Eisenbahn erstmals an den Rand des Westerzgebirges vorgedrungen. Die neue Strecke führte vor allem zu einem Aufschwung des Zwickauer Steinkohlenbergbaues, der die geförderte Kohle nun kostengünstig versenden konnte. Eine weitere Verbesserung brachte die am 1. November 1854 eröffnete Staatskohlenbahn von Zwickau nach Cainsdorf, welche das Kohlerevier bei Bockwa und die Königin-Marien-Hütte in Cainsdorf anschloß. Im oberen Westerzgebirge herrschte zu jener Zeit bittere Armut. Der Bergbau lag am Boden, seitdem die Silbervorkommen erschöpft waren. Geringe Eisenerzvorkommen bildeten die Grundlage für eine Eisenerzeugung südlich von Schwarzenberg. Was fehlte, waren jedoch Verkehrswege, um mit diesen Produkten zu handeln.
So setzten sich denn der Schwarzenberger Bürgermeister Weidauer und der Oberberghauptmann v. Beust 1854 für die Errichtung einer Eisenbahnstrecke nach Schwarzenberg ein. Weidauer schlug dabei sogar vor, auf die geplante Niedererzgebirgische Eisenbahn von Chemnitz über Glauchau nach Zwickau zu verzichten und diese Strecke über das Zwönitztal und Aue nach Zwickau zu führen, um so den Eisenbahnanschluß ins Erzgebirge zu bringen.
Der Landtag genehmigte das Projekt zum Bau der „Obererzgebirgischen Eisenbahn“ am 7. August 1855 gemeinsam mit dem Bau der Strecken Chemnitz - Zwickau und Schönbörnchen - Gößnitz. Die Bauarbeiten begannen am 15. Oktober 1855, wobei für die Linie bis Cainsdorf die Trasse der Staatskohlenbahn genutzt werden konnte.
Die Strecke verlief vom Zwickauer Bahnhof an auf der linken Talseite der Zwickauer Mulde, welche erstmals bei Hartenstein gequert werden mußte.
Bis Aue wurden dabei alle Flußwindungen mitgenommen, bei Schlema waren zwei weitere Querungen der Mulde erforderlich. Der Bahnhof Aue entstand auf der Flur von Zelle vor den Toren der Stadt, das erste Empfangsgebäude lag östlich der Gleise. Im Stadtgebiet von Aue wurde das Schwarzwasser nochmals gequert, zwei weitere Brücken waren über das Schwarzwasser in der Hakenkrümme südlich von Aue erforderlich. Das enge Tal zwang in Lauter ferner ebenfalls zur Anlage von zwei Brücken über das Schwarzwasser, bevor der Schwarzen-berger Bahnhof, gelegen an der Grünhainer Straße weit unterhalb der Altstadt, erreicht wurde. Am 11. Mai 1858 wurde in Anwesenheit des sächsischen Königs die Strecke mit einem Festzug eröffnet, der reguläre Betrieb begann am 15. Mai 1858 mit 4 Zugpaaren. Diese benötigten für die 40 Kilometer gut 100 Minuten. Gehalten wurde dabei auf den Stationen Wiesenburg, Stein, Niederschlema und Aue, Haltepunkte wurden zunächst in Cainsdorf, Grüna (heute Fährbrücke) und Lauter eingerichtet.
Auf der Strecke Schwarzenberg - Zwickau kamen zunächst vier 1’B-Lokomotiven mit Tender zum Einsatz, welche die Sächsische Maschinenfabrik (SMF) mit den Fabriknummern 100 bis 103 im Jahre 1858 lieferte. Sie erhielten bei der Obererzgebirgischen Eisenbahn die Namen „Hundert“, „Wiesenburg“, „Hartenstein“ und „Aue“. Eine 1856 von der SMF gelieferte 1’B-Tenderlokomotive trug den Namen „Schwarzenberg“ . Ihre Schwesterlok, die 1861 gebaute „Muldenthal“, steht heute im Verkehrsmuseum Dresden. Der Bahnhof Schwarzenberg als Endpunkt erhielt neben einem großzügigen Güterschuppen auch ein kleines Maschinenhaus mit zwei Lokständen, welches später erweitert wurde.
Die Trassierung der Eisenbahnstrecke durch das Flußtal der Mulde und des Schwarzwassers brachte nicht zuletzt eine Anfälligkeit gegenüber Hochwasser. Bereits wenige Wochen nach der Eröffnung, wurde die Strecke am 31. Juli 1858 derart unterbrochen, daß der Betrieb bis Oktober ruhen mußte. Unzerstört blieb lediglich der Abschnitt zwischen Schwarzenberg und Stein. Das Zwickauer Wochenblatt vermeldete hierüber in Ausgabe 176: Die Bauarbeiten zogen sich allerdings noch hin, erst am 5. Oktober verkehrte wieder ein durchgehender Güterzug, wobei die Lok bei Fährbrücke eine Brücke noch nicht passieren durfte, man folglich zum Rangieren genötigt war. Der vollständige Verkehr wurde am 24. Oktober 1858 wieder aufgenommen. Der an den Bahnanlagen angerichtete Schaden belief sich immerhin auf 360 000 Mark, ca. 5 % der gesamten Baukosten. Mit der Eröffnung der Eisenbahnstrecke Chemnitz – Aue – Adorf im September 1875 wurden die Bahnhofsanlagen in Aue einem größeren Umbau unterzogen. Das alte Empfangsgebäude wurde abgerissen und ein neues Empfangsgebäude in Mittellage zwischen der Chemnitzer und Zwickauer Strecke errichtet. Zur besseren Erschließung des Muldetales wurde schließlich 1868 der Haltepunkt Wilkau südlich von Cainsdorf eingerichtet. Der Verkehr entwickelte sich gut, 1877 waren bereits fünf Zugpaare unterwegs, die bis Werdau durchliefen und dort Anschluß nach Leipzig hatten.
Mit der Eröffnung der Schmalspurbahn von Wilkau nach Kirchberg 1883 wurde der südlich der Bahnhofsbrücke gelegene Haltepunkt aufgelöst und nördlich der Brücke ein neuer Bahnhof mit Umladung und später Spurwechselmöglichkeiten angelegt. Bereits während des Streckenbaues bemühten sich die örtlichen Vertreter um eine Weiterführung nach Karlsbad. Nachdem der Staatsvertrag mit Österreich nicht zustande kam, wurde die Strecke schließlich 1883 als Sekundärbahn bis Johanngeorgenstadt eröffnet. Im Ergebnis der Streckeneröffnungen Niederschlema – Schneeberg 1859, Chemnitz – Aue – Adorf 1875 und Buchholz – Schwarzenberg 1889 war das normalspurige Eisenbahnnetz des Westerzgebirges weitgehend komplett. Nach Eröffnung der Strecke von Karlsbad nach Johanngeorgenstadt 1899 mußten die Kapazitäten entlang der Strecke erweitert werden. Zwischen 1893 und 1923 wurde der Abschnitt zwischen Zwickau und Aue zweigleisig ausgebaut (siehe PK 70/71).
Gleichzeitig wurden die Bahnhöfe Aue und Zwickau vergrößert und in Schwarzenberg und Aue neue Heizhäuser angelegt. Die starke Industrialisierung in Zwickau und Aue führte schließlich zur Einführung spezieller Züge des Berufsverkehrs zwischen Zwickau und Wiesenburg sowie zwischen Niederschlema und Aue, wie im Fahrplan von 1926 zu finden. Im Rahmen eines großen Bahnhofsumbaues in Zwickau wurde 1936 ein neues Empfangsgebäude westlich des alten errichtet, gleichzeitig erhielten die Güterzüge aus Schwarzenberg mit einer Überbrückung der Personenzuggleise eine direkte Zufahrt zum neu angelegten Rangierbahnhof.
Eine weitere Verbesserung entstand 1937 in Aue mit der Errichtung der ersten Spannbetonbrücke, die den stark belasteten Bahnübergang der Lößnitzer Straße ersetzte. Ab Anfang der 30er Jahre kamen auch preußische Lokomotiven der Baureihe 57.10 auf der Strecke zum Einsatz. Die ersten Einheitslokomotiven der Baureihe 86 folgten ab 1932. Sie sollten für die kommenden Jahre die typische Erzgebirgslokomotive werden.
Größere Lokomotiven der Baureihen 38.2-3 kamen überwiegend von den benachbarten Bw Werdau und Buchholz vor den durchgehenden Zügen zum Einsatz. (wird fortgesetzt)
11.02.2008