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Rezensiert: Die Schmalspurbahn Mügeln - Neichen
Reiner Scheffler/Peter Wunderwald
Die Schmalspurbahn Mügeln - Neichen
Wilsdruffer Bahnbücher, Nossen 2007 224 A4-Seiten, 91 Farb- und 209 Schwarzweißfotos sowie 47 Zeichnungen Preis: 38 Euro
Über 200 A4-Seiten nur zum Abschnitt Mügeln - Neichen des großen Mügelner Netzes - kommt da nicht Langeweile auf? Zählen die Autoren in so einem Werk jede Schwelle mit Vornamen auf? Diese Vorurteile kursierten unter Eisenbahnfreunden vor dem Erscheinen der neuen Monographie innerhalb der Reihe „Wilsdruffer Bahnbücher“. Ausnahmsweise wieder einmal vorweg: Nein, beim Stöbern im neuen Scheffler/Wunderwald-Buch kommt keinesfalls Langweile auf - und Vornamen von Holzschwellen sucht man vergebens. Wie erwartet schildert das Werk in präziser und liebevoller Art und Weise sowohl Vorgeschichte, Bau und Betrieb als auch die partielle Einstellung der Schmalspurbahn Mügeln - Neichen. Modelleisenbahner dürfen sich über maßstabsgerechte Gleispläne und Gebäudezeichnungen freuen, die man in anderen „ultimativen Streckenporträts“ vergeblich sucht. Neben den „harten“ Eisenbahnfakten findet der Leser natürlich auch Anekdoten am Rande der Gleise, wie Geschichten über rauchende Gewehrläufe, die Allerwertesten der Mügelner Frauen oder über den Biberwirt. Feldbahnfreunde können sich auf umfangreiche Beschreibungen der 600-mm-Bahnen in Glossen, an der Kaolingrube Dr. Richter und in Mahlis freuen. Land- und Streckenkarten stellen sicher, daß der Leser nie den Überblick verliert. Als Purist freut sich der Rezensent über viele korrekte Darstellungen und Formulierungen von zusammenhängen, die andere Autoren regelmäßig verpatzen. Doch man merkt auch, daß die Kapitel von zwei Autoren verfaßt worden sind. Durch die vielen tierischen Kosenamen sowie „Geburten“ von Fahrzeugen ist Reiner Schefflers Autorenschaft unverkennbar. Schade ist, daß im Fahrzeugkapitel unnötige Fehler zu finden sind. So haben von 1965 bis 1969 nicht nur 25, sondern insgesamt 30 IV K umfassende Erneuerungen erhalten. Der legendäre Mügelner Bahndienstwagen ohne Oberlicht hatte die Nummer 979-015 - dieser ehemalige ZOJE-Wagen trug außerdem niemals ein Oberlicht! Den Nachweis, daß auch nur eine I K - wie behauptet - jemals eine DRG-Nummer getragen hat, bleiben die Autoren schuldig. Und auch bei der Benennung der Lokomotivgattungen vor 1896 mangelt es etwas an Genauigkeit. Diese Details sind allerdings sofort vergessen (wenn sie überhaupt jedem Leser auffallen), wenn man die hervorragend gedruckten Abbildungen studiert. Das Buch enthält dutzendweise beeindruckende Schwarzweiß- und Farbaufnahmen, darunter zwei, drei Raritäten aus den dreißiger Jahren, die sogar im Neidhardt-Band 7 fehlen. Als Wagenfreund strahlte der Rezensent besonders über die Farbaufnahme des dreiachsigen Kd 1457. Aber auch die modernen Fahrzeuge aus Österreich und aus Bergwerksbetrieben sind in Bild und Wort verewigt. Der hohe Anteil an Farbaufnahmen - gestochen scharf wiedergegeben - relativiert den vergleichsweise hohen Preis des Buches.
Fazit: Ja, der im Vorwort des Buches gestellte Anspruch, die Geschichte der Strecke Mügeln-Neichen möglichst vollständig zu dokumentieren wurde erfüllt. Nur wenige, nebensächliche Unstimmigkeiten trüben die große Fleißarbeit der Autoren. Das sauber gedruckte Buch ist für Eisenbahnhistoriker und Modellbahner eine willkommene Fundgrube. Aufgrund der großen Anzahl an Farbaufnahmen ist das Buch keinesfalls überteuert!
11.02.2008