Fahrzeuge im Porträt
Heizkesselwagen 57 50 99-68 171-1
I. Einführung
„Heizkesselwagen werden bei strenger Kälte in besonders lange Reisezüge eingestellt, da die Heizkraft des von der Lokomotive kommenden Dampfes nicht immer ausreicht, um auch die letzten Wagen genügend zu erwärmen“, schreiben Deinert und Ohme in ihrem Buch „Wagenkunde“, erschienen 1959 im Fachbuchverlag Leipzig.
Heizkesselwagen fanden dabei erst mit dem Aufkommen der Dampfheizung ab 1868 Verwendung, der Dampf wurde dabei zunächst in einem mit einem Röhrenkessel versehenen Packwagen erzeugt und durch den Zug geleitet. Wegen der erhöhten Masse kamen dabei bis 1930 fast ausschließlich dreiachsige Wagen zum Einsatz. So sparte man die Dampfentnahme an den noch nicht sehr leistungsfähigen Lokomotiven, diese konnten ihre Dampferzeugung in vollem Umfang für das Erbringen der Zugleistung nutzen.
Mitten im Zweiten Weltkrieg entschloß sich die DRB zur Beschaffung einer Serie vierachsiger Heizkesselwagen. Sie dienten allerdings nicht Komfortzwecken, sondern waren für die Beheizung von Lazarettzügen gedacht, die Soldaten der Wehrmacht von der Ostfront ins Reich transportierten.
II. Beschreibung der Bauart
Die 17,1 m langen Heizkesselwagen basieren auf dem Konzept der D-Zug-Wagen. Neben dem eigentlichen Kesselabteil befindet sich ein Seitengang, der den Durchgang durch den Wagen ermöglicht. Der eigentliche Kesselraum enthält einen Dampfkessel in Naßdampf-Bauart, ähnlich einem kleinen Lokomotivkessel. Der Kessel mit einer Heizfläche von ca. 35 m² bei einer Rostfläche von gerade 0,71 m² liefert eine Dampfleistung von 1,75 Tonnen pro Stunde bei einem Dampfdruck von 10 bar. Blech-Schornstein und Dampfdom ragen durch ein abnehmbares Dachteil ins Freie. Zur Erzeugung eines Saugzuges verfügt der Kessel über ein Gebläse. Der Aschkasten befindet sich unter dem Wagen. Im vorderen und hinteren Teil des Kesselraumes befinden sich die Wasserkästen mit einem Vorrat von 15 m³. Ihre Befüllung erfolgte durch die Seitenfenster! Zur Kesselspeisung dienen zwei Injektoren mit einer Förderleistung von 60 l/min, zur Überwachung zwei Wasserstandsgläser, ein Manometer und ein Sicherheitsventil. Unmittelbar hinter dem Kessel befindet sich ein Kohlekasten, der 7 t Vorrät faßt. Er ist mit einer verschiebbaren Dachhaube abgedeckt.
Im Kesselraum befinden sich für das Bedienpersonal ein wegklappbares Handwaschbecken, eine eigene Toilette und eine Klapp-Pritsche. Mit vollen Vorräten besitzt der Wagen ein Gewicht von 60 t und ist damit noch nebenbahntauglich. Als Fahrwerke kommen Drehgestelle der Bauart Görlitz III, schwer, zum Einsatz. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit des Heizkesselwagens wird Ende der achtziger Jahre mit 60 km/h angegeben.
III. Der Betriebseinsatz des VSE-Wagens
Der Heizkesselwagen wurde 1941 unter der Fabriknummer 13684 von der Maschinenbau- und Bahnbedarf AG, Babelsberg, (vormals Orenstein & Koppel), an die Deutsche Reichsbahn ausgeliefert. Seine ersten Einsatzjahre dürfte er zwischen der Ostfront und der deutschen Heimat verbracht haben. Da sein Betriebsbuch verlorengegangen ist, liegen dazu keine Angaben vor. So wurde auch die Kesselgenehmigungszeichnung am 4. November 1959 mit dem zweiten Betriebsbuch neu erstellt. Bis zum 1. Juli 1958 trug er die Betriebsnummer 700 296, danach 824 069. Da der Kessel, ähnlich wie Lokkessel, einer technischen Überwachung unterlag, ist der Lebenslauf des Wagens ab 1948 weitgehend nachvollziehbar. Im Gegensatz zu Reisezugwagen erfolgte die Beheimatung und Instandhaltung der Heizkesselwagen überwiegend in den Bahnbetriebswerken.
Lange schwere Züge, deren Lokomotiven mit minderwertiger Braunkohle beheizt wurden, machten auch nach Kriegsende den Einsatz der Heizkesselwagen erforderlich. Hierzu erhielt der Wagen im Juli/August 1949 im Raw Zwickau eine Kessel- und Laufwerksuntersuchung. Die weitere Unterhaltung erfolgte in den Raw Halle, Leipzig und Stendal, wobei der Kessel dort 1968 wegen erheblicher Lochanrisse und Abzehrungen bis zu 7 mm Blechdicke eine neue Feuerbüchse erhielt.
Nachgewiesene Beheimatungen sind das Bw Frankfurt (Oder) vom Januar 1951 bis zum Mai 1952 und das Bw Eisenach vom Mai 1954 bis zum April 1964. Anschließend kam der Wagen in die Oberlausitz, wo er ab 1964 dem Bw Görlitz unterstellt war. Über 15 Jahre blieb er dort beheimatet, bis im Juli 1980 seine Umsetzung zum Bw Cottbus erfolgte. Ab November 1982 wurde er mit kurzen Zwischenspielen in Görlitz und beim Bww Löbau im Bestand des Bw Hoyerswerda geführt. Ab 1971 erfolgte dabei die Hauptuntersuchung in den Raw Meiningen und Leipzig.
Eine offizielle Beheimatung ab 1985 ist nicht mehr nachgewiesen, der Wagen gehörte jedoch zum Bestand des Bahnbetriebswerkes Bautzen und befand sich meist in Bischofswerda hinter dem Lokschuppen abgestellt. Hier gehörte er zur Ministerreserve des Verkehrswesens.
Eine diesbezügliche Anweisung findet sich im Betriebsbuch des VSE-Wagens. Danach waren Verantwortlichkeiten und Bedingungen für die Abstellung, Probeläufe, Nutzung, Planung und Kontrolle geregelt. Dazu gehörte, daß eine zeitlich befristete Nutzung grundsätzlich nur mit Zustimmung des Ministers für Verkehrswesen erfolgen durfte! Ohne es genau zu definiere, wurde das Fahrzeug dabei vorrangig für militärische Zwecke vorgehalten.
Die politische Wende in der DDR führte zum Wegfall dieses Verwendungszweckes. Doch statt zum Schrottplatz trat der Wagen seine letzte Fahrt am 6. Dezember 1992 ins entstehende Eisenbahnmuseum Schwarzenberg an. Da der Heizkesselwagen jahrelang im Freien stand, nagte entsprechend der Zahn der Zeit an ihm. Im Sommer 2000 begann deshalb unter Leitung des Vereinsfreundes Zolkos eine Dachsanierung im Bereich oberhalb des Kessels, ein Jahr später konnten die Dachteile wieder montiert werden. Der vordere Teil einschließlich des Wasserbehälters wurde im Jahre 2002 instandgesetzt. Vor wenigen Wochen begannen nun die Arbeiten im Bereich des Kohlekastens, an dem sich größere Durchrostungen zeigen.
12.04.2004