Eisenbahn-Geschichte
Der Berufsverkehr auf der Selketalbahn im Jahr 1950
Vorbemerkung
Der Verfasser hat Ende 1991 die Gelegenheit genutzt, vom damals in den Ruhestand gehenden und bis dahin für die Schmalspurbahnen im Harz zuständigen Fahrplanbearbeiter des Direktionsbereichs Magdeburg der Rbd Halle (Saale) Unterlagen zu übernehmen und damit vor dem Reißwolf zu retten. Diese Unterlagen stellen keine geschlossenen Vorgänge dar, sondern sind vielmehr ein Sammelsurium diverser Schriftsätze und Fahrpläne, die in irgendeiner Form mit den Schmalspurbahnen im Zusammenhang stehen. Daher ergeben sich bei der Auswertung auch nur Schlaglichter auf die jeweilige Zeit, die möglicherweise andere Eisenbahnfreunde, die ebenfalls über Unterlagen verfügen, ergänzen können. In diesem Beitrag soll auf Unterlagen aus dem Jahr 1950 geschaut werden, wobei bewusst auf die Wiederholung von in der Literatur bereits veröffentlichten Fakten weitgehend verzichtet wird.
Forst und Wismut
Es gab Zeiten, da waren u. a. Forstarbeiter oder die Arbeiter der Wismut AG bei der Fahrt zur und von der Arbeit auf die Eisenbahn angewiesen – so auch bei der Selketalbahn. Private Pkw oder auch Busse standen 1950 kaum zur Verfügung. Die Beförderung (fast müsste man sagen „der Transport“) fand unter heute unvorstellbaren Bedingungen zum Teil mit gedeckten und offenen Güterwagen statt. Einige Schriftstücke der damaligen Zeit erlauben einen Einblick in die damalige Situation.
So schrieb das Kreisforstamt Ballenstedt am 17. April 1950 an die „Betriebsleitung der Harzbahn Gernrode“ und kritisierte, dass die Abfahrtszeit des Feierabendzuges ab Sternhaus Ramberg nach Gernrode (Harz) um eine Stunde auf 14.55 Uhr vorverlegt worden ist. Deshalb müssten die Forstarbeiter nun die Arbeit eine Stunde früher beenden oder zu Fuß nach Hause gehen. Das Amt bat, die ursprüngliche Fahrzeit wiederherzustellen. Der Bahnhof (Bf) „Gernrode G.H.E.“ (erst ab 1. Mai 1950 gab es einen gemeinsamen Regel- und Schmalspurbahnhof Gernrode [Harz]) leitete das Schreiben am 24. April 1950 an das Reichsbahnamt Aschersleben weiter und bemerkte (maschinenschriftlich auf dem Original) dazu, dass es sich um den Bedarfsgüterzug 73W handeln würde, dessen Abfahrt ab Sternhaus Ramberg mit Wirkung vom 11. März 1950 von 16.03 auf 14.55 Uhr vorgezogen wurde. Dies sei auf Wunsch der Wismut AG geschehen, deren Arbeiter ebenfalls diesen Zug nutzen würden und den Anschluss in Gernrode (Harz) an den P 1940, ab 15.55 Uhr, nach Quedlinburg erreichen müssten. Es wurde vorgeschlagen, dass die Arbeitszeit der etwa 20 bis 30 Forstarbeiter an die der etwa 80 Wismut-Arbeiter angepasst werden sollte. Von Aschersleben gelangte der Vorgang mit einer bestätigenden (ebenfalls – nun auf der Rückseite – des Originals maschinenschriftlichen) Stellungnahme unter dem 27. April 1950 zur RBD Magdeburg. Der zuständige Bearbeiter im Fahrplanbüro der RBD (21 R 13) fertigte ebenfalls auf der Rückseite des Originals in sehr sauberer Handschrift am 3. Mai 1950 eine Antwort an das Kreisforstamt an und verwies darauf, dass es sich um einen nicht für die öffentliche Personenbeförderung vorgesehenen Zug handelt, der als „Notlösung“ auch der Beförderung von Arbeitern der Wismut AG dient, nach deren Wünschen sich die Fahrzeit richte. Die Antwort wurde am Folgetag (ausweislich einer Notiz neben der handschriftlichen Vorlage) in einem Sekretariat oder Schreibbüro der RBD auf Kopfbogen abgeschrieben, unterschrieben und abgesandt. Es ist schon bemerkenswert, dass innerhalb von gut zwei Wochen eine Antwort erfolgte, ohne dass es die heute unverzichtbaren Kopiermöglichkeiten oder Kommunikationswege wie per E-Mail oder Fax o. ä. gab – selbst Papier war damals knapp. Der bahninterne Transport der Dienstpost erfolgte als Eisenbahndienstsache tatsächlich mit der Eisenbahn.
Der Sommerfahrplan 1950
Am 14. Mai 1950 trat der Sommerfahrplan 1950 [1] in Kraft. Veränderungen gegenüber dem bis dahin geltenden Fahrplan [2] gab es nicht. Erhalten geblieben ist ein Schreiben vom Bf Harzgerode vom 27. Mai 1950 an das Reichsbahnamt Aschersleben. In diesem Schreiben wird darauf hingewiesen, dass im Fahrplan Lokfahrten an Samstagen von Harzgerode (ab 18.30 Uhr) nach Gernrode (Harz) (an 19.30 Uhr) und an Sonntagen von Gernrode (Harz) (ab 16.00 Uhr) nach Harzgerode (an 17.00 Uhr) fehlten. Das Reichsbahnamt gab das Schreiben, verbunden mit der wiederum maschinenschriftlich auf dem Original vermerkten Bitte, die Fahrten im Regelplan einzulegen, an den zuständigen Fahrplanbearbeiter 21 R 13 in der RBD weiter. Dieser vermerkte mit der schon bekannten sauberen Handschrift „Fplo 66 v. 25.6.50“, mit der offensichtlich diese Fahrten eingelegt wurden. Der Vorgang zeigt, dass die in Harzgerode übernachtende Lok für die nur werktags fahrenden Reisezüge von Samstag zu Sonntag in Gernrode (Harz) blieb. Dies diente sicher dem Auswaschen und bei Bedarf auch dem Tausch mit der zweiten Lok für den Gütertransport. Das Schreiben aus Harzgerode belegt auch noch einmal, dass es vor dem 1. Juli 1950 Zugverkehr auf der Strecke Alexisbad – Harzgerode gegeben hat (siehe Literaturangabe [2]).
In den Unterlagen ist bei diesem Vorgang eine weitere handschriftliche Notiz ohne Unterschrift (in der sauber lesbaren Schrift des Bearbeiters 21 R 13 der RBD) über den „Lokstand am 12. Juni 1950 in Gernrode“ vorhanden:
- 99 5811 nach Rückkehr aus L2 RAW Chemnitz
- 99 5906 nach Rückkehr aus L3 Bw Wernigerode
- 99 5803 jetzt eingesetzt, muß für Umladebetrieb nach Nh (Nordhausen Nord, damals noch „Nordhausen (NWE)“ – Anm. d. Verf.) zurück
- Leihlok 99 191 von Erfurt (RBD – Anm. d. Verf.) muß nach E. zurück (Ende Juni)
- 65 PS-Triebwagen (in Gernrode) 40 – 45 Personen
Damit dürfte auch der Einsatz der Dampflok 99 191 in Gernrode (Harz) belegt sein. Die Maschine wird wohl tatsächlich Ende Juni 1950 nach E. (gemeint ist entweder die RBD Erfurt oder der Bahnhof Eisfeld) bzw. direkt zum RAW Meiningen zurückgegangen sein – nach [3] begann am 3. Juli 1950 im RAW Meiningen eine L3. Es standen also in Gernrode (Harz) zwei Dampfloks und der VT 133 522 zur Verfügung. Dazu muss erwähnt werden, dass die Triebfahrzeugsituation bei der Schmalspurbahn Eisfeld – Unterneubrunn (Endbahnhof zum 1. Juli 1952 in Schönbrunn [Kr Hildburghausen] umbenannt) in der RBD Erfurt ebenfalls angespannt war. Es waren dort lediglich die Lokomotiven 99 183, 99 191 und 99 222 vorhanden [4].
Die Wismut AG wird aktiv
Von einer Besprechung am 8. Juni 1950 in Gernrode (Harz) liegt der Durchschlag (geschrieben mit Schreibmaschine auf Original und Kohlepapier mit dünnem Durchschlagpapier) des Ergebnisvermerkes vor. Teilnehmer waren ein Herr Franz aus Quedlinburg für die Wismut AG und seitens der Deutschen Reichsbahn (DR) ein stellvertretender Abteilungsleiter aus dem Reichsbahnamt Aschersleben sowie die Dienstvorsteher der Bahnhöfe Gernrode (Harz), Klein, und Harzgerode, Heinrich: „Der Vertreter der Wismuth-AG verlangte die Beförderung („Wismuth“ ist entgegen der offiziellen Schreibweise in allen vorliegenden Schriftsätzen der DR mit „th“ geschrieben, weitere Tippfehler sind korrigiert – Anm. d. Verf.): a) um 6.00 h von 200 Mann von Gernrode nach Sternhaus-Ramberg und zurück von 40 Mann. b) um 14.00 h nach Sternhaus-Ramberg von 60 Mann und zurück von 200 Mann c) um 22.00 h Hinfahrt 40 Mann, Rückfahrt 60 Mann.
Die Wismut AG war 1950 noch ein vollständig in sowjetischem Eigentum stehendes Unternehmen, welches die Aufgabe hatte, im Rahmen des sowjetischen Atomprogramms Uranvorkommen in der DDR zu erkunden und auszubeuten. Damit hatte das Unternehmen eine starke Stellung und konnte „verlangen“. Doch einfache Lösungen gab es trotzdem nicht. So wurde vorgeschlagen, die Arbeiter der Wismut AG zur Frühschicht mit einem Güterzug in entladenen gedeckten und offenen Güterwagen nach Sternhaus Ramberg zu fahren. Der Vertreter der Wismut AG war damit einverstanden. Um die Arbeiter der Nachtschicht nach Hause zu fahren, wurde der P 1273 (Sternhaus Ramberg ab 6.37 Uhr) vorgesehen. Da hier die Lok 99 5803 zum Einsatz kam und diese nur zwei Wagen (einen Sitzwagen und einen Gepäckwagen) von Mägdesprung nach Sternhaus Ramberg (1:25 Steigung) ziehen konnte, war angedacht, den Frühpendel P 1271/1272 sowie den P 1273 von Harzgerode (ab 4.50 Uhr) nach Lindenberg (Harz) und zurück nach Alexisbad mit dem VT 133 522 zu fahren. Die Dampflok 99 5803 sollte in der sechsten Stunde einen Sitzwagen von Alexisbad nach Sternhaus Ramberg bringen, dort abstellen und anschließend den P 1273 von Alexisbad holen. Für den 14-Uhr-Schichtwechsel sollten Güterwagen aus dem Flussspattransport benutzt werden, die dazu rechtzeitig entladen werden müssten. Warum nicht die Personenwagen aus dem P 1277 (Gernrode [Harz] an 13.26 Uhr) genutzt werden sollten, ist unklar, da bis zur Abfahrt als P 1278, 15.40 Uhr ab Gernrode (Harz), hinreichend freie Zeit zur Verfügung stand. Auf die 22-Uhr-Fahrt verzichtete die Wismut AG zunächst, die Beförderung der Arbeiter sollte mit Kraftwagen erfolgen. Angemerkt wird noch, dass mit einer zusätzlichen „starken Lok“ aus Wernigerode sowie mehr Triebfahrzeug- und Zugbegleitpersonal alle Probleme lösbar wären. Für die Harzquer- und Brockenbahn war seinerzeit allerdings das Reichsbahnamt Halberstadt zuständig. Innerhalb des Reichsbahnamtes wurde der Vermerk an die Gruppe Maschinendienst gegeben. Dazu wurde angemerkt, dass mit den vorhandenen Maschinen die 14-Uhr-Leistung wohl nicht gefahren werden könnte und angefragt, wann mit der Rückkehr der in Ausbesserung befindlichen Lok zu rechnen sei. Die Wismut AG beabsichtige bereits am 12. Juni 1950 die Schichten auf dem Ramberg zu verstärken.
Die Gruppe Maschinendienst antwortete am 10. Juni 1950, dass sich bei der Abnahme der im RAW Chemnitz befindlichen Lok 99 5811 Mängel ergeben hätten, die erst noch beseitigt werden müssten. Die ursprünglich für den 10. Juni vorgesehene Überführung nach Gernrode (Harz) werde sich daher um einige Tage verzögern, so dass die Lok nicht vor Ende der Woche zur Verfügung stehen würde. Da dann außerdem die Leihlok aus der RBD Erfurt zurückgegeben werden soll, würde sich die Situation auch nicht entspannen. Sollte sich der Bedarf der Wismut AG tatsächlich bestätigen, müsste an die RBD herangetreten werden, um den Einsatz der Leihlok für die nächsten Wochen zu erreichen. Daraufhin wurde das Schriftstück der RBD Magdeburg „zur geflissentlichen Kenntnis und mit der Bitte um weitere Veranlassung vorgelegt“. Doch helfen konnte die RBD auch nicht.
Doch nicht nur der Berufsverkehr wollte bewältigt werden. Auch Gruppenfahrten im Ausflugsverkehr sorgten für Probleme. So schrieb der Bf Gernrode (Harz) am 20. Juli 1950 an das Reichsbahnamt Aschersleben und berichtete, dass mit den vorhandenen Betriebsmitteln die mit Zügen der Regelspur eintreffenden Gruppen (bis zu 400 Übergangsreisende) mit den beiden Zügen P 1274 W (Gernrode [Harz] ab 8.30 Uhr nach Harzgerode) und 1278 W (Gernrode [Harz] ab 15.40 Uhr nach Lindenberg [Harz]) nicht befördert werden könnten. Die Züge bestünden nur aus dem Triebfahrzeug und einem Sitzwagen und könnten mangels weiterer Wagen nur durch Güterwagen verstärkt werden. Es wurde vorgeschlagen, in den öffentlichen Fahrplänen auf das beschränkte Platzangebot hinzuweisen und die Beförderung von Gruppen von der vorherigen Zustimmung des Bf Gernrode (Harz) abhängig zu machen. Das Reichsbahnamt gab auch diesen Vorgang an die RBD weiter und wies darauf hin, dass mit mehr Wagen und stärkeren Lokomotiven ein anderer Fahrplan möglich wäre.
Am 5. August 1950 forderte der Stellvertretende Generaldirektor der Wismut AG, Smirnow, die Vertreter der Sowjetischen Kontrollkommission bei der RBD Magdeburg auf, dafür Sorge zu tragen, dass die DR die Beförderung der Werktätigen der Wismut AG nach Elend und Sternhaus Ramberg sicherstellen möge. Dass das Thema Uranabbau hoch angebunden war, beweist ein als Durchschlag vorliegendes Schreiben des Präsidenten der RBD Magdeburg, Louis Fehse, an einen Herrn Oberst Gontscharow vom 11. August 1950, mit dem die RBD auf das Schreiben der Wismut AG vom 5. August reagierte. Da kein Kopfbogen verwendet wurde, war Oberst Gontscharow vermutlich der Vertreter der Sowjetischen Kontrollkommission bei der RBD. Neben einigen allgemeinen Ausführungen über bisherige Aktivitäten wurden die für die Wismut AG fahrenden Züge einzeln aufgeführt (zusätzlich zum Thema Selketalbahn werden nachfolgend auch die Züge auf der Harzquerbahn genannt) und wird auch auf offensichtlich von der Wismut AG geäußerte Wünsche eingegangen:
I. Strecke Wernigerode – Drei Annen Hohne
- Schicht
- P 1234 Wernigerode ab 5.00, Drei Annen Hohne an 5.40, Besetzung ca 200 Wismuth Arbeiter, Anschluß aus Halberstadt trifft 4.56 ein
- P 1235 Drei Annen Hohne ab 6.56, Wernigerode an 7.43, Besetzung ca 90 Wismuth Arbeiter, Anschluß 7.52 nach Ilsenburg und 8.03 nach Halberstadt,
- Die Späterlegung dieses Zuges ist nicht möglich, da nur in Hasserode Zugkreuzungen (mit P 1236 – Anm. d. Verf.) stattfinden können. Bf Steinerne Renne ist nicht besetzt. (Das trifft auch auf den Bf Drängetal zu – Anm. d. Verf.)
- Schicht
- P 1242 Wernigerode ab 13.06, Drei Annen Hohne an 13.48, Besetzung ca 100 Arbeiter
- P 1243 Drei Annen Hohne ab 14.45, Wernigerode an 15.25, Besetzung ca 130 Arbeiter
- Eine Späterlegung des P 1243 bis zu 20 Min gestattet wohl der um 15.50 weiterfahrende Anschlußzug in Wernigerode, nicht aber der Übergang der Lokomotive auf P 1244 um 16.26, weil die Lokbehandlung in Westerntor erfolgt. (Die Lokbehandlungsanlagen in Wernigerode waren 1950 noch rein regelspurig – Anm. d. Verf.)
- Schicht
- P 1248 Wernigerode ab 21.06, Drei Annen Hohne an 21.48, Besetzung ca 80 – 100 Arbeiter
- P 1249 Drei Annen Hohne ab 22.20, Wernigerode an 23.00, Besetzung ca 80 – 100 Arbeiter
- Beide Züge sind anschlußgebunden an P 528 (Wernigerode an 20.59), P 529 (Wernigerode ab 23.05). Die genannten Züge dienen gleichzeitig dem Berufsverkehr für die Motorenwerke Wernigerode und das Kupferwerk Ilsenburg. Eine Verlegung würde eine empfindliche Störung dieser Werke nach sich ziehen. Da mit P 529 nur etwa 20 – 30 Wismuth Arbeiter befördert werden, hatte ich der Wismuth AG vorgeschlagen, die Weiterbeförderung ab Wernigerode mit einem Omnibus zu organisieren, um unsererseits dann den P 1249 wie gewünscht später zu legen. Ein Bescheid dieser Art hat mich bisher nicht erreicht.
- Eine Umlegung der augenblicklich nach Schierke fahrenden Züge nach Elend steht der auf Hochtouren befindliche FDGB-Urlauberverkehr nach Schierke entgegen, der Werktätige aus der gesamten DDR, unter ihnen auch solche der Wismuth AG, Erholung bietet. Die Möglichkeit weitere Zugleistungen mit dem Ziel Elend wird erst nach Besserung der Loklage vorhanden sein, die mit der in Kürze zu erwartenden Lieferung eines Zugtriebwagens eintreten dürfte.
Vergleicht man die Fahrzeiten mit dem amtlichen Kursbuch, fallen bereits einige Änderungen zu Gunsten der Wismut AG auf. So wurde der P 1235 deutlich später gelegt (in der Lage von P 1239, der dafür vermutlich von Hasserode nach Wernigerode Westerntor in der ursprünglichen Lage von P 1235 verkehrte). Die Züge P 1243 und P 1249 fuhren bereits jeweils in einer 20 Minuten späteren Lage. Mit dem erwähnten „Zugtriebwagen“ kann nur einer der drei Schlepptriebwagen der ehemaligen Nordhausen-Wernigeroder Eisenbahn AG (VT 137 561, 565 und 566) gemeint sein. Der VT 137 565 befand sich 1950 zur Untersuchung im RAW Dessau. Vor der Selketalbahn führt der Schriftsatz noch die Leistungen auf der Rübelandbahn auf, der die Angaben zur Selketalbahn folgen:
III. Strecke Gernrode – Sternhaus Ramberg
Die Bedienung mit Regelzügen ist hier nicht möglich, da wir loktechnisch nicht in der Lage sind, einen den Wünschen der Wismuth AG entsprechenden Fahrplan aufzustellen und zu bedienen. Es fahren: 1. Schicht Hinf a) ab Gernrode 6.10, Sternh R an 6.32, im Plan 9670, Besetzung ca 100 Pers b) ab Gernrode 7.00 Sternh R an 7.22 als Sperrfahrt, Besetzung ca 100 Pers Rückf ab Sternh R 6.38, Gernrode an 6.58 2. Schicht Hinf Gernrode ab 14.18, Sternh R an 14.40 als Sperrfahrt, ca 40 Pers Rückf Sternh R ab 14.50, Gernrode an 15.15 als Sperrfahrt, ca 200 Pers 3. Schicht wird mit Lkw’s der Wismuth AG zur Arbeitsstelle gebracht.
Auf dieser Strecke kann die Erstellung eines brauchbaren Fahrplans erst erfolgen, wenn eine leistungsfähige Lok nach erfolgter Reparatur von Wernigerode nach Gernrode überführt wird. Dies wird bis spätestens Ende d. Mts der Fall sein.
Um die Verbesserung der Lokomotivlage auf den Schmalspurbahnen bin ich seit Übernahme dieser Bahnen bemüht. Abschriften meiner Anträge an die GDDR füge ich bei, doch konnten vor dort aus noch keine Zuweisungen von Lok erfolgen. (GDDR – Generaldirektion der DR. Die RBD Magdeburg wies bereits seit Übernahme der Schmalspurbahnen die Generaldirektion auf die schwierige Loklage im Harz hin und forderte den Bau neuer Dampfloks, u. a. mit den Schreiben vom 28. Dezember 1949 und vom 13. Juni 1950. Doch bei der Generaldirektion hatten andere Vorhaben Vorrang, so – auch wegen der Wismut AG – die 750-mm-Neubaudampfloks – Anm. d. Verf.). Für die Rückfahrt der ersten Schicht wurde vermutlich der Zug der Hinfahrt komplett hinten an den in Sternhaus Ramberg kreuzenden P 1273 gehangen, womit sich auch die sehr kurze Wendezeit in Gernrode (Harz) erklären ließe. Bei der Loklage blieb es allerdings beim „Prinzip Hoffnung“ – alle Bemühungen führten bis zur Praxisreife der Neubauloks Ende der 1950er Jahre nicht zu einer durchgreifenden Verbesserung.
Auch Sonderleistungen gab es auf der Selketalbahn. Ein Bahndienstfernschreiben des Reichsbahnamtes Aschersleben legte für den 18. August 1950 den VT 133 522 für die Rückfahrt der Teilnehmer einer Gewerkschaftsveranstaltung von Lindenberg (Harz) nach Gernrode (Harz) ein:
- Sonderzug 19408 Gernrode (Harz) ab 18.20, Lindenberg (Harz) an 19.35 Uhr
- Sonderzug 19421 Lindenberg (Harz) ab 19.40, Gernrode (Harz) an 20.37 Uhr
Fahrplan ohne Bestand
Ein weiterer handschriftlicher Vermerk des zuständigen Bearbeiters der RBD Magdeburg (jetzt als 21 R 12) vom 17. August 1950 informiert darüber, dass es ab 26. August 1950 Fahrplanänderungen zwischen Gernrode (Harz) und Sternhaus Ramberg geben sollte und für die nur zwischen diesen beiden Bahnhöfen fahrenden Züge eine spezielle betriebliche Regelung erlassen wurde. In einem weiteren Schreiben vom 23. August 1950 wurde das Reichsbahnamt Aschersleben aufgefordert, die Wismut AG über die neuen Fahrzeiten zu informieren. Hierzu liegen in den Unterlagen mehrere mit Bleistift „gemalte“ Bildfahrpläne (teilweise auf kariertem oder Millimeterpapier) vor, die sich widersprechen. Unter dem 26. August 1950 verteilte die RBD Magdeburg noch einmal eine Fahrplanänderung und verschob das Inkrafttreten des neuen Fahrplans auf den 1. September 1950. Eine weitere Berichtigung vom 31. August 1950 führte nochmals zu Änderungen bei den sonn- und feiertags eingelegten Zügen. In Auswertung dieser letzten Fernschreiben im Vergleich mit den vorliegenden Bildfahrplänen ergibt sich ab dem 1. September 1950 ein Fahrplan mit drei Triebfahrzeugen im Selketal wie folgt:
Triebwagenumlauf:
- T 3698 W Gernrode (Harz) ab 4.33, Alexisbad 5.16/17, Lindenberg (Harz) an 5.38 Uhr
- T 3699 W Lindenberg (Harz) ab 5.40, Alexisbad an 6.01 Uhr
- T 3702 W Alexisbad ab 6.08, Harzgerode an 6.20 Uhr
- T 3703 W Harzgerode ab 6.26, Alexisbad 6.35/48, Mägdesprung 7.01/05 (Kreuzung 9674), Gernrode (Harz) an 7.50 Uhr
- T 3704 W Gernrode (Harz) ab 10.46, Sternhaus Ramberg 11.06/07 (Kreuzung mit 9677), Alexisbad 11.30/38, Harzgerode an 11.50 Uhr
- T 3705 W Harzgerode ab 12.42, Alexisbad 12.51/55, Gernrode (Harz) an 13.42 Uhr
Dampfumlauf (Einsatz ab Harzgerode):
- Gmp 9671 Harzgerode ab 5.45, Alexisbad an 5.55 Uhr
- Gmp 9673 Alexisbad ab 6.11, Sternhaus Ramberg 6.42/43 (Kreuzung mit 9674), Gernrode (Harz) an 7.04 Uhr
- Gmp 9678 W Gernrode (Harz) ab 8.30 Uhr, Alexisbad 9.23/37, Harzgerode an 9.47 Uhr
- Gmp 9679 W Harzgerode ab 10.07, Alexisbad an 10.17 Uhr
- Gmp 9680 W Alexisbad ab 10.27 Uhr, Lindenberg (Harz) an 10.55 Uhr
- Gmp 9681 W Lindenberg (Harz) ab 11.06, Alexisbad 11.35/49, Gernrode (Harz) an 12.40 Uhr
- P 1272 W Gernrode (Harz) ab 14.00, Mägdesprung an 14.40 Uhr
- P 1273 W Mägdesprung ab 15.00, Gernrode (Harz) an 15.45 Uhr
- Gmp 9682 Gernrode (Harz) ab 18.28, Sternhaus Ramberg 18.53/59 (Kreuzung mit 9689), Alexisbad 19.23/33, Harzgerode an 19.43 Uhr
Dampfumlauf (Einsatz ab Gernrode (Harz)):
- Gmp 9674 W Gernrode (Harz) ab 6.10, Sternhaus Ramberg 6.35/43 (Kreuzung mit 9673), Mägdesprung 6.53/7.02 (Kreuzung mit T 3703), Alexisbad an 7.15 Uhr
- N 9676 W Alexisbad ab 7.29 Uhr, Lindenberg (Harz) an 7.58 Uhr
- N 9677 W Lindenberg (Harz) ab 9.07, Alexisbad 9.36/50, Sternhaus Ramberg an 10.21 Uhr
- Lz 14832 W Sternhaus Ramberg ab 10.27, Mägdesprung an 10.37 Uhr
- Üb 17515 W Mägdesprung ab 10.46, Sternhaus Ramberg an 10.58 Uhr
- N 9677 W Sternhaus Ramberg ab 11.08 (Kreuzung mit T 3704), Gernrode (Harz) an 11.29 Uhr
- Gmp 9686 W Gernrode (Harz) ab 15.46, Alexisbad 16.36/41, Lindenberg (Harz) an 17.08 Uhr
- Gmp 9687 W Lindenberg (Harz) ab 17.12, Alexisbad 17.38 Uhr
- Gmp 9688 W Alexisbad ab 17.50, Harzgerode an 18.00 Uhr
- Gmp 9689 W Harzgerode ab 18.10, Alexisbad 18.20/30, Sternhaus Ramberg 18.58/59 (Kreuzung mit 9682), Gernrode Harz an 19.20 Uhr
- Gmp 9690 W Gernrode (Harz) ab 22.00, Sternhaus Ramberg an 22.21 Uhr
- Lz 14834 W Sternhaus Ramberg ab 22.28, Mägdesprung an 22.38 Uhr
- Üb 75717 W Mägdesprung ab 22.50, Sternhaus Ramberg an 23.02 Uhr
- Gmp 9691 W Sternhaus Ramberg ab 23.30, Gernrode (Harz) an 23.51 Uhr
Mit diesem Fahrplan gab es auch an Sonntagen zumindest ein Zugpaar Harzgerode – Gernrode (Harz) und zurück. Ob damit auch dem Ausflugsverkehr Rechnung getragen wurde, muss allerdings bezweifelt werden, da die Richtung des Ausflugsverkehrs wohl eher in Richtung Harz ging. Ebenfalls wird die bekannte Technologie im Gütertransport von Mägdesprung nach Sternhaus Ramberg deutlich. In Mägdesprung wurden Güterwagen zurückgelassen, um mit einem ersten Zugteil die 1:25-Steigung nach Sternhaus Ramberg zu überwinden. Die zurückgelassenen Güterwagen wurden später nachgeholt. Auch Kreuzungen zwischen Gernrode (Harz) und Alexisbad erfolgten nicht nur im Bf Mägdesprung, sondern auch in der als Haltestelle geltenden Station Sternhaus Ramberg (in Haltestellen dürfen regulär keine Züge kreuzen).
Doch auch dieser Fahrplan hatte nicht lange Bestand. In einem handschriftlichen Vermerk vom 8. September 1950 hielt der Fahrplanbearbeiter der RBD Magdeburg fest, dass das Reichsbahnamt Aschersleben fernmündlich informiert habe, die für die Wismut AG eingesetzten Züge 9690 W und 9691 W würden von deren Beschäftigten nicht genutzt, der Bf Gernrode (Harz) habe nach Rücksprache mit der Wismut AG erklärt, die Züge würden nicht mehr benötigt. Daraufhin wurden mit Fernschreiben vom 9. September 1950 die Züge Gmp 9690 W, Gmp 9691 W, Lz 14834 W, Üb 17517 W ab 11. September 1950 ausgelegt. Das ist der letzte beim Verfasser vorliegende Vorgang, in dem die Wismut AG erwähnt wird. Da die Wismut AG im Harz auf keine Uranvorkommen stieß, endeten die Verkehre für die Wismut AG im Bereich Sternhaus Ramberg vermutlich im September 1950.
Quellen:
[1] Amtliches Kursbuch Deutsche Demokratische Republik Sommerfahrplan gültig vom 14. Mai bis 7. Oktober 1950, Nachdruck 1977, Horst-Werner Dumjahn Verlag, Mainz 1977 [2] Bauer, Jörg: Forschungen zur Selketalbahn: Zur Wiederinbetriebnahme der Strecke Alexisbad – Harzgerode 1949/50, in: „Der Preß-Kurier“ 179 (2021), PK-Verlag, Jöhstadt 2021 [3] Franz, Dietmar; Heinrich, Rainer: Die Schmalspurbahn Gera-Pforten – Wuitz-Mumsdorf und der Güterverkehr auf der Geraer Straßenbahn, VGB Verlagsgruppe Bahn GmbH, Fürstenfeldbruck/Klartext Verlagsgesellschaft mbH, Essen 2018 [4] Löhner, Hans: Das „Gründerla“ von Eisfeld nach Schönbrunn, Steinachtalbahn – Staffelsteiner Eisenbahnfreunde e. V., Coburg 1992
16.08.2021