VSE-Nachrichten
Regionalgruppe Wülknitz
In den vergangenen Jahren hatte sich der äußerliche Zustand der in Wülknitz aufgestellten VSE-Lok 44 351 zunehmend verschlechtert. Daher liefen seit längeren Bemühungen für eine „grundhafte Erneuerung des Farbanstrichs“ der Dampflok. Im Februar 2021 fand zwischen den Vereinsmitgliedern ein Gedankenaustausch statt. Mit den dabei gesammelten Ideen traf man sich im März 2021 mit dem Geschäftsführer des Imprägnierwerkes Wülknitz, auf dessen Gelände die Lokomotive seit 1998 steht, zu einem Gespräch. Der momentane Status einer „Denkmallok“ soll weiterentwickelt und das Exponat zumindest auf den Werksgleisen eine „rollfähige Traditionslok“ werden. Die bisher letzten Bewegungsfahrten zum Vermeiden von Standschäden fanden im Jahr 2010 statt. Danach stellte das Imprägnierwerk seine Diesellok vom Typ V10B mangels Bedarfs ab.
Ein Blick zurück in die Vergangenheit: Die Dampflok 44 351 verließ 1941 die Werkhallen der Firma Borsig in Hennigsdorf und war zunächst bis 1954 in Güsten sowie danach bis 1966 in Reichenbach (Vogtl) beheimatet. Anschließend erfolgte der Umbau von Rost- auf Ölhauptfeuerung. Damit gehörte sie, ab 1970 als 44 0351-5 bezeichnet, zum Bestand der Bw Wittenberge, Rostock, Güstrow und Eberswalde. Die internationale Ölkrise beendete Anfang der 1980er Jahre diese Einsätze. Da sich die Lokomotive aber noch in einem relativ guten Allgemeinzustand befand, baute das Raw Meiningen sie im Jahre 1983 auf Rostfeuerung zurück. Danach traf sie mit ihrer aktuellen Nummer 44 2351-3 im Bw Karl-Marx-Stadt ein. Ab 1984 nutzte sie das Oberbauwerk Wülknitz abwechselnd mit der 44 1593-1 für Heizzwecke. Im Jahre 1988 baute das Raw Meiningen die 44 2351-3 zu einer nicht selbstfahrfähigen Heizlokomotive um. Dazu gehörte der Ausbau des mittleren Triebwerkes sowie der beiden äußeren Treibstangen. Nach der politischen Wende in der DDR und dem Ende ihres Heizlokeinsatzes im Frühjahr 1991 erwarb der VSE 1992 die Lok und die inzwischen gegründete Pflegegruppe trat dem Verein als Regionalgruppe Wülknitz bei, um 44 351 an ihrer letzten Wirkungsstätte zu erhalten.
Gemeinsam mit der Imprägnierwerk Wülknitz GmbH ist nun angedacht, dass die seit 2010 ungenutzte Werklok vom Typ V10B (LKM 252031, Baujahr 1958) per Nutzungsvereinbarung auf der Anschlussbahn mit der Dampflok zum Einsatz gelangen kann. Außerdem besteht die Möglichkeit, den großzügig bemessenen Kleinlokschuppen als Werkstatt- und Lagerraum zu nutzen. Erste Untersuchungen attestierten der V10B einen guten technischen und vollständigen Zustand. Nach diversen Vorarbeiten sowie dem Kauf und dem Einbau zweier gebrauchter 12-Volt/225-Ah-Batterien, aus Kostengründen privat finanziert in Nordhausen erworben, fand ein Probelauf mit anschließendem Funktionstest für Motor, Getriebe und Bremse statt. Eine kurze Probefahrt erfolgte unter Aufsicht eines Sachverständigen und ergab ebenfalls keine Mängel – die Endabnahme der Diesellokomotive wird in Kürze erwartet.
Die V10B hatte der VEB Lokomotivbau „Karl Marx“ 1958 an das als Werk V zum VEB Vereinigte Holzindustrie Dresden gehörende Imprägnierwerk nach Wülknitz geliefert, sie war nie anderweitig im Einsatz. Der Industrieloktyp V10B ist mit seinem luftgekühlten Sechszylinder-Reihenmotor und seinem mechanischen 4-Gang-Einheitsrädergetriebe in den neuen Bundesländern nicht selten, denn zwischen 1958 und 1976 entstanden davon ca. 590 Stück. Die mit der Fabriknummer 252031 nach Wülknitz gelieferte Maschine gehört als 31. gebautes Exemplar zu den ältesten noch existierenden Lokomotiven dieses Typs. Der damaligen ersten Bauform entsprechend besitzt sie noch ihre Radsätze mit 900 mm Laufkreisdurchmesser und tiefliegende, direkt am Rahmen angebaute Frontlampen. Später gefertigte V10B erhielten Radsätze mit 1000 mm Laufkreisdurchmesser und aufgesetzte Lampen wie die Lokomotiven der Reichsbahn-Baureihen V15 und V22. Die Regionalgruppe Wülknitz hofft, mit ihren Vorhaben weitere Eisenbahn- und Heimatfreunde anzusprechen, die bei der Pflege und Erhaltung der Fahrzeuge sowie ihres Umfeldes mithelfen möchten.
Vor Beginn der Arbeiten an der Denkmal-Dampflok galt es zunächst, den dahinter befindlichen Begleiterwagen (ehemaliger Werkstattwagen der Signal- und Fernmeldemeisterei Riesa, umgebaut aus einem 1908 von der Waggonfabrik L. Steinfurt in Königsberg gebauten zweiachsigen Flachdachgüterwagen) auf- bzw. umzuräumen, damit er als Werkstatt wieder nutzbar ist. Einige Kleinmaschinen und Werkzeuge waren dabei neu oder gebraucht zu beschaffen. Diese Vorarbeiten nahmen viel Zeit in Anspruch. Die Räumaktion förderte aber auch einige vermisst geglaubte Teile zu Tage, die nun wieder an ihrem ursprünglichen Platz zum Einbau gelangen.
Zur Freude der Beteiligten spendete die Witwe des 2020 verstorbenen Eisenbahnfreundes, Autors und Fotografen Rolf Steinicke aus Dresden aus dessen Nachlass einige Maschinen und Normteile für das Projekt. Dafür bedankt sich der Verein an dieser Stelle. In den zurückliegenden Monaten gelang es, folgende Arbeiten an der 44 351 auszuführen: Die Achslager wurden entwässert und mit Achsöl befüllt, die Achslagergleitplatten gesäubert, die Gleitbahnen gesäubert und eingeölt, Stangen, Steuerung, Lenkgestell und die Bremse abgeölt, der Boschöler entleert und mit Achsöl neu befüllt sowie durchgekurbelt, bis an allen Verbrauchsstellen Öl ankam. Des Weiteren wurden die Ölsperren demontiert, um sie zu prüfen und das Öl direkt in Zylinder und Schieberräume zu bringen. Vor einer Grundreinigung der Rauchkammer erfolgte die Gangbarmachung der Rauchkammertür und der Vorreiber. Im Führerhaus begann die Restaurierung mit der Demontage von Manometern und weiteren Teilen sowie dem Abschleifen alter Farbschichten. Die Manometer befinden sich derzeit bei einem Fachmann zur Aufarbeitung.
Am 7. Juli 2021 versammelten sich die Mitglieder der Regionalgruppe zu einer kleinen Feierstunde an der Dampflok, jährte sich doch an diesem Tag ihre Endabnahme zum 80. Mal. Dem damaligen Bw Güsten stand damit ab diesem Sommertag 1941 eine weitere moderne Güterzuglok zur Verfügung.
Zukünftig soll diese Maschine wieder bewegt werden, sowohl um Standschäden zu vermeiden, aber auch um Teile demontieren und aufarbeiten bzw. Stellen zur Konservierung freilegen zu können, die sonst nur schwer oder nicht zugänglich sind. Damit in naher Zukunft wieder eine vollständige Präsentation der Lok möglich ist, sucht die Regionalgruppe folgende Zubehörteile: drei Signallaternen für das Spitzenlicht, zwei Gattungsschilder „G56.20“, ein Pyrometer-Anzeigegerät für die Heißdampftemperatur und Lokschilder für die Zeit vor 1970 sowie mit der ab 1983 gültigen EDV-Nummer.
Bereits seit längerer Zeit bemüht sich der VSE um Förderungen zur Restaurierung der 44er, die jedoch frühestens nach Abschluss der Hauptuntersuchung an der vereinseigenen Dampflok 50 3616-5 beginnen können. Für interessierte Anwohner und Eisenbahnfreunde, die sich ein Bild vom Arbeitsfortschritt machen möchten, plant die Regionalgruppe eine Beteiligung am bundesweiten „Tag des offenen Denkmals“ am 12. September 2021 von 10 bis 17 Uhr.
16.08.2021