Verkehrspolitik
Bahnreform 2.0: Es hängt vom politischen Druck ab
Kommentar
Inzwischen besteht ein breites Bündnis unterschiedlichster Akteure in Deutschland, die eine Bahnreform 2.0 fordern und damit die Erwartungshaltung verbinden, die Leistungsfähigkeit des Systems Schiene im größten Eisenbahnland Europas wieder voranzubringen. Anders noch Anfang der 2000er Jahre, als die geforderte Aufspaltung des sogenannten „Integrierten Bahnkonzerns“ Deutsche Bahn AG mit Netz und Betrieb in einem Unternehmen von vielen als Anfang vom Ende des Ausverkaufs gesehen wurde, erscheint dies heute durchaus als Mittel der Wahl, die egoistische Sicht eines großen Players zugunsten von mehr Verkehr auf der Schiene und eines wirklichen Wettbewerbs aufzubrechen.
Die Argumente der Befürworter einer Bahnreform 2.0 stehen verständlich und nachvollziehbar, auch wenn man keinesfalls alle davon teilen muss. Das Netzwerk Bahnen (www.netzwerk-bahnen.de) hat diese Positionen aufgestellt und alle politischen Parteien um ihre Standpunkte gebeten bzw. deren Wahlprogramme analysiert. Eine Mehrheit der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien scheinen den Zielen sowie Forderungen von Strukturänderungen und Zielschärfungen für den Bahnverkehr durchaus zugeneigt zu sein. Nichtsdestotrotz gibt es insbesondere aus den Reihen eines Koalitionspartners weiterhin erheblichen Widerstand, der sich in Intonation und Aussagekraft seit 25 Jahren kaum verändert zeigt: Eine „Zerschlagung der DB“ würde „…den Schienenwegeausbau mit Umstrukturierungen über Jahre lahmlegen und für erhebliche Verunsicherung bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Konzern sorgen…“ wurde in einem Interview im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ vom 6. August dieses Jahres der SPD-Fraktionsvize Sören Bartol zitiert.
Nun mag die Sorge vor einem strukturellen Aufwand für die Herauslösung von Netz, Stationen und Serviceeinrichtungen in eine bundes- eigene Infrastrukturgesellschaft sicher nicht gänzlich unberechtigt zu sein, das Beispiel der Probleme der Autobahn GmbH im Hause des Verkehrsministers mag da als abschreckendes Beispiel genügen. Doch aus diesem Beispiel den Erhalt des „Status quo“ zu begründen, mag auch eine sehr eigenwillige Sicht repräsentieren. Die Sorge vor Arbeitsplatzverlusten kann ebenfalls nicht mehr der Treiber für Widerstand sein, denn Personalmangel allerorten im Gesamtsystem Bahn verschwindet ja nicht dadurch, dass man Netz und Betrieb unterschiedlichen Organisationen zuordnet.
Der integrierte Gesamtkonzern hatte 25 Jahre lang die Chance, zu beweisen, dass es funktionieren kann, Eisenbahn modern aus einer Hand zu handhaben, wie es vor 150 Jahren begonnen hat. Das Ergebnis ist der Konzern schuldig geblieben, auch weil sich der Eigentümer Bund viel zu lange um eine Zielvorgabe für Verkehrsleistungen und den Verzicht auf Gewinnerzielungsabsichten aus der Infrastruktur gedrückt hat. Warum die bundeseigene Autobahn GmbH gemeinwohlorientiert arbeiten soll (sprich kostenfrei für die Nutzer), die Infrastrukturen der bundeseigenen DB AG aber Gewinn erzielen müssen, erschließt sich gesundem Denken nicht.
Dass man da den Schluss nahelegen muss, einer AG die Aufgaben zu entziehen, für die sie eigentlich in einer Gemeinwohlaufgabe steht und den Wettbewerb befördern soll, ist durchaus verständlich. Gleichwohl geht es nicht darum, eine neue Behörde für die Infrastruktur zu schaffen, sondern eine an Neutralität und Wettbewerbsfairness für alle Akteure orientierte Unternehmensführung für Netz und betriebliche Anlagen zu finden. Natürlich dürfen Umstrukturierungen nicht zu einem Stopp beim Schienenwegeausbau führen – und auch nicht die Wiederherstellung der im Juli vom Hochwasser zerstörten bzw. beschädigten rund 600 km Gleis verhindern.
Die Ziele der „Bahnreform 2.0“ zu negieren, wäre falsch. Nur mit entsprechendem Druck scheint das bei Politikern zu verfangen, die Bundestagswahl bietet dem Wähler wieder eine Einflussmöglichkeit. Nutzen wir diese!
16.08.2021