Schmalspur- und Museumsbahn-Nachrichten
„Molli trifft Borkum“ – der Einsatz der Molli-Dampflok 99 331 auf der Inselbahn Borkum –
Es war nicht nur für Eisenbahnfreunde, sondern auch für alle Inselbesucher und -bewohner sowie für die beteiligten Eisenbahner ein ganz besonderes Ereignis: Die Molli-Dampflok 99 331 weilte vom 11. bis 25. September auf der Nordseeinsel Borkum und wurde an neun Tagen vor Sonder- und Regelzügen sowie für Lokmitfahrten auf der zweigleisigen Strecke der Borkumer Kleinbahn (BKL) eingesetzt. Für die Maschine handelte es sich um den ersten Einsatz außerhalb ihrer Molli-Hausstrecke seit der Übernahme der ehemaligen Wismut-Werklok durch die DR im Jahre 1959. Gleise mit 900 mm Spurweite sind in Deutschland rar geworden, wodurch ein solcher Gasteinsatz möglicherweise einmalig bleiben könnte. Entstanden war die Idee vor etwa drei Jahren im Rahmen der regelmäßigen Geschäftsführertreffen der öffentlichen Schmalspurbahnen in Deutschland. Zwar betreibt die Borkumer Kleinbahn auch eine eigene kleine Dampflok, diese ist aber ölgefeuert und wird nur für Sonderfahrten genutzt. Den Planbetrieb wickelt die BKL mit modernen Dieselloks im Wendezugverkehr ab. Der Einsatz einer kohlegefeuerten Dampflok im Planzugverkehr stellte daher eine ganz besondere Herausforderung dar, denn es musste bereits im Vorfeld viel bedacht, geprüft und organisiert werden. Nachdem zunächst die allgemeinen Rahmenbedingungen wie Lichtraumprofil, Gleisradien und Spurführung in Weichen geprüft waren, kam schon fast die größte Hürde: Die Mitnahme von Wagen vom Molli auf die Insel schied aus Kostengründen aus, so musste wegen der Ungleichheit der Zug- und Stoßvorrichtungen beider Bahnen eine Adapterlösung erarbeitet werden. Nach Prüfung mehrerer Möglichkeiten erhielten schließlich die beiden zweiachsigen Güterwagen Nr. 33 und 55 der Inselbahn jeweils an einer Seite anstatt der zwei Hülsenpuffer einen Mittelpuffer vom Molli. Die Zughaken der BKL und des Molli liegen glücklicherweise auf einer Höhe und konnten dadurch ohne Umbauten genutzt werden. Die Gw 33 und 55 liefen jeweils an den Enden des für die Molli-Lok vorgesehenen Zuges, der aus den originalen Weyer-Wagen gebildet war. Zum Rangieren des Zuges in die Wagenhalle per Diesellok nahm die Dampflok 99 331 zum Dienstschluss jeweils einen Adapterwagen mit in den Betriebshof. Da der Weyer-Zug nur handgebremst gefahren wird, gab es in Bezug auf das Bremssystem keine Probleme. Für das Gastfahrzeug wurden sämtliche Betriebsstoffe, spezielle Werkzeuge, ein Ersatzteilpaket, ein Kohlenhunt sowie der Notfallanhänger mit dem Aufgleisgerät auf die Insel Borkum umgesetzt. Ein Lkw brachte 14 t Steinkohle aus Polen via Fähre auf die Insel. Die größte Herausforderung stellte jedoch der Transport der Lok selbst dar. Die Last konnte zwar mittig auf dem Schiff positioniert werden, die Durchfahrtshöhe auf der Fähre ist jedoch auf 4,15 m begrenzt. So kam nur ein Tiefbettauflieger an Stelle des sonst verwendeten Tiefladers der Pressnitztalbahn mbH mit dessen Gleishöhe von 80 cm in Frage. Das Aufladen in Bad Doberan erfolgte deshalb nicht über die feste Rampe, sondern mittels Hubbockanlage in der Werkstatt. Zum Abladen wurde auf der Insel im Hafenbahnhof eine spezielle zerlegbare Rampe aufgebaut, mit der die Lok dann auf das Inselgleis gerollt und von einer Diesellok mit Adapterwagen ins Depot geschleppt werden konnte. Vier Mitarbeiter vom Lokpersonal der MBB Molli GmbH weilten stets auf der Insel. Um mehreren interessierten Kollegen die Möglichkeit zu geben, wurde nach der halben Zeit die Mannschaft getauscht. Nach dem Anheizen fanden am Donnerstag und Freitag, den 12. und 13. September, Probe- und Personaleinweisungsfahrten statt. Besonders das Bremsen der Züge ohne Druckluftbremssystem in den Wagen, das Anfahren mit der nur aus Ketten bestehenden Kupplung, die Halteplätze und das Signalsystem waren zu trainieren. Am Sonnabend, dem 14. September, fuhr dann pünktlich 10.10 Uhr der erste Planzug mit der girlandengeschmückten Molli-Lok zum Hafen, bevor danach eine Fahrt vor dem historischen Sonderzug für geladene Gäste auf dem Plan stand. Insgesamt führte die 99 331 an den neun Tagen 35 Zugumläufe und stand zusätzlich für diverse Lokmitfahrten vom Inselbahnhof zum Haltepunkt Jakob-van-Dyken-Weg zur Verfügung, außerdem fanden zwei Workshops mit der Lok im Depot statt. Besondere Höhepunkte waren die samstäglichen Parallelfahrten beider Dampfzüge auf der zweigleisigen Strecke, die Begegnungen mit dem historischen Triebwagen und die Fahrzeugparaden im Depot. Der Betrieb lief ohne Störungen ab. Am Abend des Sonntages, dem 22. September, ging dann das Feuer in der 99 331 auf der Insel Borkum aus und am Mittwoch, dem 25. September, rollte der Tieflader mit der Lok auf die nachmittägliche Fähre nach Emden.
Ein gedankliches Fazit
Das Medieninteresse am Gasteinsatz der Molli-Dampflok war von Anfang an enorm. Diverse regionale und überregionale Zeitungen, Nachrichtenagenturen und Fernsehsender berichteten seit Beginn der Vorbereitungen über alle Zwischenstationen bis zu den Fahrtagen. Auch die deutschen Eisenbahnverlage waren mit Reportern sowie Kamerateams vor Ort und zeichneten Material für verschiedene Sendungen und DVD auf. Für die Bewohner und Gäste der Insel war es ebenfalls ein ganz außergewöhnliches Ereignis. An den Bahnhöfen und an der Strecke waren ständig staunende und interessierte Passanten sowie Eisenbahnfreunde unterwegs. Ein Lokführer aus Bad Doberan sagte treffend: „Kein Strauch, hinter dem nicht jemand mit Kamera oder Smartphone steht.“ Vom Molli sind die Eisenbahner ja derartiges gewöhnt, aber Borkum übertraf alles. Der Molli war wirklich in aller Munde!
Ganz besonders hervorzuheben ist auch der herzliche Empfang für die beteiligten Molli-Kollegen auf der Insel. Das Zusammenspiel mit den Inselbahnern klappte hervorragend, es war eine große Begeisterung bei allen zu spüren und die Zusammenarbeit machte großen Spaß. Die Eisenbahner der BKL und vom Molli verbrachten mehrere gemeinsame Abende; Lokmitfahrten für die Kollegen waren tagsüber selbstverständlich – es gab sogar eine Parallelausfahrt mit dem „Schweineschnäuzchen“, dem in Wismar gebauten Triebwagen 1. Der Abschiedsgruß „Tschüss Molli“ am Abreisetag auf den elektronischen Zuganzeigen auf allen Bahnhöfen der Kleinbahn trieb fast die Tränen in die Augen. Umso mehr freuen sich alle auf den Gegenbesuch des Triebwagens T 1 zum Jubiläum „25 Jahre Mecklenburgische Bäderbahn Molli GmbH“ im September 2020 in Bad Doberan. Ob danach vielleicht auch einmal eine der vier großen Molli-Loks der Baureihe 9932 Nordsee-Luft schnuppern darf …?
(Fakten und Hintergründe von Jan Methling, stellv. Betriebsleiter der Mecklenburgischen Bäderbahn Molli GmbH)
16.10.2019