Eisenbahn-Technik
Neue Schmalspurloks aus Deutschland - Entwickelt in Chemnitz
Class QR 3800 für Australien
Schmalspurbahnen werden für gewöhnlich mit den Attributen „klein“, „zierlich“ und in der Leistungserwartung eher unterhalb des Levels der regelspurigen Eisenbahnen angesiedelt. Dass es auch anders funktionieren kann, beweisen zahlreiche Eisenbahnen auf der südlichen Erdhalbkugel, die in der dort weit verbreiteten Kap-Spur mit 1067 mm-Spurweite ausgeführt sind. Das zur SIEMENS Division Mobility gehörende Transportation Systems - Werk in München-Allach baut gegenwärtig an der ersten Bauserie von sechsachsigen Schmalspurlokomotiven (Bo’Bo’Bo’) für die australische Eisenbahngesellschaft „Queensland Rail“ (QR), die einen direkten Vergleich mit vielen leistungsstarken regelspurigen Lokomotiven nicht zu scheuen brauchen. Eine Dauerleistung, wie bei der Baureihe QR 3800 von rund 4.000 kW, ist bei Fahrzeugen auf dem deutschen Eisenbahnnetz jedenfalls nicht zu finden.
Siehe dazu auch ein Beitrag in: Eisenbahn-Kurier, Ausgabe 6/2008, S 50-53, „Die Class 3800 der Queensland Rail“ von Karl Gerhard Baur
Die neuen Loks für Queensland Rail haben in Australien eine wichtige Aufgabe beim Transport schwerer Kohlezüge aus dem Inland zu den Häfen an der Küste zu übernehmen. Insgesamt hat die dem australischen Staat gehörende Queensland Rail 45 Loks bei SIEMENS bestellt, Optionen gibt es für weitere Fahrzeuge. Das technische Grundkonzept der Lok basiert auf der Class QR 3700, die wiederum durch ein Modernisierungsprojekt aus den Class QR 3100 und QR 3200 entstehen, wofür die australische SIEMENS-Landesgesellschaft verantwortlich ist.
Engineering aus Sachsen
Eine Tatsache, die in bisherigen Presseveröffentlichungen zumeist unter den Tisch fiel, ist die Beteiligung von Sachsen an diesem Projekt. Nach der Auftragserteilung durch Queensland Rail im Jahr 2006 entschied SIEMENS, für die notwendigen Entwicklungsleistungen die Unterstützung externer Engineeringpartner einzubeziehen, da die eigenen Kapazitäten in zahlreichen weiteren neuen Projekten zeitgleich gebunden waren. Nach intensiven Verhandlungen und Wettbewerbsausschreibungen wurde die Chemnitzer Ingenieurgesellschaft Hörmann Engineering GmbH mit der umfangreichen Bearbeitung und Erstellung der Konstruktionsunterlagen für die Fertigung und Montage der 132 Tonnen schweren Lokomotive beauftragt. In einem über 18 Monate andauernden Projekt wurden durch zeitweise fast 60 Mitarbeiter in Chemnitz und München die Grundlagen für die Produktion der Loks gelegt. Aufbauend auf der konsequent in 3D-CAD-Technik realisierten Konstruktion und der Simulation von Belastungszuständen wurden bei den Erprobungen und Vermessungen mit der ersten Lok der
Class QR 3800 hervorragende Ergebnisse erzielt. Für SIEMENS war die erstmalige externe Vergabe eines derartigen Engineering-Umfanges durchaus ein Wagnis, befürchtete man doch einige Schnittstellenprobleme zwischen Konstruktion und Produktion. Doch diese Befürchtungen zerschlugen sich eindeutig, auch bei den zahlreichen vom Kunden eingebrachten Änderungswünschen konnte eine sehr gute Zusammenarbeit und pünktliche Bereitstellung aktueller Zeichnungsstände für die Fertigungsbereiche realisiert werden. Dies wurde durch eine intensive und kooperative Koordination mit dem Siemens-Projektleiter Michael Riederer ermöglicht.
Bei der Hörmann Engineering GmbH sieht man sich mit diesem Projekt durchaus in der Tradition des Chemnitzer Schienenfahrzeugbaus, wobei es für die über 170 Mitarbeiter ein langer Weg bis zur Übernahme der Verantwortung als Hauptauftragnehmer für das Engineering für diese Lok war. Davor wurden bereits für viele europäischen Schienenfahrzeughersteller und Bahnunternehmen Neubau- und Modernisierungsprojekte begleitet – auch von diesen Projekten wurde bisher außerhalb der Fachwelt wenig bekannt.
Aktivitäten für die schmale Spur
Das Unternehmen, das seit 2005 zum VOITH-Konzern gehört (sonst eher bekannt durch Papiermaschinen, Wasserkraftanlagen und Getriebe), ist natürlich auch für die deutschen Schmalspurbahnen aktiv, mit den Konstruktionsleistungen für den neuen „Molli-Gepäckwagen“, als Generalplaner für die Ausstellungs- und Fahrzeughalle der Preßnitztalbahn oder auch als Premium-Partner des VSSB e.V. für das Projekt „Sächsische I K Nr.54“ stehen bekannte Themen auf der Referenzliste. Neben den besonders fahrzeugtechnisch orientierten Konstruktions- und Entwicklungsaufgaben übernehmen die Chemnitzer Ingenieure aber auch Aufgaben, die der Optimierung betrieblicher Abläufe, der Planung von Werksanlagen und Produktionsabläufen sowie der Instandhaltungsorganisation dienen.
Neue Schmalspurloks für Sachsen …
… egal ob mit Dampf- oder Dieselantrieb, sind bisher weder in Planung, noch gibt es dafür einen erkennbaren Bedarf. Auch der Nachbau einer Lok für den „Molli“ oder der Bau der „I K Nr. 54“ stellt dafür keinen Nachweis dar. Es ist aber wichtig zu konstatieren, dass die Fähigkeiten und Fertigkeiten von Ingenieuren für den Bau von Schmalspurfahrzeugen in Sachsen vorhanden sind.
Dieses Know-how wird in den kommenden Jahren auch gebraucht, wenn für den vorhandenen Bestand an den Lokomotiven, die im täglichen Personenverkehr zum Einsatz kommen, neue technische Lösungen und Innovationen benötigt werden. Dies nicht wegen ihres Unterhaltungszustands – dank der Bemühungen der Betreiber und des Dampflokwerkes Meiningen sind die Loks in einem guten Zustand. Handlungsdruck entsteht in den nächsten Jahren vor allem aus Gründen der Energieeffizienz durch steigende Energiekosten, wegen steigenden Anforderungen des Umweltschutzes besonders aus neuen EU-Umwelt-schutznormen und nicht zuletzt zur Verbesserung des Brandschutzes in Zeiten des Klimawandels durch extreme Trockenzeit-Wetterlagen.
10.08.2008