Schmalspur- und Museumsbahn-Nachrichten
Neuer Gepäckwagen für den Molli
Die MBB Molli verfügte bisher über fünf Gepäckwagen. Der kleinste von 1902 mit der offiziellen Nummer 996-001 ist, liebevoll restauriert, als PwPost Nr. 82 ausschließlich im 100-jährigen Zug im Einsatz. Von den vier anderen Fahrzeugen der Baujahre 1913 bis 1933 teilen sich drei die Aufgaben im Zugdienst, dagegen ist der 996-003 bereits seit 2000 mangels Bedarfs abgestellt. Die Wagen 996-004 und 005 erhielten im Jahr 2000 bei VIS Halberstadt eine umfassende Aufarbeitung. Dabei wurden u. a. die hinteren Seitenfenster versetzt und ein Notbremsgriff installiert, um schwere Batterierollstühle im Packraum befördern zu können. Der Wagen 996-002 erhielt seine letzte Untersuchung im Jahr 2002 bei der MBB Molli ohne Modernisierungsmaßnahmen.
Das jährlich steigende Aufkommen an zu befördernden Fahrrädern, zuletzt über 11.000, begünstigt durch den Ausbau des örtlichen Radwegenetzes, bereitete zunehmend Kapazitätsprobleme. Maximal 20 Fahrräder lassen sich in den vorhandenen Wagen unterbringen. Ein Sortieren nach Aussteigebahnhöfen ist dann aber nicht mehr möglich. Auch für die zunehmenden Anforderungen bei der Rollstuhlbeförderung waren Verbesserungen notwendig, ein Transport im Gepäckabteil stieß zuweilen schon mal auf Kritik.
Eine Lösung des Problems war nur durch mehr Ladekapazität und eine andere Raumaufteilung in den Gepäckwagen möglich. Der Einsatz von zwei Fahrzeugen je Zug, wie auf Rügen praktiziert, schied aus wirtschaftlichen Gründen und mangels geeigneter Fahrzeuge aus. Die begrenzte Bahnsteiglänge besonders in Bad Doberan stellte dabei ein weiteres Hindernis dar.
Der Umbau der vorhandenen Gepäckwagen erschien auf Grund des hohen Alters und der fehlenden Zeichnungen und Konstruktionsunterlagen kaum realisierbar. Der Kauf von Fahrzeugen von anderen Schmalspurbahnen, z.B. sächsischer Reko-Packwagen mit 13,52 m Länge über Puffer und anschließender Anpassung der Drehgestelle, von Zug- und Stoßvorrichtung und der Bremse wäre gleichsam kompliziert und teuer ausgefallen. Eine völlige Neukonstruktion eines gesamten Fahrzeuges einschließlich Zulassungsverfahren schied wegen des zu erwartenden hohen Aufwandes und der immensen Kosten ebenfalls aus. So stellte sich in der Konzeption als Vorzugsvariante heraus, das Fahrwerk eines Altenburger Flachwagens zu verlängern und einen nach den zu erwartenden Anforderungen gestalteten Aufbau darauf zu setzen.
Die MBB Molli hatte 1999 und 2000 insgesamt vier Flachwagen der Bauart Altenburg vom ehemaligen Tagebaubetrieb Senftenberg der LMBV erworben. Die Fahrzeuge waren zwischen 1987 und ´90 gebaut worden und in sehr gutem Zustand, da sie kaum im Einsatz standen. Sie waren sehr robust und mit KE-Bremse sehr modern ausgeführt.
Die mögliche Zuladung von 30 t versprach ausreichende Stabilitätsreserven für einen Umbau. Ein Fahrzeug war seinerzeit direkt zur VIS Halberstadt gebracht worden und hatte 2005 bereits den Umbau auf die Zug- und Stoßvorrichtung der MBB Molli erfahren. Die entsprechende Konstruktionsleistung war also bereits erbracht. Die gesamten Zeichnungen und Stücklisten des Flachwagens konnten dazu aus Altenburg und die Papiere zu den Drehgestellen vom Hersteller Waggonbau Niesky beschafft werden. Hauptanforderungen an das neue Fahrzeug waren: Erweiterung der Länge über Puffer auf ca. 15,00 m, um ausreichend Laderaum für rund 40 Fahrräder zu schaffen, die Laderaumtür sollte mittig angeordnet sein, um ein Vorsortieren nach Ausstiegsbahnhöfen zu ermöglichen. Das Dienstabteil sollte größer ausfallen, um auch zwei Rollstühle darin befördern zu können. Dazu waren klappbare Sitze für die Begleitpersonen einzuplanen. Die Schränke sollten an der Stirnwand plaziert werden, um die Mittelwand wegklappbar ausführen zu können. Dies schafft die Möglichkeit, bei sehr starkem Aufkommen an Fahrrädern oder mehr als zwei Rollstühlen den Stauraum noch zu erweitern. Die seitlichen Laderaumtüren sollten als bündig schließende Schiebetüren ausgeführt werden. Dabei sollte ein bereits bestehendes und bewährtes Fabrikat zum Einsatz kommen. Das Öffnen soll von außen und innen möglich sein. Eine Bühne an der Stirnwand des Fahrzeuges ist nicht vorgesehen.
Geplant wurde die Fertigung von insgesamt zwei Fahrzeugen mit den Nummern 996-006 und 007. Der Einsatz ist schwerpunktmäßig in den Sommermonaten Juni bis September vorgesehen. Für die übrige Zeit werden weiterhin die kleinen Wagen 996-004 und 005 vorgehalten, Wagen 996-002 wird vsl. später zum Gerätewagen umgebaut.
Das Dampflokwerk Meiningen erhielt den Zuschlag für die Realisierung des ersten Fahrzeuges. Das Lastenheft erstellte die Firma Cideon, die Konstruktionsleistungen und die Baubetreuung führte die Firma Hörmann Engineering GmbH aus Chemnitz aus. Der für dieses Projekt ausgesuchte Spenderwagen Nr. 2 rollte am 30. April 2007 ins DLW, die Drehgestelle wurden zeitgleich in Vetschau bei TransTec aufgearbeitet.
Anfangs durch den G8-Gipfel bedingt, kam es später u. a. bei Zulieferteilen zu Zeitverzögerungen in der Fertigung, so daß der ursprünglich avisierte Termin Anfang März nicht gehalten werden konnte. Der Wagen 996-006 traf in der ersten Juniwoche beim Molli ein, um nun seine Probefahrten zu absolvieren und noch in der Saison 2008 seine Erprobung zu durchlaufen. Danach soll mit ggf. erforderlichen Anpassungen aus den Praxistests das zweite Fahrzeug beauftragt werden, was nach Planung der Molli GmbH dann zur Saison 2009 zur Verfügung steht.
Der ehemalige Flachwagen Nr. 1 der LMBV, heute SSw 98-04-01, ist inzwischen als Bahndienstwagen zugelassen und kann somit in Regelzügen mitgegeben werden. Ob der vierte Flachwagen ebenfalls eine HU mit Umbau der Zug- und Stoßvorrichtung erhält oder im bisherigen Zustand ausschließlich als Werkstattgerät genutzt wird, stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest.
09.06.2008