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Rezensiert: enteignet. wie die klein- und privatbahnen in der späteren ddr verstaatlicht wurden
Lothar Weber
Enteignet. Wie die Klein- und Privatbahnen in der späteren DDR verstaatlicht wurden. 1945–1952
160 Seiten im Format 17 x 21 cm, Broschur, mit 130 Schwarzweißfotos und 15 Tabellen transpress-Verlag, Stuttgart 2020. ISBN: 978-3-613-71540-0 Preis: 19,95 Euro
Das als Kompendium konzipierte Buch enthält vier Kapitel:
- Neben-, Privat- und Kleinbahnen in Deutschland,
- Konzerne, kommunale Betreiber und selbstständige Bahnen in der SBZ,
- Die Klein- und Privatbahnen in der SBZ,
- Vom volkseigenen Betrieb zur Deutschen Reichsbahn sowie ein Abkürzungs- und Literaturverzeichnis (Auswahl).
Für Unsicherheit sorgt im Titel das Wort „verstaatlicht“. Es erinnert an die großen Verstaatlichungswellen in Preußen während der 1870er und 1880er Jahre. In der sowjetischen Besatzungszone, die zwar staatsähnliche Strukturen aufwies, aber kein Staat war, wurden diese Eisenbahnen – wie ansonsten in diesem Buch auch beschrieben – dann enteignet, wenn sie keine Kommunalunternehmen waren. Die einzelnen Textabschnitte basieren kaum auf Primärquellen. Ausnahmen mögen einige Betriebsbuchkopien und sonstige Unterlagen über den Maschinenbetrieb sein. Übernommen bzw. abgeschrieben wurden vielmehr Angaben aus diversen Veröffentlichungen (Sekundärquellen). Dabei lässt sich oft genau nachweisen, dass es sich um Bücher und Zeitschriftenbeiträge handelt, die im Literaturverzeichnis auf den Seiten 157 bis 159 nicht aufgeführt sind. Einige Daten in den Tabellen auf den Seiten 83 bis 151 wurden Publikationen aus den 1970er und 1980er Jahren entnommen, die inzwischen veraltet sind. Es gibt dazu neuere Veröffentlichungen, die aber unberücksichtigt blieben. Für große Verwirrung sorgen Angaben über Schmalspurlokomotiven, die als Reparationslieferungen in die UdSSR gelangten. Bei mehreren Maschinen ist nachweisbar, dass die fast ausschließlich zu findende Angabe „Einsatz in Leningrad“ (Seiten 49 bis 52) nicht stimmt. Es stellt sich die Frage, aus welcher Quelle dieser Wortlaut entnommen wurde, der Autor geht darauf nicht ein. Möglicherweise handelt es sich um gefälschte Listen, die durchaus keinen Einzelfall darstellen. Ebenso stimmen die in Stichproben überprüften Abnahmedaten einzelner Lokomotiven nicht in einem einzigen Fall mit den tatsächlichen überein. Beschrieben werden zwar die von der DR übernommenen Infrastrukturen und deren Triebfahrzeuge, aber nicht einmal ansatzweise wird erwähnt, dass 1949 auch etwa 3100 Schmalspurwagen sowie zahlreiche normalspurige Reisezug- und Güterwagen in den Bestand der DR wechselten. Die Bildqualität des Buches befriedigt nicht, offensichtlich unterblieb eine ausreichende Bildbearbeitung. Hinzu kommen häufig Mängel bei der Urheberangabe, die einen unseriösen Eindruck hinterlassen. So werden Fotos, deren Urheber bzw. Quelle durch zahlreiche Veröffentlichungen eindeutig bekannt sind, entweder mit „Slg. L. Weber“ oder mit „Slg. D. Endisch“ gekennzeichnet. Stil und Satzbau des auf dem Buch genannten Autors erinnern übrigens häufig an einen Buchautor und zugleich Verlagsinhaber.
Fazit: Das auffallend preiswerte Buch gibt einen Überblick über die von der Deutschen Reichsbahn 1949 übernommenen Kleinbahnen und ehemaligen Privatbahnen. Aufgrund unzähliger nachweisbarer Sachfehler auf fast jeder Seite (Tabellen eingeschlossen), wird empfohlen, diese Angaben für eigene Arbeiten nicht zu verwenden, sondern dafür bisher erschienene Spezialliteratur auszuwerten.
12.08.2020